Mülheim. Die Städte sind gefragt, ob sie sich als „Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ als Weltkulturerbe bewerben. Was Mülheim einbringen könnte.

Kann die „Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ ein Weltkulturerbe im Sinne der UNESCO werden? Das Land strickt daran und hat Städte und Landkreise jetzt aufgefordert, Stellung dazu zu beziehen. Unterstützen sie die Idee? Haben sie Interesse an einer solchen Auszeichnung?

Skeptische Stimmen zum Projekt

„Die Idee an sich ist gut, sie könnte zu einer kulturpolitischen Aufwertung des Ruhrgebietes und Mülheims beitragen. Es gibt aber auch skeptische Stimmen. Fragen werden laut wie: Brauchen wir diesen zusätzlichen Denkmalschutz überhaupt? Nehmen wir uns durch die Unterschutzstellung Entwicklungschancen, die wir als Stadt vielleicht irgendwann hätten?“, sagt Baudezernent Peter Vermeulen.

Das Amt für Bauaufsicht und Denkmalpflege hat eine Beschlussvorlage erarbeitet, die das Projekt der Politik vorstellt. Im Kulturausschuss wurde darüber schon kontrovers diskutiert, andere Ausschüsse folgen. Am 1. Juli soll der Rat der Stadt dann entscheiden, ob Mülheim mitzieht. Nach diversen Landes- und Bundes-Entscheiden könnte 2024 die deutsche Vorschlagsliste bei der UNESCO eingereicht wird. Dann kommt es darauf an, auf welchem Platz NRW dort mit seinem Vorschlag steht. Denn alle 16 Bundesländer sind am Start. Frühestens 2026 könnte eine erste Entscheidung fallen, wer berücksichtigt wird.

Aufnahme in die UNESCO-Vorschlagsliste

Die Ruhrbrücke in Mülheim war früher ein wichtiger Transportweg, heute verläuft dort der Radschnellweg 1.
Die Ruhrbrücke in Mülheim war früher ein wichtiger Transportweg, heute verläuft dort der Radschnellweg 1. © Unbekannt | Julia Althoff / FUNKE Foto Services

Das Projekt Welterbe ist also noch in den Anfängen, dennoch gibt es schon Vorschläge dafür, welche „Elemente“ in den verschiedenen Städten des Ruhrgebietes die Kandidatur rechtfertigen könnten. Die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur in Dortmund hat die Projektleitung inne, sie arbeitet heraus, worin der „außergewöhnliche universelle Wert“ der Revier-Landschaft besteht.

„Die Landschaft des Ruhrgebietes ist von der Industrialisierung überformt worden und weist eine beeindruckende zusammenhängende Infrastruktur im Bereich der Wasserwege und der Schienenwege auf“, sagt Projektleiterin Dr. Marita Pfeiffer. Aber auch „bewahrte Grünzüge als Frischluftschneisen“, einzelne prägende Stätten wie etwa die Halden oder auch Bauwerke, die typisch für die Zeit der Schwerindustrie sind, rechtfertigten die Bewerbung als Welterbe.

Sechs Elemente in Mülheim benannt

Sechs Welterbe-Element hat die Stiftung für Mülheim ausgemacht. Es sind die Ruhr als Verbindungsweg ebenso wie die Bergisch-Märkische-Eisenbahn, deren Trasse einst und auch heute noch die Städte von Dortmund bis Duisburg verbindet und ein wichtiger Transportweg war und ist. Außerdem wird die ehemalige Rheinische Bahn genannt, auf deren Trasse in Mülheim der Radschnellweg entstanden ist. An ihr liegt auch die Ruhrbrücke (ehemalige Eisenbahnbrücke über die Ruhr), die Teil eines industriellen Transportsystems war und ist und zugleich eine Landmarke. Sie steht ohnehin unter Denkmalschutz.

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Die Thyssen-Villa an der Dohne ist ebenfalls ein Baudenkmal. Sie könnte im Welterbe-Antrag unter „Siedlungen und Unternehmervillen“ im Zeitalter des Großindustriellentums aufgeführt werden. Ein wichtiges Merkmal der Industriellen Kulturlandschaft, sagt Marita Pfeiffer, sei auch der Grünzug im Westen der Stadt – die zusammenhängende Fläche des Uhlenhorster und Broich-Speldorfer Waldgebietes mit ihren Unternehmervillen. Sie stehe für den besonderen Wert des Wohnens im Wald.

Thyssen-Villa und Waldgebiet

Was hätte die Stadt Mülheim davon, wenn sie zum UNESCO-Welterbe gehörte? „Eine größere touristische Anziehungskraft. Der Besucherstrom würde deutlich zunehmen“, erklärt Peter Vermeulen. In den Ausführungen des Bauamtes heißt es: „Chancen und Potenziale liegen insbesondere in der Identitätsstiftung, der touristischen Aufwertung und dem Zugang zu überregionalen Kooperationen und Fördermöglichkeiten.“ Klappt es mit der Anerkennung als Welterbe, würde – so mutmaßt man – die Mülheimer Stadtmarketing GmbH (MST) gemeinsam mit der Stiftung Industriedenkmalpflege und dem RVR neue touristische Konzepte entwickeln. Der RVR würde wohl das Management des UNESCO-Welterbes übernehmen.

Kostet das etwas?

Eine finanzielle Beteiligung der Kommunen am Welterbe-Projekt sei nicht vorgesehen, eine Trägergemeinschaft aus RVR, Landschaftsverbänden, Emschergenossenschaft u.a. haben ihr finanzielles Engagement zugesagt.Ob sich später finanzielle Auswirkungen etwa durch Ausschilderungen, Marketing oder Tourismus-Management für die Städte ergeben könnten, sei jetzt noch nicht zu sagen, so die Verwaltung.

Basierend auf einer Anfrage von Mülheimer CDU und Grünen hat die Verwaltung vorgeschlagen, zusätzlich zu den sechs schon benannten Welterbe-Elementen in Mülheim zwei weitere in den Antrag mit aufzunehmen: den sogenannten „Ablaufberg“ der ehemaligen Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft in Speldorf sowie den Aquarius-Wasserturm in der Müga.