Oberhausen. Heike Zeitel, Regionalgeschäftsführerin der UnternehmerverbandsGruppe, bezieht deutlich Stellung in der Diskussion über so genannte Bagatelldiebstähle am Arbeitsplatz: Die Fachanwältin für Arbeitsrecht lehnt Grenzen für Eigentumsdelikte ab. Denn ein Diebstahl sei nie eine Bagatelle.

Heike Zeitel ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Regionalgeschäftsführerin der UnternehmerverbandsGruppe e.V., einem Zusammenschluss von drei regionalen und drei bundesweiten Unternehmerverbänden. Im Interview mit Volontär Matthias Düngelhoff bezieht sie Stellung zur Diskussion um Bagatellkündigungen und die Einführung möglicher Grenzwerte bei Diebstählen am Arbeitsplatz.

Kündigung nach dem Verzehr einer Frikadelle, Kündigung nach dem Einlösen eines Pfandbons, in Oberhausen gab es Streit um das Aufladen von Handys am Arbeitsplatz – in dem Zusammenhang wird oft von Bagatelldiebstählen gesprochen.

Heike Zeitel: Den Begriff finde ich in dem Zusammenhang unpassend. Ein Diebstahl kann in meinen Augen zunächst einmal keine Bagatelle sein. Es ist der Diebstahl einer geringwertigen Sache. Außerdem gab es Verfahren dieser Art schon immer. Ich kann also nicht einmal sagen, dass es im Moment mehr Fälle dieser Art gibt. Allerdings ist es sicherlich so, dass das öffentliche Aufsehen, das diese Fälle erregen, zugenommen hat.

Aber sind Kündigungen in so einem Fall nicht überzogen?

Zeitel: Zunächst einmal endet ja nicht jeder dieser Fälle tatsächlich auch mit einer Kündigung. Im Arbeitsrecht sind zwei Prüfungspunkte verankert. Die werden bei fristlosen Kündigungen immer überprüft. Zum einen muss ein „wichtiger Grund” vorliegen. Das ist ein Eigentumsdelikt zu Lasten des Arbeitgebers eigentlich immer. Zum anderen wird aber auch die Verhältnismäßigkeit betrachtet und versucht herauszufinden, ob das gegenseitige Vertrauen tatsächlich gestört ist. Dabei kommt es dann unter anderem darauf an, wie lange der Mitarbeiter schon für den Betrieb tärig war und in welcher Stellung. Eine Kassiererin hat sicherlich eine andere Vertrauensstellung als beispielsweise eine Putzhilfe.

Wäre es nicht trotzdem sinnvoll eine Bagatellgrenze zu definieren?

Zeitel: Die Grenze Null ist doch eine klare Grenze. Ich arbeite seit über zehn Jahren in meinem Beruf und nun zu sagen, wir definieren eine Grenze, bis zu der ein Diebstahl mit einer Abmahnung bestraft wird, halte ich für falsch. Schließlich wird es auch dann zu Härtefällen kommen, wenn jemand diese Grenze um wenige Cent überschreitet. Außerdem müssten dann auch alle Fälle gleich behandelt werden. Der Arbeitgeber hat ja eine Fürsorgepflicht und muss dafür sorgen, dass sein Angestellter am Arbeitsplatz nicht von einem Kollegen bestohlen wird. Soll da dann auch die Bagatellgrenze gelten? Ein Diebstahl ist doch nicht plötzlich kein Diebstahl, nur weil eine bestimmte Grenze nicht überschritten wird.

Und wenn ein Angestellter Dinge mitnimmt, die entsorgt werden sollten?

Zeitel: Selbst das ist Eigentum der Firma. In so einem Fall ist es immer wichtig, vorher einen Verantwortlichen zu fragen, ob man die Sachen mitnehmen kann. Auch wenn der Arbeitgeber die Sachen kostenpflichtig entsorgen müsste, darf der Angestellte diese nicht einfach mitnehmen.

Fehlt in der Frage vielleicht das Unrechtsbewusstsein, weil einige Menschen denken, das solche Kleinigkeiten nicht auffallen?

Zeitel: Fehlendes Unrechtsbewusstsein würde ich niemandem unterstellen. Auch Menschen, die denken, dass der Arbeitgeber solche Kleinigkeiten nicht bemerkt, zeigen mit derartigen Überlegungen doch eigentlich, dass sie im Prinzip wissen, dass das, was sie tun, Unrecht ist.

Es scheint sich der Gedanke durchzusetzen, dass wenn Manager mit Millionen abgefunden werden, der Angestellte ruhig auch Firmenbesitz mitnehmen kann.

Zeitel: Ich verstehe, dass viele Menschen so denken. Letztlich werden da aber Äpfel mit Birnen verglichen. Im Zuge der Finanzkrise weiß man, dass einige Verantwortliche falsche Entscheidungen getroffen haben. Letztlich – sollte man unterstellen – ging es ihnen aber um das Wohl der Firma. Das darf man nicht vergessen. Wenn sich jedoch ein Manager auf Kosten der Firma persönlich bereichert, ist auch dies ein Kündigungsgrund. In einem solchen Fall gelten die gleichen Spielregeln.