Gelsenkirchen. Leuchtende Landmarke und traditionsreicher Identitätsstifter: Der am höchsten gelegene Tannenbaum in Gelsenkirchen steht auf dem Nordsternturm.

Ganz oben auf dem Nordsternturm thronen in der Weihnachtszeit stets zwei Giganten: Denn direkt neben der Herkules-Statue erhebt sich in diesen festlichen Tagen jene leuchtende Landmarke gen Himmel, die von weiten Teilen des Stadtgebiets aus zu bewundern ist: Gelsenkirchens am höchsten gelegener Tannenbaum. Doch diese strahlende Schönheit stammt nicht etwa frisch geschlagen aus den tiefen, verschneiten Wäldern des Sauerlands. Nein, es ist eine Stahlkonstruktion. Und die wird in jedem Jahr in schwindelerregender Höhe von einem Team aufgerichtet, zu dem auch der gelernte Energieelektroniker Marco Olejniczak gehört.

Exakt 210 LED-Leuchten in die Stahlkonstruktion eingeschraubt

„Den haben wir aufgebaut“: Der Gelsenkirchener Marco Olejniczak (52) kümmert sich seit drei Jahren mit einem Team um den Auf- und Abbau des stählernen Tannenbaums an der Spitze des Nordsternturms.
„Den haben wir aufgebaut“: Der Gelsenkirchener Marco Olejniczak (52) kümmert sich seit drei Jahren mit einem Team um den Auf- und Abbau des stählernen Tannenbaums an der Spitze des Nordsternturms. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

„Der Baum hat über 200 Leuchten. Und die müssen wir beim Aufbau alle einzeln hereindrehen“, erzählt Olejniczak (52), der in Schaffrath lebt und seit fünf Jahren für Mobile Energy arbeitet. Dieses in Erle beheimatete Unternehmen erhält seit langem den Auftrag für die Errichtung des Riesenbaums. „Der Aufbau dauert immer rund zwei Tage. Und wir brauchen dafür vier Leute hier oben“, erzählt der Techniker.

Was selbst viele Nordstern-Kenner nicht wissen: Die Konstruktion lagert das gesamte Jahr über draußen auf dem Dach. In zerlegtem Zustand liegt sie dort wind- und blickgeschützt und bleibt so für alle neugierig nach oben Schauenden außerhalb der Advents- und Weihnachtszeit unsichtbar.

Der stählerne Tannenbaum bringt rund eine Tonne auf die Waage

Der Nordsternturm in Gelsenkirchen-Horst wurde 1951/52 erbaut und zählt zu den bekanntesten Landmarken Gelsenkirchens.
Der Nordsternturm in Gelsenkirchen-Horst wurde 1951/52 erbaut und zählt zu den bekanntesten Landmarken Gelsenkirchens. © Unbekannt | Lutz von Staegmann

Die zugige Stelle in luftigsten Höhen erreicht das Aufbauteam ausschließlich über eine schmale Dachluke, die in der obersten Etage des Treppenhauses im Nordsternturm zu finden ist. „Da kommt man nur per Leiter ran“, sagt Olejniczak und zeigt auf den Zugang. „Wer hier oben arbeitet, muss schwindelfrei sein. Und wir sind aus Sicherheitsgründen natürlich alle per Gurtsystem gesichert“, erklärt er.

Wir treffen uns an diesem Dezember-Morgen auf der Aussichtsplattform des Turmes in einer Höhe von 83 Metern über Horst. Es ist so eisig-kalt, dass die mannshohen Glasscheiben, durch die man normalerweise eine fantastische Fernsicht auf die halbe Emscherregion hat, komplett zugefroren sind. Erst aus dieser Perspektive lässt sich erkennen, wie groß dieser besondere Weihnachtsbaum wirklich ist: Zwölf Meter misst die Stahlkonstruktion. „Und sie ist etwa eine Tonne schwer“, sagt Gregor Boldt, Sprecher der Vivawest Wohnen GmbH. Die ist mit ihrer Hauptverwaltung in die früheren Zechengebäude gezogen. Und sie setzt mit der Tannenbaum-Aufstellung eine alte Tradition fort, so Boldt.

Erzählungen nach stand der erste Weihnachtsbaum auf der Zeche Nordstern direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945. Unzählige Bombenangriffe hatten zuvor das Gelände und die Zeche in Schutt und Asche gelegt. 450 überlebende Bergbauleute arbeiteten hart am Wiederaufbau der Zeche und der Anlagen über Tage. Im Dezember 1945 konnte dann erstmals wieder Kohle abgebaut werden. Und als Zeichen der Hoffnung und Zuversicht wurde ein echter Tannenbaum aufgestellt – damals aber noch auf Schacht 1.

Für viele ein Identitätsstifter

Der heute noch stehende, denkmalgeschützte Förderturm des Schachtes 2 wurde 1951/52 erbaut und im Rahmen des Kulturhauptstadtprojektes „Ruhr.2010“ renoviert und ausgebaut. Dort untergebracht sind auch ein Museum und besagte Aussichtsplattform. „Und für beide sind wir verantwortlich“ sagt Martin Schauerte. Der 58-Jährige ist Geschäftsführer der Nordsternturm GmbH. Und auch er betont, dass der stählerne Tannenbaum weit mehr als nur ein bloßes Relikt vergangener Tage sei, sondern bis heute ein Identitätsstifter für viele Gelsenkirchener.

2006 bekam er dann zunächst eine neue Spitze, zwei Jahre später wurde die Zahl der Leuchten mehr als verdoppelt. Aktuell hat der Baum auf neun Ebenen stählerne Streben, die die Äste des Baumes darstellen sollen. An diesen sind exakt 210 schlag- und wetterfeste Halogen-Leuchten mit je 40 Watt Leistung befestigt. Und sie leuchten – wie in jedem Jahr – noch bis einschließlich des Drei-König-Tags.