Hagen. Eine Mutter wird brutal ermordet – könnte sie noch leben, wenn die Polizei Hagen schneller gehandelt hätte? Darum geht es im NRW-Justizausschuss.
Ein dreijähriges Kind muss erleben, wie seine Mutter (38) brutalst umgebracht wird. Leblos bricht die Frau zusammen. Zahlreiche Messerstiche haben schließlich zum Tode der Frau in einer Wohnung in der Hördenstraße in Haspe geführt. Der mutmaßliche Täter (24) nimmt das kleine Mädchen mit. Er ist sein Vater. Der Mann wird erst Tage später in einer Wohnung in Iserlohn überwältigt und verhaftet.
Viereinhalb Monate ist diese grauenvolle Tat, die in Hagen für blankes Entsetzen gesorgt hat, jetzt her. In seiner Sitzung am 4. November beschäftigt sich der 65. Rechtsausschuss des Landtages NRW jetzt mit dem dramatischen Fall.
Justizminister legt Bericht vor
Grundlage dafür ist ein Bericht, den Justizminister Peter Biesenbach (CDU) vorgelegt hat. „Tötungsdelikt in Hagen – Versäumnisse der Justizbehörden?“ ist das insgesamt sechs Seiten umfassende Dokument überschrieben. Die Kernfrage: Könnte die 38-jährige Mutter noch leben, wenn sich die Behörden – insbesondere die Polizei – anders verhalten hätten?
Um die Antwort des Berichts vorwegzunehmen: nein. In kryptischem Behördendeutsch hört sich das dann so an: „Unabhängig davon war das Tötungsdelikt zum Nachteil des Opfers polizeilicherseits nicht zu verhindern.“
Mutmaßlicher Täter wegen Menschenhandels gesucht
Der Hintergrund: Der mutmaßliche Täter, ein polizeilich bekannter Serbe, hatte seit dem 24. April im Gefängnis gesessen. Er war durch Interpol Serbien wegen Menschenhandels zur Fahndung ausgeschrieben. Weil aber die Auslieferungsunterlagen aus Serbien nicht rechtzeitig in Deutschland eingetroffen waren, musste der in seiner Heimat verurteilte Straftäter am 2. Juni freigelassen werden.
An diesem Tag, so hatte es der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts in Hamm verfügt, endete die Auslieferungshaft. Ursprünglich waren die Behörden entgegen der richterlichen Entscheidung davon ausgegangen, den Serben bis zum 3. Juni in Haft halten zu dürfen. Die richterliche Frist aber verstrich. Die Behörden (NRW-Justizministerium, Bundeskriminalamt, serbische Regierung, Interpol) hatten zwar in den Wochen zuvor in Kontakt gestanden – allerdings ohne Ergebnis.
Am Tag nach Freilassung treffen Unterlagen ein
„Am Pfingstdienstag, 2. Juni, gegen 12.20 Uhr, erhielt mein Dezernent die telefonische Auskunft des Bundesamtes für Justiz, dass der Eingang der Originalunterlagen bei dem Auswärtigen Amt nicht habe festgestellt werden können“, heißt es im Biesenbach-Bericht dazu wörtlich. Um 15.32 Uhr war der Serbe frei – Tags darauf gingen dann alle Unterlagen aus Serbien ein.
Das OLG Hamm erließ daraufhin am 9. Juni erneut Haftbefehl. Dieser ging im Justizministerium am 10. Juni ein und wurde am 12. Juni um 15.18 Uhr an die Polizei Hagen weitergeleitet. Drei Tage später erfolgte der Zugriff in der Wohnung an der Hördenstraße. Vom gesuchten Serben fehlte aber jede Spur. Die Fahnder entdeckten die Leiche, die „bereits deutliche Zeichen der Verwesung aufwies“.
Todeszeitpunkt nach Obduktion eingegrenzt
Die Mordkommission „Hörde“ nahm die Ermittlungen auf. Der Todeszeitpunkt wurde eingegrenzt. Die Frau war am 8. oder 9. Juni erstochen worden.
Im Biesenbach-Bericht heiß es nun: „Kriminalfachlich ist festzustellen, dass eine Bewertung und gegebenenfalls Vollstreckung des Auslieferungshaftbefehls durch die Fachdienststelle im Polizeipräsidium Hagen bereits am 12. Juni hätte erfolgen müssen.“ Aber auch zu diesem Zeitpunkt war die 38-jährige Mutter laut Obduktion bereits tot.