Gelsenkirchen-Scholven. Wie sich das Gelsenkirchener Gipsplattenwerk auf das Ende der Belieferung mit Material von Uniper einstellt. Projekt soll nachhaltig sein.

Alles bleibt anders am Industriestandort im hohen Gelsenkirchener Norden: Wenn Unipers Kohlekraftwerk spätestens Ende 2022 vom Netz geht und durch eine Gas- und Dampfanlage ersetzt wird, endet nicht nur für dieses Unternehmen eine Ära. Auch der benachbarte Kooperationspartner Rigips muss sich neu aufstellen, weil dann die Belieferung mit Uniper-Gips aus der Rauchgas-Entschwefelung (REA) wegfällt. Der Standort an der Feldhauser Straße aber mit seinen rund 150 Mitarbeitern, er ist gesichert – mit einer Großinvestition im zweistelligen Millionenbereich.

Schon vor rund vier Jahren hat die Saint Gobain Rigips GmbH damit begonnen, die Weichen für die Zeit nach der Kohleverstromung zu stellen und eine moderne Recyclinganlage für Gipsmaterialien in Betrieb genommen, damals die erste dieser Art in NRW. Das nun bis Ende 2022 geplante „Upgrade“ des Standorts baut darauf auf, „so dass wir dort künftig nicht nur REA- und Recycling-, sondern auch Naturgips verarbeiten können“, so Saint-Gobain-Sprecher Michel Wenger auf Anfrage der Redaktion.

Unternehmen will Standort Gelsenkirchen zukunftssicher machen

2017 eröffnete die Saint Gobain Rigips GmbH in Gelsenkirchen-Scholven eine moderne Recyclinganlage für Gipsmaterialien. Künftig soll wiederverweteter Gips ebenso wie Naturgips häufiger zum Einsatz kommen.
2017 eröffnete die Saint Gobain Rigips GmbH in Gelsenkirchen-Scholven eine moderne Recyclinganlage für Gipsmaterialien. Künftig soll wiederverweteter Gips ebenso wie Naturgips häufiger zum Einsatz kommen. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

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Der Bauantrag für das Projekt ist eingereicht, sobald dieser vorliegt, soll mit den Arbeiten auf dem Firmengelände begonnen werden. Ein zusätzlicher Flächenbedarf bestehe nicht. Weitere Details zum Ablauf und zu einzelnen Bauabschnitten wollte das Unternehmen mit Blick auf Mitbewerber nicht nennen. Fakt ist aber: „Es geht insbesondere darum, den Rigips-Standort Scholven zukunftsfähig zu machen und somit die vorhandenen Arbeitsplätze langfristig zu sichern“, betont Wenger.

Ein Abbau von Arbeitsplätzen sei mit der Investition ausdrücklich nicht verbunden. „Es werden sogar ein paar mehr“, sagt er.

Mehr Flexibilität ist das Zauberwort bei der Umrüstung der bisherigen Anlagen in Scholven – und mehr Autonomie von REA-Gips. Denn auch unabhängig von Uniper wird die Verfügbarkeit deutlich sinken; spätestens 2038, mit dem vom Bundestag beschlossenen Auslaufen der Kohleverstromung, werden die (deutschen) Quellen versiegen. So ist für Rigips laut Sprecher schon jetzt klar, „dass wir später nur noch mit Recycling- und Naturgips arbeiten werden.“

Umrüstung ermöglicht Unternehmen mehr Flexibilität

„Die vorgesehene Umrüstung ermöglicht es uns künftig, REA-, Recycling- und Naturgips in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen einzusetzen, um unsere Produkte in gewohnter Qualität herstellen zu können“, so Wenger.

Produkte für den Innenausbau

Die Saint Gobain Rigips GmbH mit Sitz an der Feldhauser Straße in Gelsenkirchen-Scholven fertigt Gipsplatten, Gipsfaserplatten, Zubehöre, Spachtel und Putze für die Anwendung in Gebäuden sowie für diverse Spezialanwendungen an.Derzeit arbeiten am Standort Scholven 150 Beschäftigte für Rigips, deutschlandweit sind es 600. Für Saint Gobain sind in Deutschland rund 10.000 Mitarbeiter tätig; zu dem Unternehmen gehören neben Rigips auch Isover Dämmstoffe, Sekurit Autoglas, Saint-Gobain Glass sowie weitere Marken.

In den Anfangsjahren nach der Inbetriebnahme 1990 hatte das Gipsplattenwerk den Rohstoff für seine Produkte noch zu 100 Prozent aus den Nebenprodukten der Rauchgas-Entschwefelung (REA) bezogen; in den vergangenen Jahren kam aber auch recyceltes Material zur weiteren Verarbeitung hinzu.

Künftig kann auch Naturgips als Rohstoff verarbeitet werden

In der 2017 eröffneten, mehrere Millionen Euro teuren Wiederverwertungsanlage werden gereinigte, gebrauchte Reste von Gipskartonplatten verarbeitet, die zuvor von Wertstoff-Sammelbetrieben aufbereitet und angeliefert wurden. Das Material stammt aus dem gesamten Ruhrgebiet, dem Rheinland und dem Norden von Rheinland-Pfalz.

Die Vorteile für die Umwelt liegen für das Unternehmen klar auf der Hand: Je mehr Gipsreste etwa aus Neu- oder Rückbauten wiederverwertet werden, desto weniger landet von diesem Wertstoff auf Deponien, was die die Lagerkapazitäten entlaste und eben deutlich nachhaltiger sei.

Naturgips bezieht die Saint-Gobain-Tochter aus eigenen Gipsvorkommen in unterschiedlichen Regionen Deutschlands. Es wird wie Recyclinggips fertig aufbereitet in Scholven angeliefert und direkt verarbeitet. Dessen Anteil wird in Zukunft sicher zunehmen.