Gewerkschaften machen sich auf die Spur von Dumpinglohn-Sündern. Im Einzelhandel, in Callcentern oder im Frsörhandwerk wird oft schlecht gezahlt. Betroffene können sich melden.
Zwei Mülheimer Gewerkschaften wollen Arbeitgebern an den Kragen, die ihre Mitarbeiter zu Dumping- oder gar sittenwidrigen Löhnen knechten lassen. Sowohl Verdi als auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) rufen deshalb Arbeitnehmer aus Mülheim auf, ihre prekären Arbeitsbedingungen zu melden.
Fünf Wochen vor der Bundestagswahl wollen die zwei Gewerkschaften das Thema Mindestlohn noch einmal in die politische Diskussion bringen. Die bundesweite Aktion soll auch auf lokaler Ebene die Einkommenssituation beleuchten; im Fokus dabei: die Niedriglöhne. Laut Verdi und NGG gibt es in Mülheim mehr als 3000 Erwerbstätige, die trotz ihres Jobs auf staatliche Zuschüsse der Existenzsicherung (Aufstocker nach Hartz IV) angewiesen sind.
Bestimmte Bereiche
„Schuld daran sind häufig Niedriglöhne von 5,50 Euro oder weniger”, so Henrike Greven, Geschäftsführerin des Verdi-Bezirks Mülheim-Oberhausen. Verdi-Sekretär Günter Wolf nennt „die klassischen Bereiche”, wo seine Gewerkschaft immer wieder Dumping- oder gar sittenwidrige Löhne fernab von Tarifbestimmungen feststelle: im Einzelhandel, in Callcentern, im Bewachungsgewerbe und im Frisörhandwerk.
Weiterhin sei die Textilkette KiK, eine Tengelmann-Tochter, dabei im Visier der Gewerkschaft. Zwar habe man nach einem entsprechenden Urteil des Landesarbeitsgerichtes für vier Beschäftigte vor rund zwei Monaten eine Nachzahlung zwischen 8000 und 10 000 Euro gerichtlich erstreiten können. Doch, so Wolf, liege die Vermutung nah, dass dort weiter unter der Grenze zur Sittenwidrigkeit entlohnt werde. Problem sei, dass Ansprüche von Arbeitnehmern nicht als Verbandsklage geltend gemacht werden können, dieses Recht habe eine Gewerkschaft leider nicht. Es bedürfe vieler Einzelklagen und Mut der Betroffenen, um gegen einen sittenwidrigen Stundenlohn von damals 5,20 Euro vorzugehen (tariflicher Ecklohn im sechsten Berufsjahr sei 12,67 Euro).
Frisörin mit 5 Euro Stundenlohn
Bei Verdi, so Wolf, sei jetzt eine Frisörin vorstellig geworden mit 5 Euro Stundenlohn. Die örtliche NGG-Geschäftsführerin Yvonne Sachtje beackert derzeit den Fall einer Bäckereifachverkäuferin mit drei Kindern, die auf 400-Euro-Basis für 5,53 Euro die Stunde arbeitet und vom Arbeitgeber nicht einmal die ihr zustehende Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erhält. Ähnliches kennt sie aus der Gastronomie. Dort werde der im Früjahr vereinbarte Mindestlohn von 7,63 Euro oft nicht gewährt. Rund 200 Klagen zur Unterschreitung des Tariflohnes in Mülheimer, Essener und Bochumer Betrieben habe die NGG im letzten Jahr an die Arbeitsgerichte getragen.
„Es kann nicht sein, dass Menschen trotz Vollzeit-Arbeit auf staatliche Unterstützung angewiesen sind”, fordert Verdi-Sekretär Wolf – wie auch Sachtje – einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro. Der Verdi-Funktionär kündigte an, Mitte September „schwarze Schafe” unter den Mülheimer Arbeitgebern vielleicht öffentlich an den Pranger zu stellen, um der Debatte Druck zu verleihen. Dumpinglöhne seien schließlich vom Steuerzahler subventioniert, denn niemand anderes müsse aufkommen für das aufstockende Arbeitslosengeld II.
Betroffene können sich melden
Die Gewerkschaften Verdi und NGG appellieren an Mülheimer Beschäftigte, Dumpinglöhne zu melden. Dies sei seit dieser Woche im Internet auf der Seite http://www.dumpinglohn.de/ möglich. Betroffene könnten sich auch direkt an Verdi Mülheim-Oberhausen ( 456 71-0) oder NGG-Region Ruhr ( 305 82-30) wenden.