Gelsenkirchen-Erle. Homeoffice und Ausgangssperre in Gelsenkirchen hatten aus Hundesicht auch Vorteile: Das Rudel war beisammen. Die Umstellung kann hart werden.
Bald, ganz bald, so hoffen viele, ist ein normaleres Leben nach einem gefühlten Lockdown nach dem nächsten wieder möglich. Manch ein Hund aber mag darüber gar nicht so glücklich sein. Denn immerhin: Frauchen und Herrchen waren viel mehr zu Hause, konnten mitunter hier arbeiten, gingen aber ganz sicher nicht abends aus und am Wochenende auch nicht. Ein ruhiges Heim war auch garantiert, weil Besuche Mangelware waren. So wie gemeinsame Ausflüge. Was also, wenn das Gelsenkirchener Hundeleben demnächst wieder anders ist?
„Für viele Hunde wird das schon eine Umstellung sein“, prognostiziert Heike Reddig, Vorstandsmitglied des Tierschutzvereins Gelsenkirchen und selbst Hundetrainerin in der Hundeschule des Tierheims. Sie weiß, nach den langen Monaten der Isolation, auch von aufkommenden Problemen bei ganz normalen Familienhunden zu berichten. „Eine Hundehalterin hat mich kontaktiert, die sonst in unserer Hundeschule trainiert hat. Sie beobachtet Veränderungen bei ihrem Hund beim Gassigehen. Er bellt auf einmal andere Hunde an, geht forsch nach vorne. Der Hund war vor dem Lockdown sehr gut sozialisiert.“ Nach über einem Jahr jedoch hinterlasse die Situation auch bei den liebsten Hunden Spuren.
Tipp der Gelsenkirchener Expertin: Einmal in der Woche sollte Besuch kommen
Selbst im besten Fall hätten die Hunde sich einfach an den Komfort des Familienglücks im nahezu immer präsenten Rudel gewöhnt. Der Tipp der Expertin: „Man sollte den Hund unbedingt auch jetzt alleine lassen – und sei es nur, um einkaufen zu gehen.“ Auch Besuche sollten normal sein. „Mindestens einmal in der Woche sollte wenigstens eine Person kommen.“ Gleichsam rät Heike Reddig, nicht gleich, sobald es erlaubt ist, eine große Party zu schmeißen. Behutsam solle der beste Freund des Menschen an mehrere Besucher heran geführt werden.
Hundebegegnungen sind ganz wichtig für die Tiere. In der Hundeschule sind sie im normalen Betrieb ein bedeutsamer Bestandteil der Ausbildung. Diese aber kann aktuell nicht stattfinden. Hier ermuntert Heike Reddig, mit einem Hund aus dem Bekanntenkreis oder aus der Nachbarschaft, mit dem sich der eigene Vierbeiner gut versteht – natürlich sollten auch die Zweibeiner miteinander auskommen – gemeinsame Runden zu drehen. „Von der Leine lassen würde ich die Hunde aber ohne fachliche Betreuung nicht. Viele Besitzer schätzen das Verhalten ihres Hundes falsch ein. Das kann zu Problemen führen.“ Auch wichtig: „Trotz Lockdown sollten Hunde weiterhin Umweltreizen ausgesetzt werden.“ Zum Beispiel sollte man an einem Bus vorbei gehen oder in die Nähe des Straßenverkehrs.
Sorgen bereiten die vielen Corona-Hunde
Ob ein Hund der neuen Freiheit gelassen begegnet, das hänge vor allem von seinem Alter ab. War er vor dem Ausbruch der Pandemie in gesetzterem Alter und bereits gut ausgebildet, so fände er schnell zurück in den neuen alten Alltag. Anders sei es bei einem jungen Hund. Da müsse viel Ausbildung nachgeholt werden. Besondere Sorgen aber bereiten der Hundetrainerin die vielen „Corona-Hunde“. „Die haben ja allesamt keine Ausbildung.“ Noch problematischer: „Viele der Menschen haben keine Hundeerfahrung.“ Das Ergebnis: Schon jetzt sind die Wartelisten lang. „Zum Teil berate ich die Leute mittlerweile am Telefon. Aber wenn man den Hund nicht kennt, ist das schwierig.“ Vor allem, wenn echte Notrufe die Hundeschule erreichen.
Einzelunterricht zum Sonderpreis
Die Hundeschule des Tierheims Gelsenkirchen war viele Monate ganz geschlossen. Seit vergangener Woche ist zumindest Einzelunterricht für die dringendsten Fälle gestattet – zum Corona-Sonderpreis, damit jeder es sich auch leisten kann.Man hatte gehofft, demnächst in Kleingruppen unterrichten zu dürfen, bei denen nur menschliche Teilnehmer mit vollständigem Impfschutz zusammen kommen. Dem Wunsch jedoch konnte die Stadt nicht entsprechen.
Besonders traurig ist Heike Reddig, dass Anlagehunde lange nicht unterrichtet werden konnten – die Grundlage für Wesenstest und Maulkorbbefreiung. „Das betrifft ja auch Rassen wie den Rottweiler. Wenn die nicht ausgebildet werden, müssen die ab dem sechsten Lebensmonat immer einen Maulkorb tragen.“ Eine schöne Hundekindheit sehe anders aus. Umso mehr hoffen die Hundetrainerin und ihr Team, dass bald wieder ein normaler Unterricht möglich sein wird.
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