Oberhausen. Oberhausener Kirchenmitarbeitende haben sich hinter die Teilnehmer von „Out in Church“ gestellt. Was sie sich von der Aktion erhoffen.

Mit der bislang beispiellosen Aktion „Out in Church“ haben sich 125 Mitarbeitende der katholischen Kirche in Deutschland als queer geoutet. In der ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ haben Priester, Religionslehrer sowie Gemeinde- und Pastoralreferentinnen, aber auch Mitarbeitende der kirchlichen Verwaltung ihre Homo-, Bi- oder Transsexualität öffentlich gemacht. Sie fordern ein Ende der Diskriminierung innerhalb der Kirche. In Oberhausen stößt die Aktion auf viel Zuspruch.

„Ich war sehr berührt und betroffen“, sagt Thomas Eisenmenger, Pastor und Pfarrer in St. Marien. Er finde die Initiative sehr wichtig. Jedem Menschen solle „mit aller Freiheit und Offenheit begegnet“ werden, anstatt mit Verboten. In der Dokumentation berichten einige davon, dass sie ein Doppelleben führen, in der ständigen Angst aufzufliegen. Denn wer etwa homosexuell und bei der Kirche angestellt ist, dem droht die Kündigung. Das kirchliche Arbeitsrecht erkennt in dieser sexuellen Orientierung einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Loyalitätsprinzip.

Betroffenen mit Wertschätzung begegnen

Müssen Oberhausener Kirchenangestellte, die sich durch „Out in Church“ ermutigt fühlen, sich selbst zu outen, nun also Sorge haben, womöglich ihren Job zu verlieren? Nein, ist sich Eisenmenger sicher. Ihnen würde man in Oberhausen „mit Wertschätzung und einem offenen Ohr begegnen“.

Pfarrer Thomas Eisenmenger findet, jedem Menschen solle „mit aller Freiheit und Offenheit begegnet“ werden.
Pfarrer Thomas Eisenmenger findet, jedem Menschen solle „mit aller Freiheit und Offenheit begegnet“ werden. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Der Pfarrer hebt die Rückendeckung durch das Bistum Essen hervor. Es sei hier bereits Alltag, homosexuelle Paare zu segnen. „Ich halte es für lächerlich zu sagen, gewisse Menschen darf man nicht segnen.“ Die Kirche müsse nach der Offenheit leben, die sie verkündet. „Die Welt ist bunt und die Menschen so, wie Gott sie gewollt hat.“

Pfarrer: „Wir brauchen eine Kehrtwende“

In der Gesellschaft und auch im Bistum Essen herrsche aktuell ein Klima „des Hörens und des Respekts“, findet auch Christoph Wichmann, Pfarrer in St. Pankratius in Osterfeld. „Wir versuchen, in unserem Bistum eine gewisse angstfreie Kommunikation zu fördern.“ Er glaubt, dass es ein guter Zeitpunkt für diese „letztendlich nicht neuen“ Themen sei – zeigt sich aber gleichzeitig betroffen: „Ich bin sehr gerührt von den sehr persönlichen Zeugnissen. Aber auch ein bisschen erschüttert, dass das erst jetzt möglich ist.“

Pfarrer Christoph Wichmann lobt das Bistum Essen: „Wir versuchen, in unserem Bistum eine angstfreie Kommunikation zu fördern.“
Pfarrer Christoph Wichmann lobt das Bistum Essen: „Wir versuchen, in unserem Bistum eine angstfreie Kommunikation zu fördern.“ © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Die Strukturen, die in der Kirche über Jahrhunderte gewachsen seien, brächen zusammen. „Wir brauchen eine Kehrtwende“, sagt Wichmann. Darum sei es wichtig, nun „einige Steine ins Rollen zu bringen und gut darauf zu reagieren“.

Eine längst fällige Diskussion

Die Caritas will das etwa tun, indem sie sich „nachdrücklich für einen neuen Umgang mit Betroffenen“ einsetzt. In den caritaseigenen Leitlinien lasse man für Ausgrenzung bis hin zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen „keinen Millimeter Platz“, heißt es in einer Stellungnahme. „Vielfalt bedeutet, dass bei uns Menschen unabhängig von Geschlecht, Nationalität, ethnischer und sozialer Herkunft, Behinderung, Religion und Weltanschauung, Alter sowie sexueller Orientierung und Identität arbeiten.“

Caritasdirektor Michael Kreuzfelder lobt den Mut der Initiatoren von „Out in Church“: „Mit ihrem Coming-out haben die Betroffenen eine schon längst fällige Diskussion angestoßen“.

Mehr Offenheit für Unterschiedlichkeit

Dass der Wandel möglich ist, davon ist auch Irmtraud Köster-Just überzeugt. Die Mitinitiatorin von Maria 2.0 in Oberhausen hatte sich selbst für eine „Erneuerung der Kirche“ eingesetzt, die unter anderem Frauen Zugang zu allen Diensten und Ämtern ermöglichen solle.

Dass sich für „Out in Church“ so viele Menschen zusammengeschlossen haben, ist für Köster-Just entscheidend, dass die Aktion erfolgreich ist. „Es ist schwierig, wenn eine Person einzeln vortritt.“ Je mehr Kirchenangestellte sich outeten, desto üblicher und alltäglicher würden von der kirchlichen Norm abweichende Lebensrealitäten. Und so entstehe viel mehr Offenheit für Unterschiedlichkeit.

Was queer bedeutet

Mit der Aktion „Out in Church – für eine Kirche ohne Angst“ haben sich 125 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der katholischen Kirche als queer geoutet und ein Ende ihrer Diskriminierung gefordert. Die dazugehörige Fernseh-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ ist in der ARD-Mediathek zu finden.Als queer bezeichnen sich nicht-heterosexuelle Menschen beziehungsweise Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen gesellschaftlichen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren.Mehr Infos zu der Aktion gibt es auf outinchurch.de.