Mit 14 Jahren wurde Frank Henning 1969 Filmvorführer im Regina-Theater am Bahnhof. Heute schmeißt er im Multiplex die Projektoren an. Privat hat er sich inzwischen ein Heimkino eingerichtet





WAZ-SERIE (3) CINEMA PARADISO - GOLDENE KINOJAHRE IN GELSENKIRCHEN 1. August 1969. Papst Paul nahm in Uganda die Vermittlung im Nigeria-Krieg auf. NRW meldet 86 690 offene Stellen in "Frauenberufen". Und ein sechseinhalb Monate alter Säugling aus Köln krault neuneinhalb Minuten lang im Wasser und stellt damit einen neuen Weltrekord auf.


Was für die Gelsenkirchener Kinogeschichte allerdings von wesentlich größerer Bedeutung ist: Der 14-jährige Frank Henning beginnt an jenem Tag im August im Regina-Theater am Bahnhofsvorplatz seine Ausbildung als Filmvorführer. Knapp 39 Jahre später ist der gebürtige Ückendorfer nach diversen Stationen noch immer der Herr der Rollen - als Vorführer im Multiplex an der Willy-Brandt-Allee.


Seine Premiere feierte Frank Henning bereits in der Volksschule am Haidekamp. "Ich habe für meine Mitschüler Wickis ,Die Brücke' vorgeführt." Am 16-mm-Filmprojektor seines Opas hatte er sich zuvor das technische Know-how angeeignet. Der berufliche Weg sei deshalb schon früh vorgezeichnet gewesen. "Die anderen haben mich beneidet", sagt Frank Henning. Filmvorführer - das hatte was.


Den bewegten Bildern war er schon als ganz junger Kinogänger verfallen: "Manchmal habe ich mir in der Kindervorstellung um 13 und 15 Uhr einen Film zweimal angeschaut", erzählt er. Für Vorstellungen im Ückendorfer Rex-Kino habe er schon als Kind Handzettel verteilt.


Dass er auch an Wochenenden regelmäßig arbeiten musste - nein, das habe ihn nie gestört. Das dagegen schon eher: "Ich durfte anfangs einige Filme zwar vorführen, aber nicht selbst anschauen, weil sie erst ab 16 frei gegeben waren."


Willy-Sprenger-Filmtheater hieß sein erster (und langjähriger) Arbeitgeber. In den fünf Lichtspielhäusern dieses traditionsreichen Gelsenkirchener Unternehmens schmiss er als Vorführer den Projektor an: Regina, Apollo, Industrie Schauburg (Bahnhofstraße) und Studio.


Handarbeit hieß damals noch das Gebot der Stunde: Mit zwei Projektoren und der Überblendetechnik sei gearbeitet worden, so Henning. Heißt: Alle 20 Minuten musste der Vorführer ran, um für einen reibungslosen Filmgenuss ohne Unterbrechungen zu sorgen. Pannen? Ja, die habe es auch mal gegeben. "In einem Western tauchte plötzlich eine Szene mit Heinz Rühmann auf", erinnert sich Frank Henning. Wie das passieren konnte, weiß er bis heute nicht.


Bis 1987 arbeitete er bei Sprenger und war sowohl beim Umbau bzw. der Erweiterung der buerschen Schauburg auf drei Säle als auch beim Abriss "seines" Regina-Theaters Anfang der 80er dabei. "Mit großer Wehmut", betont er. Er habe sich gefühlt wie Philippe Noiret in "Cinema Paradiso" (siehe Kasten).


Nach seinem Abschied von Sprenger wurde Frank Henning zum Multiplex-Kino-Mann der ersten Stunde. Bei der "Warner"-Eröffnung im Berger Feld war er als Filmvorführer an Bord und arbeitete später für "Kinopolis" als technischer Leiter u.a. auch in Magdeburg, Berlin und Genf. Nach der Insolvenz der Kette vor sieben Jahren landete er wieder im heimatlichen Hafen und heuerte erneut beim Gelsenkirchener Multiplex als Filmvorführer an.


Von einem 100 Meter langen Raum aus bespielt er dort die neun Säle. Das sei nur möglich, sagt Frank Henning, weil die Technik sich komplett verändert habe. Praktisch auf Knopfdruck startet er die zuvor zusammengeschnittene und auf einen Teller gelegte Filmrolle.


Kino - das ist für Frank Henning heute "nur" ein Broterwerb. "Ich gehe kaum noch ins Kino", bekennt er. Sein Faible für die Filmkunst hat er sich allerdings bewahrt. Und worauf steht der Vorführer? "Vor allem auf Klassiker wie zum Beispiel ,Ben Hur'." Doch auch aktuellere Produktionen wie "Herr der Ringe" oder "Harry Potter" gehören zu seinen Favoriten.


Rund 800 Filme zählt sein Privat-Archiv. Für den optimalen Seh- und Hörgenuss hat er sich in seiner Wohnung in der Gelsenkirchener Altstadt ein kleines Heimkino eingerichtet. Klein? Drei Meter Leinwand, Blue-Ray-Technik, Beamer, 7-Kanal-Ton - "und dann geht's ab!"