Oberhausen. Für die Liebe zog Sophie Morgenbrod vor 20 Jahren von Kanada nach Oberhausen. Noch immer wundert sie sich über eine deutsche Angewohnheit.

Wenn man Sophie Morgenbrod in ihrem Zuhause in Oberhausen-Alstaden besucht, landet man schnell in einer anderen Welt. Tritt man durch die Tür ihres Klassenzimmers, blickt man auf eine Kanada-Fahne, überall stehen bunte, englische Zitate an den Wänden und ein Modell des klassischen roten England-Busses thront auf einem Regal. Sophie Morgenbrod, auch genannt Miss Sophie, strahlt, wenn sie sich in ihrem Reich umblickt. „Hier geschieht die Magie.“

Im Oktober ist es genau 20 Jahre her, dass sie ihre Heimat Kanada verlassen hat und nach Oberhausen gezogen ist – wegen der Liebe. Ihren Mann, den Oberhausener Thomas Morgenbrod, lernt sie 2000 im Urlaub in der Dominikanischen Republik kennen, danach gibt es kein Zurück mehr. „Wir haben uns einige Male gegenseitig besucht, dazwischen Briefe geschrieben und über Video gechattet“, erinnert sich die 48-Jährige. Nur acht Monate später heiraten die beiden in ihrer Heimatstadt, einem kleinen Dorf namens Robertville.

Kanadierin lernt Deutsch in der Krankenhaus-Küche

2001 zieht die Wahl-Oberhausenerin mit ihrem damals sechsjährigen Sohn Kristopher aus früherer Ehe nach Deutschland. Mittlerweile ist sie Englischlehrerin. Seit elf Jahren hilft sie spielerisch Kindern in Kitas, ihre ersten englischen Wörter zu lernen, vor einigen Jahren kamen Grundschulkinder dazu. Ein Kontrastprogramm: In Kanada war sie Finanzbeamtin, kümmerte sich um Steuern. „Das konnte ich in Deutschland aber nicht weitermachen, weil das Steuersystem hier viel komplizierter ist“, sagt sie und lacht. Deshalb orientiert sie sich neu. Acht Monate arbeitet sie in der Küche des Johanniter Krankenhauses an der Steinbrinkstraße und spült Geschirr. „Da habe ich sehr viel Deutsch gelernt, wenn ich mich mit den türkischen Frauen unterhalten habe. Das war total lustig.“

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Trotzdem braucht es drei Jahre, bis sie sich auf Deutsch unterhalten oder ins Kino gehen kann. Länger dauert es, das Heimweh zu überwinden. „Sechs Jahre habe ich mein Zuhause wirklich stark vermisst“, erinnert sie sich. „Dann kam Facebook und ich konnte mit Familien und Freunden in der Heimat in Kontakt bleiben, das hat mir sehr geholfen.“ Mit ihrem Mann Thomas bekommt Sophie Morgenbrod zwei weitere Kinder – Julian, mittlerweile 19, und Kira (15), die das Heinrich-Heine-Gymnasium besucht. Alle im Haushalt sprechen Englisch und Deutsch, die drei Kinder sind bilingual aufgewachsen.

Sophie Morgenbrod in ihrem neuen Klassenraum: Sechs Schülerinnen und Schüler finden dort Platz und lernen mit Büchern, Liedern oder Stofftieren spielerisch die englische Sprache.
Sophie Morgenbrod in ihrem neuen Klassenraum: Sechs Schülerinnen und Schüler finden dort Platz und lernen mit Büchern, Liedern oder Stofftieren spielerisch die englische Sprache. © FUNKE Foto Sercices | Laura Dicke

„Miss Sophie“ bringt Kindern spielerisch die englische Sprache bei

Bereits 2004 beginnt sie mit dem Englischunterricht für Erwachsene in einem Förderkreis in Wesel, später kommt sie in einer Sprachschule unter. „Aber es hat mich nicht erfüllt, Erwachsenen Englisch beizubringen.“ Durch einen Zufall landet sie schließlich bei einem Englisch-Programm im Kindergarten. „Das war fantastisch, da ich die Kids spielerisch an die Sprache heranführen konnte, mit Liedern und Büchern, die ich selbst ganz toll finde.“ Vom Grinch bis zum Grüffelo ist alles dabei – Gedichte, Songs und Theaterdarbietungen sollen den Kindern die englische Sprache leicht vermitteln.

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2013 macht sie sich schließlich selbstständig, arbeitet in Kitas und Schul-AGs und entwickelt ein Programm für Grundschüler im Nachmittagsbereich – die werden mittlerweile in ihrem eigenen Klassenraum zu Hause unterrichtet. „Es macht mich glücklich, mit Kindern zu arbeiten“, erklärt sie. So ganz lässt sie ihre Heimat aber nicht los: Für die Drittklässler in ihren Kursen gibt es ein Brieffreunde-Projekt, das sie in Kooperation mit einer Schule in Robertville ins Leben gerufen hat. „Miss Sophies English Playschool“ ist bei den Eltern in Oberhausen beliebt. „Meine Warteliste ist lang, und das alles nur durch Mundpropaganda. Werbung habe ich nie gemacht.“

Englischlehrerin mittlerweile in Deutschland angekommen

Obwohl das Heimweh sie viele Jahre begleitet hat, ist sie mittlerweile ganz in Oberhausen angekommen. „Ich liebe das Brot hier. Wenn meine Mutter aus Kanada zu Besuch ist, will sie auch als erstes in die Bäckerei.“ Nur die deutsche Tradition zum Geburtstag ist ihr bis heute ein Rätsel. „Wenn du in Kanada Geburtstag hast, laden deine Freunde dich groß zum Essen ein und du selbst musst keinen Finger rühren. Hier muss ich meine Party selbst planen und sogar den Kuchen backen. Das verstehe ich nicht“, lacht sie.

„Miss Sophie“ unterrichtet Kita-Kinder und Grundschüler

Vor der Pandemie hatte Sophie Morgenbrod für ihre Nachmittagskurse für Grundschüler einen Raum angemietet. Da dies durch Corona nicht mehr möglich war, hat sie ein altes Gebäude auf ihrem Grundstück umgebaut und in einen Klassenraum verwandelt.Auch im Kindergarten ist „Miss Sophie“ weiterhin aktiv. Mittlerweile ist sie beim freien Träger Löwenzahn fest angestellt und betreut vier Kindergärten in Oberhausen.