Oberhausen. Ende 2020 starteten die ersten Corona-Impfungen im Oberhausener Altenheim Haus Abendfrieden. Nun beunruhigt ein Corona-Ausbruch.

Erst passierte es in Altenheimen in Rödinghausen nahe Bielefeld, in Warendorf nahe Münster und in Hagen, jetzt kämpft auch das Oberhausener Seniorenheim "Haus Abendfrieden" im Schladviertel gegen einen massiven Corona-Ausbruch -- nach einer umfangreichen Impfaktion.

Das städtische Gesundheitsamt verhängte ein striktes Besuchsverbot für das Heim an der Dieckerstraße, das immerhin 162 Bewohner und 200 Mitarbeiter aufweist. Das Seniorenzentrum war das erste Altenheim, das in den Genuss der neuen Corona-Impfung gekommen ist: Am Sonntag, 27. Dezember 2020, wurden dort die ersten 180 Impfdosen in die Körper der Seniorinnen und Senioren gespritzt, die zu den stark gefährdeten Altersgruppen der neuen Seuche zählen. Die meisten der über 180 Oberhausener, die mit einer Corona-Infektion verstorben sind, sind älter als 80 Jahre. 

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Die massive Welle an Corona-Infektionen fiel den Heimverantwortlichen in Oberhausen durch die regelmäßige, alle drei Tage erfolgende Schnelltestung aller Bewohner auf. 53 Senioren sind nun nach einem PCR-Test nachweislich mit Corona infiziert; die Zahl könnte sich noch erhöhen, weil noch etliche Testergebnisse ausstehen. Vorsorglich sitzen alle Bewohner von drei der fünf Wohnbereiche des "Hauses Abendfrieden" in Dauer-Quarantäne in ihren Zimmern; sie werden dort mit Essen versorgt. Alle gemeinsamen Aktionen inklusive Mittag- und Abendessen in Gruppen sind nach Darstellung der Heimleitung abgesagt, um die Ausbreitung in den Griff zu bekommen. In die Zimmer der Bewohner dürfen die Pflegekräfte auch nur, wenn sie Maske, Schutzmantel, Gesichtsschirm und Handschuhe tragen. Immerhin zwei abgetrennte Wohnbereiche des Heims sind corona-frei.

Besuchs- und Verlassungsverbot von Gesundheitsbehörde und Heimaufsicht

Das Heim dürfen Besucher von außen weder betreten noch dürfen Heimbewohner nach draußen geholt werden. „Aus infektionsschutzrechtlicher Sicht und zur Eindämmung der vorliegenden diffusen Infektionslage ist eine temporäre Einschränkung der Bewegungen von außen nach innen und umgekehrt erforderlich“, schreibt die Heimaufsicht.

Wie konnte dieser Corona-Ausbruch überhaupt geschehen? Kann die Impfung selbst eine Corona-Erkrankungswelle auslösen? Josef Bergmann, Leiter des Schladviertel-Altenheimes, ist nach eigenem Bekunden diesen Fragen nachgegangen. "Wir hatten zehn Monate keinen einzigen Corona-Infektionsfall und dann Mitte Dezember einen ersten Ausbruch. Wir wollten natürlich genau wissen, was die Ursache für den Ausbruch ist, haben recherchiert und nachgefragt -- natürlich auch bei Fachleuten." Die Impfung selbst könne jedenfalls nach Auskunft mehrerer Mediziner auf keinen Fall Infektionen auslösen. "Das hat miteinander absolut nichts zu tun, sagen uns die Ärzte. Aber man ist nach der ersten Impfung eben nicht sofort geschützt, sondern das braucht einige Tage."

Ärzte: Impfungen lösen keine Corona-Erkrankungen aus

Tatsächlich versichern die Oberhausener Mediziner der Stadt, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Impfung und Corona-Infektionen geben kann. Zudem habe es bereits vor der Impfaktion Ende Dezember Corona-Fälle in diesem Altenheim gegeben, der Ausbruch habe also damals schon begonnen.

Auch Dr. Hermann Lorenz, Arzt und Koordinator der mobilen Impfteams im Kreis Herford, hatte gegenüber dem WDR versichert, dass durch die Impfungen keine Erkrankungen ausgelöst werden. "Da keine Viren geimpft werden, kann man durch diese Impfung auch nicht krank werden. Das kann man definitiv ausschließen." WDR-Wissenschaftsjournalistin Ruth Schulz weist daraufhin: "Nach der Impfung dauert es noch etwa zehn Tage, bis der Impfstoff richtig wirkt und das Immunsystem Antikörper gebildet hat."

Altenheimleiter Bergmann erklärt sich den Ausbruch mit den Familientreffen an den Weihnachts- und Silvesterfeiertagen -- und dem regen Besuchsverkehr in seinem Heim, den das NRW-Gesundheitsministerium allen NRW-Pflegeheimen erlaubt hat: Nach der Corona-Schutzverordnung des Landes dürfen Altenheimbewohner sogar sechs Stunden nach Hause in den Familienkreis genommen werden; täglich dürfen jeweils zwei Personen morgens und abends den Senior im Heim besuchen. "Wir haben über 300 Besucher pro Tag im Haus, da werden die Corona-Viren einfach eingeschleppt."

Schnelltests schlagen nicht direkt nach einer Corona-Infektion an

Und dies geschieht offenbar trotz der verpflichtenden Schnelltests für alle Besucher und Heim-Rückkehrer: Sie schlagen erst einige Zeit nach einer Infektion an. "Wenn wir die Infektion bemerken, ist es schon zu spät." Und zu Weihnachten hätten einige Familien ihre Oma oder ihren Opa nach Hause geholt - im Kreis von bis zu acht Personen. "Dass man sich dann auch mal umarmt, dass die Enkel mal die Oma berühren wollen, ist doch menschlich nur allzu verständlich. Ich kann das nicht verurteilen." Nach zehn Monaten Pandemie würden viele Menschen einfach nachlässig werden - und hielten nicht mehr alle Hygiene-Regeln jederzeit ein.

Kein Wunder sind da die Folgen: Noch immer haben derzeit nach Informationen aus dem städtischen Krisenstab 16 von 26 Oberhausener Alteneinrichtungen Corona-Fälle im Haus. Die Bitten der Stadtoberen und der Altenheimbetreiber an die NRW-Landesregierung im Dezember, den so stark ausgeweiteten Besuchsverkehr in Altenheimen einzuschränken, blieben ungehört.

Impfung scheint Schutzwirkung zu entfalten

Dennoch ist Bergmann großer Hoffnung, den Corona-Ausbruch in seinem Heim glimpflich überstehen zu können -- dank der Impfung. "Wir haben zum Glück bei fast allen bisher einen sehr leichten Verlauf der Infektion. Eine Frau spürt davon gar nichts, eine andere hat ein leichtes Kratzen im Hals, zwei fühlen sich etwas schlapper als sonst -- das war es schon. Offenbar zeigt schon die erste Impfung eine gewisse Wirkung."

Positiv sei auch die Impfaktion selbst verlaufen. "Bis auf leichte Muskelkater-Schmerzen im Arm hatten wir hier gar keine Nebenwirkungen gespürt." Dementsprechend ist die Impfbereitschaft auch beim Heimpersonal hoch. "Die Heimbewohner waren dankbar und froh, dass sie geimpft werden, bei unseren Mitarbeitern wollen sich 80 Prozent impfen lassen." Die anderen wolle man mit Informationen überzeugen: "Im Vergleich zu den Risiken einer Corona-Infektion mit möglicherweise tödlichen Folgen sind die denkbaren Nebenwirkungen einer Impfung zu vernachlässigen, versichern die Mediziner."