Gelsenkirchen. Abriss oder Ausbau? Dirk Schlichting lässt mit seiner Rauminstallation im Kunstmuseum Gelsenkirchen Gewohntes befremdlich wirken.
Der Museumsbesucher ist irritiert und überrascht. Wer ab Sonntag, 29. Mai, den Ausstellungsraum im Kunstmuseum Gelsenkirchen betritt, blickt links und rechts auf Plastikfolien und auf nackte Betonpfeiler, aus denen noch die Moniereisen ragen. Durchs Fenster entdeckt der Betrachter zwei weitere, unfertige Betonsäulen. Wird hier tatsächlich ans Museum angebaut, wie einstmals geplant, oder gar ein Teilbereich wieder abgerissen?
Herner Künstler Dirk Schlichting stellt Vertrautes in Frage
Der Künstler Dirk Schlichting spielt in seiner verwirrenden, raumbezogenen Installation „Flur-2022“ mit genau diesen Fragen. Dazu eingeladen hat ihn der Kunstverein Gelsenkirchen, der zum nunmehr achten Mal innerhalb seiner außergewöhnlichen Ausstellungsreihe „open up – Kunst, Technologie, Innovation“ einen Künstler zum Spiel mit Raum und Material beauftragt hat. Vereinsvorsitzender Ullrich Daduna betont: „Wichtige Voraussetzung für die Arbeiten ist es, dass die Kunstschaffenden Material aus der industriellen Produktion nutzen.“ Das geschieht oft in enger Kooperation mit heimischen Industriebetrieben.
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Dirk Schlichting, 1965 in Düsseldorf geboren und heute in Herne zu Hause, absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Steinmetz, ein Beruf, den er bis heute ausübt, bevor er dann ein Studium an der Kunstakademie Münster absolvierte. Mit seinen aktuellen Installationen spielt er vor allem mit räumlichen und inhaltlichen Kontexten, stellt Vertrautes in Frage, fokussiert den Blick der Menschen auf bekannte Situationen ganz neu.
Kunstmuseum Gelsenkirchen: Ein Folientunnel in der Baustelle führt ins Nirgendwo
Im Kunstmuseum kreierte Schlichting, Mitglied im Deutschen Künstlerbund, einen langgezogenen Flur mitten im Raum, eine klar inszenierte Baustellensituation. Durch die Folie hindurch fällt der Blick leicht verschwommen in die dahinter liegenden leeren Räume. Von der Decke leuchtet kaltes Neonlicht, durch die Folien schimmern die Baulampen. Schlichting: „Dieses Licht macht etwas mit der Stimmung im Folientunnel.“ Alles wirkt unfertig. Selbst die mausgrauen, rauen, grob verschalten Betonpfeiler scheinen noch nicht komplett gegossen zu sein, die nackten Moniereisen ragen aus den Stümpfen heraus bis unter die ebenfalls mit Folie abgehängte Decke.
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Der Künstler, der bereits 2010 erfolgreich mit dem Kunstverein für das Kulturhauptstadt-Projekt „Gahlenscher Kohlenweg“ zusammengearbeitet hatte, nennt seine Grundidee für das Museum, das er seit vielen Jahren kennt, plakativ: „Die Architektur des Kunstmuseums wirkt sehr verschachtelt und besteht gefühlt aus ganz vielen Fluren.“ Darum fügte er nun mit seiner raumgreifenden Installation einen weiteren, surrealen Flur als Baustelle hinzu. Daduna: „Dadurch entsteht ein völlig ungewisser Zustand zwischen Abriss und Neugestaltung.“ Eine bekannte Situation wirkt befremdlich.
Wenn bekannte Räume plötzlich überraschend fremd aussehen
Die beiden grauen Betonpfeiler im hinteren Außenbereich verstärken diesen Schwebezustand noch. Sie werfen die Frage auf, ob an dieser Stelle vielleicht ein weiterer Eingang entstehen soll oder gar ein Museumsanbau. Das durchschimmernde Licht, die räumliche Enge und die Pfeiler mit ihren ungleichen Höhen und dem rhythmischen Abstand voneinander sorgen für eine ganz eigene, ganz besondere Ästhetik im musealen Raum. Nach der Eröffnung dieser Ausstellung bereitet der Kunstverein bereits das nächste Projekt für seine Reihe „Kunst am Baum“ im Park von Schloss Berge vor.
Die Ausstellung „Flur-2022“ des Kunstvereins Gelsenkirchen wird am Sonntag, 29. Mai, um 11.30 Uhr im Kunstmuseum an der Horster Straße 5-7 eröffnet. Die Installation wird bis zum 14. August zu sehen sein. Das Museum ist dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.