Oberhausen. Die alleinerziehende Mutter braucht eine größere Wohnung. Doch die ist gerade während der Corona-Pandemie schwer zu finden.
So viele Farben und Formen, so viele Möglichkeiten, die vor seinen Füßen liegen. Mats* sitzt auf dem Teppich und greift nach den bunten Klötzchen. Zwischendurch schaut er seine Mutter an, dann richten sich die Augen wieder auf das Spielzeug. Es ist ruhig in der kleinen Wohnung in Alstaden. Doch diese Ruhe täuscht. Am Nachmittag wird sie vorbei sein, wenn die beiden anderen Kinder aus der Kita kommen. Und die Nacht wird kurz sein. Wieder einmal.
Mary älteste Tochter Sally* (4) schläft bei ihr im Bett. Das Mädchen ist aufgrund einer geistigen Behinderung besonders förderbedürftig. Sie ist extrem aktiv. Eigentlich sollte das Nesthäkchen, Mats, im Zimmer der Mutter schlafen. Doch das Kinderbettchen bleibt oft leer, weil Sally ihren Bruder durch ihre Aktivität aufweckt. Deshalb schläft der Einjährige oft bei seinem dreijährigen Bruder Martin*.
Das Mädchen braucht viel Aufmerksamkeit
Sally beansprucht die volle Aufmerksamkeit ihrer Mutter, Tag und Nacht. Sie spricht nicht, lernte erst spät laufen. In der Kindertagesstätte kümmert sich ein Integrationshelfer nur um das Mädchen. Zuhause ist diese Eins-zu-Eins-Betreuung kaum möglich, auch die Jungs brauchen ihre – alleinerziehende – Mutter.
Doch um nur ein bisschen ungestört zu sein, ist die 65 Quadratmeter große Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung zu klein für vier Personen. Ein Zimmer fehlt. Ein Zimmer, in dem Sally schlafen und spielen kann, ohne ihre Brüder zu stören oder gestört zu werden. Doch die Suche nach einer Wohnung ist schwer, weiß Marlies Ahmed.
Die Diplom-Sozialpädagogin und Familienberaterin steht Mary zur Seite, unterstützt sie bei Behördengängen, berät sie in Erziehungsfragen oder erklärt ihr die Befunde nach dem Besuch beim Kinderarzt. Sie habe das Gefühl, dass einige Vermieter vorurteilsbehaftet sind. Sobald sie erklärt hat, dass eine alleinerziehende Mutter aus Nigeria mit drei Kindern, ohne Arbeit, eine Wohnung sucht, hieß es: Leider schon vergeben!
Dabei bestehe kein Grund zur Sorgen, macht Marlies Ahmed deutlich. Da Mary Hartz IV erhält und eine Abtretungserklärung unterzeichnet hat, wird das Geld für die Miete Monat für Monat sofort abgebucht und auf das Konto des Vermieters gebucht. Die Miete kommt also sicher, erklärt sie. Sie hat eine Aufenthaltsgenehmigung. Die Kinder haben einen Platz in der Tagesstätte, der kleine Mats wird im nächsten Jahr den Kindergarten Herz-Jesu besuchen. Und Mary wird im Dezember, sofern es Corona zulässt, einen Sprachkurs besuchen. Alles, was Marlies Ahmed will, ist eine Chance für die 31-Jährige.
Natürlich sind solche Wohnungen, wie Mary sie bräuchte, begehrt. Weil die Kinder in der Nähe in die Kita gehen, sollte es eine Wohnung in Innenstadtnähe sein. Viereinhalb Zimmer, um die 75 bis 80 Quadratmeter wären toll. Als Hartz-IV-Bezieherin dürfte Mary mit ihren drei Kindern eine Wohnung bis 95 Quadratmeter und einer Brutto-Kaltmiete von 723,90 Euro beziehen.
Mit dem Schiff floh sie aus Nigeria
Seit knapp fünf Jahren wohnt Mary in ihrer jetzigen Wohnung im zweiten Stock, seitdem sie in Oberhausen ist. Im Flur des Hauses steht ein Rollator, weitere Kinder wohnen hier nicht. In Marys kleiner Küche knickt die Schublade aus den Schienen, im Wohnzimmer löst sich ein Stück Tapete von der Wand, im Schlafzimmer hat der Vermieter gerade der Schimmel beseitigen lassen.
Sie flüchtete 2010 mit dem Schiff aus Nigeria vor Krieg und Gewalt zunächst nach Italien. Dort arbeitete sie als Haushälterin bei einer alten Dame. 2015 kam sie nach Deutschland. In Düsseldorf lebte sie in einem Flüchtlingsheim – bis ihr eine Frau half, eine Wohnung zu finden. So kam sie nach Oberhausen. Hier in dieser Stadt sind auch die beiden Jungs geboren.
Von der Hebamme brauchte sie damals nicht so viel Unterstützung, erinnert sich Familienberaterin Marlies Ahmed. „Die Bindung zwischen Mary und ihren Kindern ist sehr gut“, sagt sie.
Mats ist eingeschlafen. Mary bindet sich ein dunkelgrün gemustertes Tuch um den Oberkörper und trägt den Kleinen auf dem Rücken. Ein bisschen Ruhe, bevor die Geschwister zurückkommen.
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(*Namen geändert)