Oberhausen. Kurz vor der Bundestagswahl trommelte die AfD in Oberhausen um Stimmen – doch die Kundgebung zog vor allem Gegendemonstranten an.
Der Sterkrader Marktplatz vor der markanten St.-Clemens-Kirche ist normalerweise ein friedlich-gelassener Ort, an dem nicht nur Sterkraderinnen und Sterkrader an Markttagen gerne ein paar Äpfel, Tomaten oder Kartoffeln kaufen. In der letzten Wahlwoche hat sich die AfD ausgerechnet diesen Platz ausgesucht, um kurz vor dem entscheidenden Wahlsonntag die Werbetrommel für ihre Partei zu rühren. Mit Bundestags- und Landtagsabgeordneten ist der AfD-Landesverband auf „Kandidatentour NRW“ – und die hat in Oberhausen gleich zwei Bündnisse zum üblichen Protestaufruf gegen die ziemlich rechte Partei bewogen: „Es reicht!“ und der „Runde Tisch gegen Rechts“.
Und so stehen am Donnerstagnachmittag auf einem ziemlich leer wirkenden Marktplatz gerade einmal 30 bis 40 AfD-Anhänger recht verstreut vor der kleinen AfD-Bühne, um ihren Mandatsträgern zu lauschen. Gegenüber am Kirchturm machen nach Polizeiangaben über 100 Bürger, überwiegend aus dem linken Spektrum, Lärm, um die AfD-Wahlkampfveranstaltung so weit wie möglich zu stören: Sie spielen laut Musik, lassen ihre Rasseln kreisen, pfeifen und grölen. Man sieht Fahnen von Verdi, der SPD, von „Omas gegen Rechts“, von „Wir in Oberhausen“, die Regenbogen-Fahne leuchtet – und auf Plakaten ist zu lesen: „Rassismus stoppen“ und „Gegen Nazis“.
Bestes Ergebnis vor vier Jahren
Bei der letzten Bundestagswahl 2017 hat die AfD in Oberhausen ihr bisher bestes Wahlergebnis im Stadtgebiet geholt: Sie erzielte 13,1 Prozent der Stimmen aller Wähler. Absolut machten 14.226 Oberhausenerinnen und Oberhausener ihr Kreuz bei dieser rechten Partei. Noch besser als in Oberhausen schnitt die AfD 2017 beispielsweise in Gelsenkirchen (17 Prozent) und Gladbeck (14,7 Prozent) ab.Der Zunahme an AfD-Stimmen war 2017 in Oberhausen höher als im Land oder im Bund: Der Gewinn im Vergleich zur Bundestagswahl 2013 betrug fast neun Prozent. Im Land betrug der Anstieg damals 5,5 Prozent, im Bund 7,9 Prozent.
Unterbrochen wird das muntere Getöse von kurzen Reden wie von dem Superintendenten Joachim Deterding: „Wir alle, die unsere Werte vertreten, Christen wie Nichtchristen, müssen zusammenstehen – die AfD gehört nicht dazu. Die AfD schürt den Hass, der dazu führt, dass Menschen wie in Idar-Oberstein getötet werden.“
Die Polizei trennt die beiden Gruppen sehr sorgsam, sie steht recht dicht bei den AfD-Gegendemonstranten. Deshalb bedankt sich gleich der erste Redner auf der AfD-Seite, Landtagsabgeordneter Roger Beckamp bei den Ordnungshütern. „Ohne den Schutz der Polizei würden wir hier bespuckt und beschimpft werden und könnten unsere Veranstaltung nicht abhalten.“ Es gebe nach Umfragen viele Menschen, die sich nicht mehr trauten, ihre Meinung offen zu sagen. „Das liegt auch an diesen Feinden der Demokratie dort drüben, darunter ist auch einer, mit dem ich im Landtag sitze: Stefan Zimkeit.“
Der Oberhausener SPD-Politiker ging später darauf nicht ein, ließ sich auf diese Provokation nicht herunterziehen. Er sagt nur: „Wir Sozialdemokraten kämpfen seit über 150 Jahren für die Demokratie. Unsere Vorgänger sind von den Vorgängern dieser Partei dort verfolgt und ermordet worden. Deshalb sind wir heute hier.“
AfD kachelt gegen ihren politischen Lieblingsfeind, gegen die Grünen
Auf der AfD-Seite einmal in Schwung kachelte AfD-Mann Beckamp weiter – vor allem gegen die Grünen, gegen Zuwanderung. „Deutschland hat ganz andere Probleme zu lösen, als diese Luxusprobleme von Grünen-Wählern, die überlegen, ob es dieses oder jenes Lastenrad sein soll. Die Grünen wollen unbegrenzte Migration. Und ich befürchte, dass die ihre Migrationssucht bald auch im Bundestag ausleben werden. Dem wollen wir einen blauen Riegel vorschieben.“
Als Schlussredner der am Ende nur einstündigen AfD-Wahlkampfkundgebung, die ursprünglich für zwei Stunden geplant war, setzte die Partei auf Olaf Wilhelm, den Direktkandidaten der AfD für den Wahlkreis 117 Oberhausen/Dinslaken. Der machte im Stil des Startredners weiter – allerdings lauter und brüllender. „Das links-grüne Ideologische muss weg“, fordert der Gesamtschullehrer. „Meinungsfreiheit außerhalb des Mainstreams muss auch möglich sein.“
Und ohnehin hätten die Grünen recht teure Ideen für die Bevölkerung. „Die Grünen wollen nur noch biologisch erzeugtes Fleisch. Doch wer kann denn so einen Rindfleischpreis von 80 Euro je Kilo bezahlen? Schweinefleisch würde 60 Euro kosten! Auch Sozialschwache dürfen nicht vom Fleischkonsum ausgeschlossen werden. Wo kommen wir denn da hin!“
Angesichts solcher Töne vom Platz mit den blauen AfD-Werbeplakaten tröstet sich SPD-Ratsherr Bülent Sahin damit, dass sich nur überraschend wenige Menschen zur AfD-Wahlkampfveranstaltung eingefunden haben. „Das zeigt, dass in Oberhausen Rassismus keine Chance hat. Hier auf dem Platz verlieren sich die Leute ja.“ Allerdings weiß jeder angesichts des Ergebnisses bei der letzten Bundestagswahl in Oberhausen mit über 13 Prozent: Ein Hinweis, wie viele Stimmen die AfD in den Wahlkabinen am Ende tatsächlich bekommen wird, ist das nicht.