Oberhausen. Ein Paar verliert nach einem Wohnungsbrand in Oberhausen sein geliebtes Zuhause. In größter Not zeigt sich, worauf es im Leben wirklich ankommt.
60 Sekunden. Mehr Zeit brauchte es nicht, um einem Ehepaar aus Oberhausen das Zuhause zu nehmen. Im Wohnzimmer des Paares war am Samstagnachmittag ein Feuer ausgebrochen – vermutlich durch eine Kerze. Nur wenige Augenblicke später hatten die Flammen bereits so stark um sich gegriffen, dass jeder Löschversuch vergeblich war. Beißender, schwarzer Rauch breitete sich rasend schnell im Haus aus. Dem Paar blieb nur Zeit, sich und ihre drei Hunde in Sicherheit zu bringen und auf die Feuerwehr zu warten.
Fassungslos stehen die beiden wenige Tage später wieder in ihrem Wohnzimmer. Die Wände schwarz, der Putz gerissen, die ursprünglich hellen Möbel völlig verdreckt. Verbrannt ist vergleichsweise wenig, doch ein abstoßender, lebensfeindlicher Geruch liegt in der Luft, hat sich quasi ins Mobiliar gefressen und macht das Haus bis auf weiteres nicht bewohnbar.
Bunte Mosaike selbst gelegt
Der Anblick erschüttert. Das Foto der Großmutter – das einzige, das ihrer Enkelin geblieben ist – ist völlig verrußt. Die Decken, auf denen die Hunde nach ausgiebigen Spaziergängen so gerne gelegen haben, sind versengt. Niemand weiß, ob die alte Holztreppe ins Obergeschoss, die das Paar einst in Handarbeit von drei Schichten Lack befreit hat, erhalten bleiben kann. Und ob die bunten Mosaike an Wänden und Böden herausgebrochen werden müssen, die die Osterfelderin selbst gelegt hat – mit Steinen aus dem Italienurlaub.
Immer wieder versagt der 55-Jährigen die Stimme, wenn sie von der Arbeit an ihrem Zuhause erzählt. Seit 2003 lebt sie hier, ihr Mann ist 2005 eingezogen. Seitdem haben sie immer mal wieder an dem Häuschen gewerkelt. 2013 haben sie es gekauft. Mit der Renovierung waren sie in diesem Jahr nun endlich fertig, die Böden sind neu gelegt, erst vor vier Wochen wurden die neuen Fenster eingesetzt. „Wir haben uns so auf das erste schöne Weihnachtsfest gefreut“, sagt die Frau, Tränen steigen ihr in die Augen.
Nachbarschaft hilft sofort
Das Paar ist unendlich traurig, verzweifelt, weiß nicht wohin mit den Gefühlen. Und dennoch schwingt im Gespräch mit den beiden immer auch Demut mit. „Es gibt so viele Menschen, die es schwerer haben als wir“, sagt die 55-jährige Osterfelderin. „Wir erfahren so viel Hilfe.“ Angefangen am Nachmittag des Brandes: Nachbarn eilten herbei, brachten Getränke und wärmende Decken. „Plötzlich stand da jemand mit einem Stuhl für mich, mir waren die Knie weggeknickt.“
Und die Hilfe hält an: Bei Freunden drei Häuser weiter ist das Paar vorübergehend untergekommen. Familien kochen seit dem Brand immer zwei Portionen mehr als üblich und bringen das Essen vorbei. Eine Nachbarin, an den Rollstuhl gefesselt, kommt täglich vorbei, um Säcke mit Kleidung abzuholen und zu Hause zu waschen. Immer und immer wieder, um den Rauchgeruch loszuwerden. Andere kümmern sich um Gläser und Geschirr, versuchen alles, um die festsitzende Rußschicht zu entfernen. Ein Nachbar wartet nur auf einen Fingerzeig, dann will er mit seinen Handwerker-Freunden auf der Matte stehen. „Die Leiterin unserer Tierpension hat ihren Urlaub storniert, um unsere Hunde aufzunehmen“, erzählt die Hausbesitzerin, schüttelt den Kopf und sagt ganz leise zu sich: „Es ist alles unglaublich.“
Katastrophen-Touristen nach Flutkatastrophe im Ahrtal
Die große Hilfsbereitschaft ist auch der Grund, warum das Paar seine Geschichte erzählt. „Wir möchten Danke sagen und zeigen, wie wichtig Zusammenhalt ist.“ Die beiden sind froh, in ihrer Multikulti-Nachbarschaft so viel Unterstützung zu erfahren. Es zeige, wie unwichtig Nebensächlichkeiten wie Herkunft oder Hautfarbe seien, sagen beide.
Wie es für die Familie weiter geht
Der Brand in dem Wohnhaus in Osterfeld ist erst wenige Tage her: Das Feuer brach am vergangenen Samstagnachmittag (27. November) aus. Das Paar war gerade von einem Spaziergang mit ihren Hunden am Rhein nach Hause gekommen und wollte einen ruhigen Abend verbringen.Der Schaden ist noch nicht beziffert. Wie es mit dem Paar und dem Haus nun weitergeht, hängt von den Gutachten der Versicherung ab. Wenn alles gut geht, können die beiden zügig eine vorübergehende Wohnung beziehen.
Nur ihre Namen möchten sie nicht in der Öffentlichkeit lesen. „Ich möchte hier keine Katastrophen-Touristen sehen“, begründet die 55-jährige Bewohnerin ihren Wunsch nach Anonymität. „Das haben wir im Ahrtal schon zur Genüge.“ Nach der verheerenden Flut im Juli war das Oberhausener Paar dort im Hilfseinsatz. Sie haben Spenden gesammelt – Elektrogeräte, Lebensmittel, Kleidung – und sie drei Mal pro Woche ins Katastrophengebiet gebracht. Geplant hatten sie einen weiteren Transport. Unter anderem wollten sie den Kindern im Flutgebiet Adventskalender schenken. „Es bricht mir das Herz, dass das jetzt nicht klappt.“