Gelsenkirchen-Hassel. Die Verkehrsader Polsumer Straße im Norden Gelsenkirchens habe Modellcharakter, sagt Standortentwickler Siegbert Panteleit. Er erklärt warum.
Wenn Dr. Siegbert Panteleit von einer „Zukunftsmeile“ spricht und damit die Polsumer Straße meint, dürften sich viele Gelsenkirchener wundern. Doch wie immer kann der Standortentwickler seine Thesen argumentativ untermauern und bei einem Spaziergang vor Ort entlang des Teilstückes vom Freistuhl bis zum einstigen Bahnübergang anschaulich erklären.
Obwohl es noch früh am Tage ist, auf der Polsumer Straße ist viel los. Sie ist eine der wichtigsten Verkehrsadern im Stadtnorden. In ihrem Hinterland wohnen zudem zahlreiche Menschen die es jetzt, bei zwar kaltem aber immerhin trockenem Wetter vor die Türe treibt. „Hier gibt es kaum Leerstand“, sagt Panteleit – und er hat recht. „Hier ist eine migrantisch geprägte Ökonomie entstanden, die gut funktioniert.“ Etliche Moscheegemeinden und muslimische Vereine nutzen einige der früheren Ladenlokale. „Daraus ist eine ganz eigene Nachfrage entstanden.“
Leihwagen für besondere Momente - Hochzeit, Verlobung und mehr
Hier gibt es einen Schönheitssalon für die Damen mit türkischen und arabischen Wurzeln. Ein Schild im Fenster preist Wimpernverlängerungen und Maniküre an. Dort bietet ein kleiner Laden schmucke Leihwagen für die besonderen Momente im Leben an, vom verabredeten Kennenlernen bis zur Hochzeit. Jener arbeite, so der Bueraner Panteleit, mit einem weiteren Unternehmen etwas weiter südlich an der Polsumer Straße zusammen, das professionelle Videos drehe solch unvergesslichen Momenten.
Und gleich daneben ist ein Geschäft, das alle Utensilien für ein gelungenes Event anbietet – von kleinen Babypuppen aus Plastik in rosafarbener oder blauer Kleidung für die Babyparty bis hin zum Beschneidungsanzug. „Das ist eine Wertschöpfungskette, die funktioniert.“
+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Gelsenkirchen verpassen? Dann können Sie hier unseren kostenlosen Newsletter abonnieren +++
Abgerundet wird das Angebot durch eine Bäckerei, Schnellrestaurants, einen Supermarkt, eine kleine Postfiliale und, das ist beachtlich, ein ganzes Gesundheitszentrum mit drei Arztpraxen, zwei Apotheken und therapeutischen Angeboten.
Großes Potenzial bescheinigt
Das Potenzial in der Polsumer Straße und dem Stadtteil Hassel sieht nicht nur Siegbert Panteleit. Auch statistisch sei die Kaufkraft des Umlandes noch lange nicht erschöpft. Nur so lasse es sich ja beispielsweise erklären, dass ein Vollsortimenter aus dem Lebensmittelbereich an einer Niederlassung auf dem Grundstück von St. Theresia interessiert ist.Auch im nördlichen Teil sei die Nachfrage groß. So hätten sich hier Dienstleister für die Industrie angesiedelt wie etwa der Gerüstbauer „Boss GmbH“ oder, in der einstigen Volksbank-Filiale, das Ingenieursbüro „MN Energietechnik“. Das übrigens habe auch die erste Etage für Wohnraum mitgemietet.
Was man nun in stadtplanerischer Hinsicht davon lernen kann? Ganz klar für Siegbert Panteleit: An der Polsumer Straße sei ein Wandel sichtbar, weg vom Handel, hin zur Dienstleistung. „Wir müssen Standorte nicht mehr als Handelsstandorte denken, sondern als Gewerbestandorte.“ Das sei auch für einstmals erfolgreiche Lagen in der buerschen Innenstadt erforderlich.
„Wir werden für viele B-Lagen keine Händler mehr gewinnen können“, spielt Panteleit auf eine Zeit nach Corona an. Hier müsse man auf Dienstleister setzen. Und auf einen weiteren Kniff: „Wir sollten uns der Belle Etage erinnern, also der Idee, dass Geschäftsleute den Laden mieten und die darüber liegende Wohnung zum Leben gleich dazu. Das erhöht die Frequenz in den Innenstädten.“ Und dieses „gute Modell“ ist an der Polsumer Straße bereits jetzt wiederentdeckt. „Wir haben hier einen funktionierenden Ortsteil, der für uns optisch gewöhnungsbedürftig ist – da müsste man jetzt aus städtebaulicher Sicht dran gehen“, wendet sich Siegbert Panteleit an die Stadtverwaltung.
Eingemeindung nach Buer – die Allee des Wandels
Zumal ein solcher Einsatz jetzt sich in der Zukunft auszahlen werde. Kaum ein Stadtteil nämlich habe solch Potenzial wie Hassel. Das untermauert der Ingenieur, als der einstige Bahnübergang erreicht ist. „Das ist die Achse der Zukunft: die Allee des Wandels. Ein Weg für Fahrräder und vielleicht auch E-Shuttles von der Zeche Ewald bis zur Westfälischen Hochschule.“ Ihm komme künftig besondere Bedeutung zu. Denn durch die geplante Erweiterung der Industrie am nördlichen Rande der Stadt entstünden in den nächsten fünf Jahren bis zu 10.000 neue Arbeitsplätze vor Ort. Und jene Arbeiter wollten irgendwo wohnen und einkaufen. „Die Allee des Wandels umschließt einen Teil von Hassel wie einen Halbmond. Das sorgt perspektivisch für eine Eingemeindung dieses Teils nach Buer.“ Ein weiterer Aspekt, der die Polsumer Straße zu einer echten „Zukunftsmeile“ macht.