Oberhausen. Pandemie-Zeichen stehen auf Entspannung. Auch in den Oberhausener Kliniken. Doch eine renommierte Chefärztin nennt diese Sicherheit „trügerisch“.
Fast könnte man meinen, die Corona-Pandemie ist vorbei. Die Maskenpflicht ist nahezu aufgehoben. In den Alltag kehrt Normalität zurück. Wenn da nur nicht diese Häufung der Todesfälle in unserer Stadt wäre: 58 Tote seit Jahresbeginn. Dr. Britt Hornei, Chefärztin der Mikrobiologie am Evangelischen Krankenhaus in Oberhausen (EKO), zeigt angesichts sinkender Corona-Zahlen Verständnis für Lockerungen, warnt aber zugleich vor zu viel Sorglosigkeit.
Omikron hatte in Oberhausen seit Januar die Fallzahlen enorm in die Höhe schnellen lassen. Inzwischen scheint das Schlimmste überstanden zu sein. „Doch die Folgen der vielen Covid-Erkrankungen werden erst mit Zeitverzug deutlich“, betont Hornei. Drei bis vier Wochen nach einer Omikron-Infektion zeige sich, wie viele Menschen diese Erkrankung nicht überleben. Im EKO werden (Stand 10. Mai 2022) noch sieben Patienten mit einer Sars-Cov2-Infektion behandelt, einer davon auf der Intensivstation. „Bei den Kindern behandeln wir zurzeit drei Verdachtsfälle.“
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In Deutschland hatte Omikron die Delta-Variante in der ersten Kalenderwoche 2022 fast vollständig verdrängt. Am 1. Januar 2022 lag die Inzidenz in Oberhausen bereits bei 220. Die Stadt hatte bis dahin seit Pandemie-Beginn 407 Einwohnerinnen und Einwohner vermelden müssen, die an oder mit dem Virus verstorben waren. 58 weitere Todesfälle kamen allein in diesem Jahr dazu.
Der Verlauf ist milder, aber nicht harmlos
„Omikron verläuft zwar milder als Delta, aber mild heißt eben keinesfalls harmlos“, sagt die Chefärztin. Vor allem bei Ungeimpften sei das Risiko eines schweren oder tödlichen Verlaufs noch immer da. „Leider hatten wir aber auch schon einige schwere Fälle bei Geimpften.“ Vorerkrankungen, Alter und die Einnahme von Medikamenten spielten dabei entscheidende Rollen. „Alte Menschen haben einfach nicht mehr so ein gutes Immunsystem wie junge, da reicht manchmal nicht einmal die Booster-Impfung aus.“ 70 Prozent der Todesfälle in Oberhausen trifft Menschen über 80 Jahre. „Aber auch die Über-70-Jährigen sind stark gefährdet.“ Deshalb empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) längst auch eine zweite Booster-Impfung für alle ab 70 Jahren und für einige chronisch Kranke.
Einen 100-prozentigen Schutz gibt es aber auch mit einer Impfung nicht. Studien aus England belegen: Die Impfung bewahrt zwar zwei Wochen nach der zweiten Dosis noch zu fast 70 Prozent vor einem Krankenhausaufenthalt. Nach sechs Monaten aber sinkt dieser Schutz bereits auf 50 Prozent. Eine Booster-Impfung erhöht die Schutzwirkung vor einem schweren Verlauf immerhin erneut auf knapp 70 Prozent. Allein die hohe Anzahl der Omikron-Infizierten aber führt dazu, dass sich auch immer mehr Menschen aus den verletzlichen Gruppen anstecken.
Diese Covid-Varianten breiten sich aus
Bei den Testungen im Evangelischen Krankenhaus Oberhausen zeigt sich: Über 90 Prozent der Corona-Fälle wird aktuell von der Omikron-Variante BA.2 verursacht. Die Mutation BA.1 war zuerst in Südafrika aufgetaucht.Südafrika erlebt gerade seine fünfte Corona-Welle, ausgelöst durch die sich dort rasant ausbreitenden Omikron-Varianten BA.4 und BA.5.Beide weisen Mutationen auf, mit denen sie dem nach einer Impfung oder einer Infektion aufgebauten Immunschutz teilweise entkommen können.Mit weniger als einem Prozent spielen sie bislang in Deutschland nach Angaben des Robert-Koch-Instituts aber nur eine untergeordnete Rolle. In Oberhausen sind sie noch nicht nachgewiesen worden. Der Krankheitsverlauf soll dem der Omikron-Varianten BA.1 und BA.2 ähneln.
Während bei der Ur-Variante aus dem chinesischen Wuhan ein Corona-Fall zwischen zwei und drei weitere Menschen infizierte, sind es bei Omikron schon bis zu neun. „Durch diese schnelle Verbreitung traten innerhalb kurzer Zeit so viele Fälle auf, dass es selbst bei weniger schweren Fällen insgesamt auch in Oberhausen zu vielen behandlungspflichtigen Patienten gekommen ist – und eben leider auch zu den Todesfällen.“ Hornei warnt trotz sinkender Fallzahlen in den Sommermonaten vor einem zu sorglosen Umgang mit dem Virus. „Der nächste Herbst kommt bestimmt, außerdem wir wissen nicht, welche Varianten sich bis dahin ausgebreitet haben.“