Brieftaubenzüchter in Gelsenkirchen sorgen sich um ihre Vögel: Immer mehr Habichte wildern im Taubenschlag.
Wenn der Habicht kommt, ist Wolfgang Hasenbeck machtlos. Dabei hat er in den letzten Monaten schon alles versucht: ein Katzenfell aufs Dach gelegt, eine Toneule aufgestellt, die Schwanzfedern seiner Tauben mit lila Farbe eingesprüht. Nichts half. Der Raubvogel lässt sich nicht einmal abschrecken, wenn der 57-Jährige bei vollem Körpereinsatz eine eigens dafür bereitstehende weiße Fahne mit aller Kraft schwenkt.
Wolfgang Hasenbeck züchtet Brieftauben. 100 Vögel beherbergt der Schlag, der in seinem Schrebergarten an der Bickernstraße steht. Nicht jedes seiner Tiere ist dafür geeignet, große Distanzen zu fliegen: „Ich hatte 26 Tauben, die ich schicke, davon hat der Habicht im letzten Winter sieben Stück geholt”, klagt der Brieftaubenfreund sein Leid. Ein Leid, das zahlreiche Züchter in Bismarck teilen.
Hasenbeck kennt seinen Feind, hat über den Lebensraum und das Verhalten des Habichts in Fachbüchern nachgelesen. „Habichte sind nicht heimisch in dieser Gegend, die leben eigentlich im Hochwald, da wo hohe Tannen sind.”
Lebensraum hin oder her. Den Greifvögeln gefällt es in Gelsenkirchen: „Allein in Bismarck gibt es bestimmt 50 Stück”, schätzt Hasenbeck. Im Herbst habe er mehr Raubvögel als Tauben in der Luft gesichtet.
Noch vor zwei Jahren ließ der Züchter seine Brieftauben fast jeden Tag fliegen – doch damit ist seit dem vergangenen Herbst Schluss. „Die Habichte sind clever. Die fliegen mit der Sonne im Rücken auf den Schlag zu, so dass die Tauben sie nicht sehen können”, beobachtet der Hobbyzüchter. Was er dann mit ansehen muss, schmerzt sein Züchterherz. „Die jungen Tauben fliegen in Panik orientierungslos umher, landen in der Hochspannung oder verirren sich und verhungern dann jämmerlich.”
Einmal hat der Habicht Hasenbeck sogar den Sieg bei einem Wettbewerb vermasselt: „Ich sah die Taube schon kommen, aber kurz bevor die elektronische Antenne sie registrieren konnte, schoss der Habicht an und der Preis war futsch.” Ganz zu schweigen von den finanziellen Einbußen, die der Verlust eines Tieres mit sich bringt. Seine sieben Tauben, die der Raubvogel geschlagen hat, waren zusammen an die 1000 Euro wert, rechnet Hasenbeck vor. Kein Pappenstiel für den früheren Stahlarbeiter, der seit einem Arbeitsunfall vor sechs Jahren erwerbsunfähig ist.
Eine Lösung für das Problem ist bislang nicht in Sicht, denn es ist verboten, die gefährdeten Habichte zu schießen. Die Verbandszeitung für Taubensport biete zwar auch offiziell verbotene Lebendfallen an, so Hasenbeck, aber er wolle wegen der Vögel nicht auch noch mehrere Tausend Euro Strafe zahlen.
Friedhelm Borowski, Vorsitzender der RV (Reisevereinigung) Gelsenkirchen 1894, berichtet, dass alle Schläge in der Stadt - rund 200 - unter den Raubvögeln leiden: „Wir sind machtlos”, so Borowski. Hasenbeck weiß gar von einigen Züchtern, die ihr Hobby aufgegeben haben, nachdem der Habicht den halben Bestand geschlagen hatte.
Die gestiegene Population hat indes noch andere Folgen: „Die Zahl der Fasane, Rebhühner und Kaninchen hat in unserer Gegend sehr stark abgenommen”, bedauert Borowski.
Im Taubenschlag von Wolfgang Hasenbeck ist seit drei Wochen Ruhe eingekehrt: Im März ist Paarungszeit, im April brüten die Habichte. Die weiße Fahne wird er erfahrungsgemäß erst wieder im September schwenken.