Viele Klicks bei Youtube versprach ein „Anschlag“ in der Dortmunder Thier-Galerie. Jetzt begann der erste Prozess, ein weiterer wird folgen.
Sie sind in der Wirklichkeit angekommen. Die Jugendlichen, die am 15. Dezember 2018 für ein Youtube-Video mit einer Böllerexplosion in der Dortmunder Thier-Galerie einen Anschlag vorgetäuscht und eine Massenpanik ausgelöst hatten, müssen sich seit Mittwoch vor der Strafjustiz verantworten. Keine Scheinwelt, wie sie im Internet so oft als Wahrheit genommen wird, sondern ein echter Prozess.
Den Anfang machten am Mittwoch zwei 17 und 18 Jahre alte Jugendliche aus Wolfsburg vor ihrem örtlichen Amtsgericht. Sie gelten als die Anstifter. Jounes A., der 17-Jährige, ist in der Bloggerszene erfolgreich. Sein Kanal soll 350.000 Abonnenten interessieren. Spezialität: Prank-Videos. Das englische Wort „prank“ bedeutet Streich, und die Videos handeln davon, dass andere Menschen hereingelegt werden. Schadenfreude ist ein finanziell lohnender Quotenbringer im Internet.
Mit Böller Massenpanik inszeniert
Mitten im Weihnachtsgeschäft waren Jounes A. und sein Kumpel nach Dortmund gefahren. Nach den Ermittlungen der Polizei sprachen sie Jugendliche an. Ob diese bereit seien, mit Feuerwerkskörpern eine Massenpanik zu inszenieren? 15 Euro habe Jounes A. für das Zünden des Böllers geboten.
Die Jugendlichen sollen Bedenken geäußert haben. Ob es denn nicht reiche, den Knaller in einem Mülleimer explodieren zu lassen? Jounes A. soll mehr gewollt und als Anreiz „einen Zwanni“ draufgelegt haben. So fand sich ein junger Dortmunder, der zufällig einen besonders lautstarken „Polen-Böller“ dabei hatte.
Video für den Youtube-Kanal
Dann ging alles sehr schnell. Der Böller knallte gegen 17.40 Uhr im Untergeschoss der gut besuchten Thier-Galerie. Wie abgesprochen rannten die Jugendlichen die Rolltreppe hoch, schrien laut „Anschlag!“, „Lauft!“ oder „Hier fallen Schüsse!“. Wie gewünscht verstärkten sie die Panik. All das habe Jounes A. durch seinen 18 Jahre alten Freund filmen lassen. Stoff für den Youtube-Kanal.
Denn tatsächlich löste die Aktion Panik aus. 24 Menschen wurden verletzt. Draußen brachen sie zusammen, weinten. Hörsturz, Tinnitus und Prellungen attestierten Ärzte, aber auch Schlafstörungen und Ängste.
Erster Strafprozess in Wolfsburg
In nicht öffentlicher Sitzung verhandelt seit Mittwoch das Wolfsburger Jugendschöffengericht gegen Jounes A. und seinen Freund. Sie dürften geständig sein, denn Zeugen sind zunächst nicht geladen. Nach Informationen der Wolfsburger Nachrichten ist der 17-Jährige bereits im vergangenen Jahr wegen Körperverletzung zu einem Freizeitarrest verurteilt worden.
In Dortmund werden sich die zehn mutmaßlich angestifteten Jugendlichen, 14 bis 16 Jahre alt, demnächst verantworten müssen. Die Dortmunder Staatsanwältin Sonja Frodermann bestätigte auf Anfrage, dass gegen diese Gruppe bereits Anklage beim Dortmunder Jugendschöffengericht erhoben wurde.
Termin für Dortmunder Prozess steht noch nicht fest
Es wird um gefährliche Körperverletzung und Störung des öffentlichen Friedens gehen. Vorgeworfen wird den Jugendlichen, sie hätten erkennen können, dass durch die Panik Menschen verletzt werden. Und dies hätten sie billigend in Kauf genommen.
Wann der Prozess in Dortmund stattfindet, steht noch nicht fest. Es heißt, das Amtsgericht prüfe noch, ob es das Verfahren an das Landgericht Dortmund abgeben werde. Hintergrund soll der große organisatorische Aufwand bei zehn Jugendlichen sein.