Oberhausen. Die Oberhausener Grünen bekräftigen ihre Kritik an der nächtlichen Abschiebung eines alleinerziehenden Vaters und seiner vier Kinder.

In der Debatte um die Abschiebung eines alleinerziehenden Vaters und seiner vier Kinder mitten in der Nacht, verschärfen die Oberhausener Grünen noch einmal den Ton. Nachdem Parteisprecherin Louisa Baumann bereits in der Ratssitzung am vergangenen Montag Zweifel an der Rechtmäßigkeit der nächtlichen Aktion geäußert hat, legt nun Vorstandssprecher Andreas Blanke nach – und fordert personelle Konsequenzen in der zuständigen Oberhausener Ausländerbehörde.

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In der Nacht zum 29. November wurde ein afghanischer Vater mit seinen vier Kindern, das jüngste gerade einmal fünf Jahre alt, von Einsatzkräften der Polizei und des Ordnungsdienstes aus der Flüchtlingsunterkunft an der Bahnstraße geholt und über Stuttgart nach Kroatien abgeschoben. Dort hatte die Familie erstmals EU-Boden betreten, ein Asylantrag muss daher dort gestellt werden.

Oberhausens Ordnungsdezernent Michael Jehn räumte am Montag in der Sitzung des Rates bereits Fehler der Stadt ein: Nächtliche Abschiebungen von Familien mit Kindern sollte es in Oberhausen längst nicht mehr geben – und soll es auch in Zukunft nicht mehr geben, versprach Jehn. Nach Recht und Gesetz sei die Abschiebung dennoch durchgeführt worden.

Grüne fordern Rückführung der abgeschobenen Familie

Doch die Grünen zweifeln an dieser Rechtmäßigkeit und argumentieren mit der Rückführungsfrist ins Erstaufnahmeland Kroatien. Diese Frist ist geregelt im sogenannten Dublin-Verfahren, das vorschreibt, welches Land für die Bearbeitung des Asylantrags eines Geflüchteten zuständig ist. Wegen der Corona-Pandemie hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge allerdings am 18. März 2020 beschlossen, keine Dublin-Überstellungen mehr durchzuführen. Die Fristen wurden ausgesetzt.

Ein Regulierungsmechanismus wegen einer pandemischen oder vergleichbaren Lage sei in der Dublin-Verordnung aber überhaupt nicht vorgesehen, argumentiert Andreas Blanke. Somit sei die Regelung nicht eindeutig. Und: „Nach uns vorliegenden Informationen gab es seit Mitte 2020 von der Oberhausener Ausländerbehörde keine Mitteilung über die Wiederaufnahme der Rücküberstellung.“ Der jetzt betroffenen Familie sei diese Lücke im Gesetz nicht zum Nachteil auszulegen.

Für Rechtssicherheit wird nach Ansicht der Grünen der Europäische Gerichtshof sorgen müssen. Nach Auskunft von Blanke sieht das auch der Anwalt der Familie so, der zwischenzeitlich Klage beim Verwaltungsgericht in Düsseldorf eingereicht hat.

Kritik an der Dublin-Verordnung

Die Dublin-Verordnung steht spätestens seit der großen Flüchtlingswelle 2015/2016 in der Kritik. Asylrechts-Experten vermissen etwa eine europäische Solidarität: So saßen damals Zehntausende Flüchtlinge in Griechenland und Italien fest, weil die Verteilung auf die anderen europäischen Länder im Chaos endete.Auch die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Dublin-Verordnung 2015 als „obsolet“ bezeichnet. Hilfsorganisationen wie Pro Asyl fordern seit Jahren die Abschaffung. Auf eine Reform der Verordnung konnte sich die Europäische Union bislang nicht einigen.

Unabhängig von der rechtlichen Frage erneuern die Grünen den Vorwurf der in ihren Augen inhumanen Abschiebepraxis. Die Ausländerbehörde habe sich nicht an einen Runderlass des Innenministeriums aus dem Jahr 2016 gehalten, nach dem Abschiebungen nach Regeln der Menschlichkeit durchzuführen sind, sagt Blanke. Und dies sei hier nicht geschehen: Es waren minderjährige Kinder im Spiel, die ohnehin durch die Flucht und den Tod der Mutter traumatisiert sind. Die Mutter war während der Flucht in Kroatien verstorben.

Blanke erwartet „eine lückenlose Aufklärung dieses Verwaltungsversagens und gegebenenfalls auch personelle Konsequenzen, damit sich solch ein unwürdiger Vorgang zumindest in Oberhausen nicht wiederholt“. Die Familie solle unverzüglich nach Oberhausen zurückkehren.