Oberhausen. Die Bundesregierung hat entschieden, die meisten Klima-Förderungen für Häuslebauer einzustellen. Das schockt nicht nur die Fachleute.
Der überraschende Stopp wichtiger Förderprogramme für energieeffiziente Mehr- und Einfamilienhäuser durch die Bundesregierung schockt die Oberhausener Baubranche. Obwohl Oberhausen dringend neugebaute Wohnungen benötigt, sind nun mehrere Dutzend Bauobjekte in Gefahr, die seit Monaten, einige seit Jahren geplant werden.
„Oberhausen ist als Wohnstandort besonders stark von dem Ausfall der staatlichen Förderung getroffen, denn ohne Förderung rechnen sich viele Objekte nicht mehr“, gibt der Oberhausener Architekt und CDU-Vorsitzende Wilhelm Hausmann im Gespräch mit der Redaktion an. „Im Gegensatz zu ländlichen Kommunen wie Schermbeck ist in der Großstadt Oberhausen das Grundstück recht teuer, zugleich sind potenzielle Käufer und Mieter nicht so reich wie in Düsseldorf, die sich hohe Baukosten und teure Grundstücke leisten können.“
Förderung für Klima-Wohnhäuser plötzlich über Nacht eingestellt
Der neue Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat die Steuer- und Zuschussförderung für energieeffiziente neue Wohngebäude am Montag quasi über Nacht eingestellt – und damit die Notbremse gezogen. Denn die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW-Bank) ist seit November 2021 mit Anträgen auf Zuschüsse für das Effizienzhaus 55 überrollt worden – in Summe sollen 16 Milliarden Euro beantragt worden sein, nur fünf Milliarden Euro stehen aber dort zur Verfügung.
Denn noch die alte Bundesregierung, konkret der damalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), hatte aus dem Hut eine sehr kurzfristige Ablauffrist für das Effizienzhaus 55 gezaubert – und Ende Januar 2022 genannt. Daraufhin setzte in ganz Deutschland ein Antragsrennen um die Gelder ein. Habeck strich jetzt allerdings mit sofortiger Wirkung die meisten Programme der „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ (BEG), darunter neben der Effizienzhaus-55-Förderung auch Zuschüsse für umfassende energetische Sanierungen sowie die gesamte Förderung für das strenge Effizienzhaus 40. Das Klimaschutz-Ministerium gibt als Begründung dafür an, dass diese Energieeffizienz-Standards sich ohnehin am Markt durchgesetzt hätten und eine staatliche Förderung dafür fehlinvestiert sei.
Allerdings stehen damit Bauherren, die den staatlichen Geldzuschuss für ihr Mehrfamilienhaus oder Einfamilienhaus fest eingeplant hatten, auf dem Schlauch – und das in Zeiten ohnehin steil steigender Baukosten. Planer, Investoren und Energieberater haben bei den meisten Bauprojekten lange gefeilt, Details abgeklärt, die Finanzierung vereinbart – und stehen nun vor den Trümmern ihrer Arbeit.
„Ich hatte heute schon viele, viele Anrufe von verzweifelten Bauherren, die alle wissen wollten, wie es jetzt weitergeht.“ Insgesamt seien in Oberhausen 50 bis 60 Bauprojekte betroffen – und zudem eine unbekannte Zahl von Einfamilienhäusern. „Das kann doch nicht sein: Schon die Altmeier-Entscheidung war viel zu kurzfristig und jetzt wird jegliche Förderung für Wohnhäuser gestoppt. Man muss sich doch auf den Staat verlassen können“, schimpft nicht nur Bauexperte Hausmann.
Baubranche: Vollbremsung beim Klimaschutz
Der Präsident des Verbandes der Wohnungswirtschaft (GdW) hat bereits reagiert – und warnt die Bundesregierung: „Der plötzliche Stopp der Förderung bedeutet eine Vollbremsung beim Klimaschutz im Gebäudebereich.“Der Verbandspräsident befürchtet nun, dass Immobilieninvestoren ihr Bauvorhaben nicht mehr verwirklichen, weil es sich nicht mehr lohnt. Schon jetzt gibt es in Deutschland einen Bauüberhang von rund 800. 000 Wohnungen, die zwar schon genehmigt, aber noch nicht gebaut sind.
Bei der Förderung der KfW-Bank geht es tatsächlich um viel Geld: Bei einem typischen Mehrfamilienhaus zu einem kalkulierten Erstellungspreis von 2,5 Millionen Euro bringt der staatliche Zuschuss 200.000 Euro ein. „Wir sind bei diesen Neubauprojekten jetzt schon bei einer Kaltmiete von über 10 Euro; bei Eigentumswohnungen ist bereits die Grenze von 3000 Euro pro Quadratmeter Kaufpreis gesprengt“, beobachtet Hausmann. „Jetzt bleibt uns nur übrig, die Energieeffizienz der Wohnungen abzuspecken, um anschließend Mieter finden zu können, oder diese nicht mehr als Mietwohnungen auf dem Markt zu platzieren, sondern als Eigentumswohnungen. Da findet man trotz der hohen Preise noch Käufer für.“
Haus mit Dreifachverglasung und 18 Zentimeter Dämmung
Ein Effizienzhaus 55 verbraucht nur 55 Prozent der Primärenergie eines nach dem gültigen Gebäudeenergiegesetzes festgelegten Standard-Neubaus. Architekt Hausmann lässt dafür in seinen Häusern Dreifach-Verglasung, eine Holzpelletheizung, eine 18 Zentimeter Dämmung und eine Lüftungsanlage einbauen, um den Energiewert 55 Prozent zu erreichen. „Um den Ausfall der Förderung auszugleichen, könnten wir natürlich auch an den Baukosten schrauben und weniger dämmen. Aber das ist doch eigentlich nicht von der Bundesregierung beabsichtigt.“ Zweifachverglasung statt Dreifachverglasung, zwölf Zentimeter statt 18 Zentimeter-Dämmung, Gas- statt Holzpelletheizung – das hilft bereits, kräftig zu sparen. „Alle, die energiesparend und klimabewusst bauen wollten, sind jetzt die Dummen“, urteilt Hausmann.