Oberhausen. Die blühende Fassade der EVO in Oberhausen leistet einen Beitrag zum Klimaschutz. Doch das Gebäudegrün ist auch für Privatpersonen interessant.
Wer von Osten aus über die Danziger Straße nach Oberhausen hineinfährt, dem sticht unausweichlich das auffällige Gebäude der Energieversorgung Oberhausen (EVO) ins Auge. An dem kastenförmigen Bau mit Glasfassade wachsen blaue und violette Blumen quasi aus der Wand. Zumindest im Moment. Über das Jahr blüht das Wandgrün in vielen unterschiedlichen Farben. „Das wechselt durch. Mal gelb, mal rot, mal weiß“, sagt Frank Mols von der EVO.
Welche Pflanzen an der Gebäudefront wachsen sollten, war bei der Planung keine einfache Frage. Unterschiedliche Aspekte spielten eine Rolle, erinnert sich Frank Mols, Bauleiter für das Projekt. Zum Beispiel die Himmelsrichtung, in die die Fassade des EVO-Gebäudes zeigt – nämlich Osten. Die Gewächse müssen also gut mit Morgensonne klarkommen. Außerdem sei nicht jede Pflanze dazu geeignet, an einer Vertikalen zu wachsen. Die Oberhausener Gewächse seien darauf sogar speziell vorbereitet worden, erklärt der 54-Jährige. Sie wurden nicht einfach in Blumentöpfen herangezogen und wuchsen in die Höhe, sondern waren von Anfang an in der Vertikalen angebracht und passten ihre Wuchsrichtung entsprechend an.
Rund 20 Pflanzenarten verschönern das Gebäude
Seit einem Jahr begrüßt die „living wall“ – also die lebendige Wand – nun schon Menschen auf ihrem Weg in die Oberhausener Innenstadt. Sie war im Laufe der notwendigen Sanierung des EVO-Gebäudes als „Tor in die Stadt“ installiert worden, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. 66.800 Euro hat das Unternehmen in die gut 103 Quadratmeter große Wand investiert – pro Quadratmeter also etwa 645 Euro. Jetzt verschönern rund 20 Pflanzenarten den Bau, darunter Storchschnabel, Purpurglöckchen, Katzenpfötchen, Schillergras und Thymian. „Dass es jetzt so schön geworden ist, hätten wir vorher auch nicht gedacht“, sagt Frank Mols.
Bewässert werden die Pflanzen, die übrigens nicht in klassischer Blumenerde wachsen und gedeihen, sondern lediglich ein Substratsäckchen in einer Fliesmatte benötigen, nach Bedarf. Sensoren messen, wann und wie viel bewässert werden muss. Je nach Jahreszeit und Niederschlagsmenge ist das nämlich unterschiedlich. Wer allerdings eine riesige Bewässerungsanlage im Keller vermutet, der irrt. Lediglich vier Rohre sind nötig, um die mehr als 100 Quadratmeter große Pflanzenwand mit Wasser und Nährstoffen zu versorgen.
Die Grünflächen sollen auch dem Insektensterben entgegenwirken
Die EVO erhofft sich von dem Fassadengrün viele Vorteile für das Klima in der Stadt. Denn die Pflanzen binden CO2 und Feinstaub, erhöhen die Luftfeuchtigkeit und mindern durch Verdunstung die Umgebungstemperatur. Welche konkreten Auswirkungen die vertikale Wiese auf das Mikroklima hat, dazu gibt es noch keine Zahlen. Die Sensoren dafür sind aber bereits installiert. Auch auf zwei Dächern des Unternehmens, die ebenfalls begrünt sind – insgesamt 2000 Quadratmeter.
Die Grünflächen sollen auch dem Insektensterben entgegenwirken. Werden die Tiere allerdings zur falschen Zeit angelockt, kann das den gegenteiligen Effekt haben: Nachts verirren sie sich zum Licht, können mit der Lichtquelle kollidieren, überhitzen oder vor Erschöpfung sterben. Damit das nicht passiert, hat sich die EVO bei der lebendigen Fassade für eine Beleuchtung ohne UV- und mit wenig Blauanteil entschieden, erklärt Michael Schulz, verantwortlich für die Beleuchtung und Mols Stellvertreter. Durch die spezielle Art der Beleuchtung entstehe außerdem keine Lichtverschmutzung.
Nicht jedes Dach und jede Fassade sind für den Bewuchs geeignet
Auch wenn sich die positiven Auswirkungen von Dach- und Fassadengrün an der Danziger Straße noch nicht messen lassen, Michael Schulz plädiert dafür, diese Möglichkeit bei einer anstehenden Sanierung immer mitzudenken. Zwar müssten Statik und Traglast zu dem Vorhaben passen. Aber Dächer, die beispielsweise schon jetzt mit Kies bedeckt seien, erfüllten oft auch die Voraussetzungen für eine Dachbegrünung. Eine Dachfläche, die zusätzlich 100 Kilogramm pro Quadratmeter tragen könne, sei auch für Dachgrün oder eine Photovoltaik-Anlage geeignet. „Unter 75 Kilogramm wird es aber eng“, erklärt der 43-Jährige.
Denn auch wenn eine einzelne Pflanze kaum etwas wiegt, kann nicht jedes Dach den Aufbau für die ganze Wiese tragen. Und wenn es regnet oder schneit, wird die kleine Grünanlage sogar noch schwerer. „Das Wasser, das sonst abfließt, wird zurückgehalten“, so Schulz, zum Bewässern oder für den Verdunstungseffekt.
Sich mitten in Oberhausen „wie in der Wüste“ fühlen
Kies auf Dächern ist keine Seltenheit. Die Steinchen erhöhen die Statik und schützen das Dach vor UV-Strahlen. Doch Kiesdächer strahlen auch Wärme ab. Bei hochsommerlichen Temperaturen fühle man sich dort mitten in Oberhausen „wie in der Wüste“, berichtet Michael Schulz. Eine Umrüstung auf Dachgrün hält er daher für sinnvoll, auch wenn die Wartungskosten natürlich höher seien. Zweimal im Jahr wird die Fassade gewartet, mindestens einmal im Jahr die Dächer.
Einen monetären Effekt solle man sich daher auch nicht unbedingt versprechen vom Gebäudegrün. Es sei vielmehr eine Investition in die Zukunft. „Das sieht toll aus, das ist sinnvoll, das hat einen positiven Effekt“, fasst Michael Schulz es zusammen. Und wer sich nicht von den hohen bürokratischen Hürden bei den Fördermöglichkeiten abschrecken lasse, könne zum Beispiel eine Wand eines Mehrparteienhauses begrünen oder die Dächer einer Garagenanlage – und so auch als Privatperson einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.