Gelsenkirchen-Rotthausen. Corona hat die Nachfrage nach Kleingärten sprunghaft ansteigen lassen. Auch in Gelsenkirchen. Aber: Hier gibt es tatsächlich noch freie Parzellen.

Der Run auf Kleingärten, vor allem in den Städten, ist riesig. Corona hat die Nachfrage nochmals verstärkt. Eine eigene grüne Parzelle bedeutete Freiheit in einer Krisenzeit, in der der Alltag zeitweise still zu stehen schien. Verfügbare Gärten sind daher rar, Wartezeiten von bis zu drei Jahren eher die Regel als die Ausnahme. Nicht ganz: In der Gelsenkirchener Kleingartenanlage-Süd gibt es sogar noch dutzende Gärten, die auf einen neuen Pächter warten.

Ein Kleinod mitten in der Stadt - Erholung pur. Für so einen Garten fallen in etwa 350 Euro an laufenden Kosten an. Übernimmt ein neuer Kleingärtner einen freien Garten mit Laube, so wird der Wert des Gebäudes taxiert von einem Fachberater.
Ein Kleinod mitten in der Stadt - Erholung pur. Für so einen Garten fallen in etwa 350 Euro an laufenden Kosten an. Übernimmt ein neuer Kleingärtner einen freien Garten mit Laube, so wird der Wert des Gebäudes taxiert von einem Fachberater. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

„Wir haben hier ein kleines Paradies“, sagt Rainer Tiemann vom Kleingartenverein GE-Süd. Der 65-Jährige lässt zufrieden den Blick über Gelsenkirchens größte Anlage schweifen: 274 Gärten, verteilt auf 125.000 Quadratmetern Gesamtfläche. Blumen und Stauden eifern im Sonnenlicht mit ihrer Blütenpracht um die Wette – Lupinen, Rosen, Dahlien und vieles mehr. Ein buntes Spektakel für die Augen. Ein Fest für die Sinne, es duftet, summt und zwitschert prächtig an der Mechtenbergstraße.

„Aktuell sind 62 Parzellen frei“, sagt Ulrich Kolbe, Vorsitzender des KGV GE-Süd. Die Corona-Pandemie hat das Interesse am eigenen Stück Natur sprunghaft ansteigen lassen. Bis vor kurzem habe die Wartezeit ein paar Tage betragen, nun stünden plötzlich rund 70 Bewerber auf der Matte. Bis all deren Begehren bearbeitet, ein Vorstellungs- und Besichtigungstermin gefunden und alle Formalitäten geregelt sind, kann es jetzt dauern. „Da können für einzelne Gärten schon mal ein paar Monate vergehen, durchaus auch mal zwei Jahre.“ Ansonsten ginge es immer recht fix.

„Es ist übrigens der einzige Kleingartenverein in Gelsenkirchen, der noch über freie Gärten verfügt“, betont Franz Theilenberg, Vorsitzender des Stadtverbandes der Kleingärtner.

Das liegt laut Tiemann und Kolbe daran, dass viele Interessenten den Kleingartenverein mit einem Campingplatz verwechseln. Anrufen, buchen, erholen – ganz so einfach ist ja dann doch nicht. Es muss einiges zusammenpassen, Bewerber, 500 Vereinsmitglieder, Nutzung. Einen reinen Ziergarten sieht das Regelwerk nämlich nicht vor. Vielmehr neben Anbaufläche für Obst und Gemüse auch Arbeit fürs Allgemeinwohl – gemeinschaftlich genutzte Wege, Beete und Grünanlagen müssen beispielsweise in Schuss gehalten werden. Liegt nicht unbedingt jedem. Und auch beim Griff in die Tasche zögert manch einer am Ende.

Der Vorsitzende vom KGV GE-Süd Ulrich Kolbe (v.l.), Fachberater von Verein und Stadtverband Rainer Tiemann und der Vorsitzende des Stadtverbandes der Kleingärtner, Franz Theilenberg, begutachten die Anlage an der Mechtenbergstraße in Gelsenkirchen.
Der Vorsitzende vom KGV GE-Süd Ulrich Kolbe (v.l.), Fachberater von Verein und Stadtverband Rainer Tiemann und der Vorsitzende des Stadtverbandes der Kleingärtner, Franz Theilenberg, begutachten die Anlage an der Mechtenbergstraße in Gelsenkirchen. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

„Im Schnitt sind unsere Parzellen 400 Quadratmeter groß“, erklärt Rainer Tiemann. Dafür fallen im Jahr 96 Euro Pacht an, zusammen mit den Beiträgen für den Landes- und Stadtverband der Kleingärtner, für Verein und für Lauben-Versicherung sowie für Wasser kommen „da etwa 350 Euro im Jahr zusammen“.

Und da ist ja noch das Häuschen im Grünen an sich, die Laube geht am meisten ins Geld. „Ihr Wert wird von einem Fachberater ermittelt und festgelegt“, sagt Rainer Tiemann. Der 65-Jährige ist selbst ein solcher Experte, tätig für Verein und Stadtverband. Er rechnet vor: Ein Steinhäuschen verliere pro Jahr etwa zwei Prozent seines Ursprungswertes. „Macht für eine Laube für 10.000 Euro nach sechs bis acht Jahren 5000 bis 6000 Euro Restwert.“ Natürlich fließen auch die Investitionen in den Garten selbst mit ein. „Im Schnitt müssen Interessenten mit einem Übernahmepreis von 3000 Euro rechnen. Die Entschädigung steht dem Vorbesitzer zu. “

Dass in Gelsenkirchens Süden Parzellen frei sind, kann auch dem Umstand zu verdanken sein, dass der Schwarzbach, ein Emscher-Zufluss, gerade renaturiert wird. „Die Bauarbeiten empfinden manche Erholungssuchende als störend“, sagt Kolbe. „Dabei vergessen sie, dass danach noch mehr Natur in ihrem Umfeld sein wird.“ Quasi eine grüne Lunge neben der anderen.

Manche Parzellen sind schon seit längerer Zeit ohne Besitzer. Und könnten eine Auffrischung gebrauchen. So wie diese. Die Laube hat einen morbiden Charme. 
Manche Parzellen sind schon seit längerer Zeit ohne Besitzer. Und könnten eine Auffrischung gebrauchen. So wie diese. Die Laube hat einen morbiden Charme.  © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Zurück zu den Interessenten: Deren Anfragen am Telefon zu beantworten, hat sich für Rainer Tiemann und Ulrich Kolbe in der Hochzeit der Krise, beim Lockdown, so angefühlt, als ob sie ständig die gleiche Langspielplatte aufgelegt hätten, die Inhalte der Fragen glichen sich vielfach – Größe, Lage, Kosten und so fort. Deshalb haben sie einen Fragen- und Antwortkatalog entwickelt, für jeden einsehbar auf der Internetseite des Kleingartenvereins. So bleibt mehr Zeit fürs Wesentliche, den Garten.