Gelsenkirchen-Resser Mark. Das Wetter in Gelsenkirchen ist zwar gerade nass und kühl – insgesamt nehmen Trockenheit und Dürre aber zu. Das hat Auswirkungen auf die Bäume.
Was für ein Mai! Gerade einmal 12 Grad zeigt das Thermometer, zum Glück ist gerade mal kurz Regenpause an diesem Montagmorgen. Überall von den Blättern tropft es, beim Laufen muss man ständig Pfützen ausweichen, unter den Schuhsohlen schmatzt der Schlamm. Am Wochenende zuvor hatte es geschüttet, und die dicken grauen Wolken am Himmel bedeuten, dass die Regenpause nicht lange anhalten wird. Und dennoch: Der Grund für den Waldspaziergang hat mit dem Wetter nichts zu tun, sondern mit dem Klima. Und das ist in den vergangenen Jahren immer trockener geworden – auch in Gelsenkirchen.
„An diesem Baum sieht man es ganz gut“, sagt Sven Noack und deutet nach oben, Richtung Wipfel. Noack ist Forstwirtschaftsmeister bei Gelsendienste, er hat täglich mit Bäumen zu tun, und wenn er von ihnen redet, klingt es ein bisschen so, als rede er von Menschen. „Diese Buche ist krank, man erkennt es an den kahlen Spitzen, die aus der Krone herausragen.“ Das sei auf die überdurchschnittlich trockenen Sommer der vergangenen Jahre zurückzuführen.
Extrem heiße Sommer werden in Zukunft der Normalfall sein – auch in Gelsenkirchen
In den Sommermonaten der Jahre 2018, 2019 und bedingt auch 2020 fiel sehr wenig Niederschlag, bei sehr warmen Temperaturen. Diese Entwicklung wird sich höchstwahrscheinlich so fortsetzen, heißt es beim Deutschen Wetterdienst: Sommer, die heute als extrem heiß wahrgenommen werden, werden Ende des Jahrhunderts der Normalfall sein.
Bäume brauchen Wasser, sie nehmen es über die Wurzeln auf und verteilen es über dünne Gefäße bis in die Astspitzen. „Wenn Bäume zu wenig Wasser bekommen, dann sind in der Regel als erstes die obersten Blätter betroffen“, erklärt Sven Noack – logisch, um das Wasser von ganz unten bis ganz nach oben zu befördern, benötigt der Baum die meiste Energie. Dabei sind es gerade die obersten Blätter, die das meiste Sonnenlicht bekommen. Das wiederum braucht der Baum für die Photosynthese, bei der wichtige Nährstoffe produziert werden – ein Teufelskreis.
Das Dach aus Buchenkronen ist verschwunden
Dabei hilft es auch nur wenig, wenn das Frühjahr, wie zurzeit, eher zu nass als zu trocken ist. Wegen der langen Dürreperioden seien die Böden bis in größere Tiefen zu trocken, erläutert der Experte – selbst ausgiebige Regenfälle erreichten diese Tiefen so schnell nicht.
Beim Rundgang durch den Emscherbruch in der Resser Mark zeigt Sven Noack immer wieder auf Bäume, die der Trockenheit zum Opfer gefallen sind: Sie haben fast keine Blätter mehr, ihre Kronen sind kahl. An einer Stelle ist es ganz deutlich zu sehen: „Diese Buchen haben vor einigen Jahren noch einen sogenannten Buchenhallenwald gebildet“, erklärt der Experte: Ihre Kronen standen so dicht zusammen, dass sie eine Art Gewölbe bildeten. Heute ist das Gewölbe verschwunden, stehen fast nur noch die nackten Stämme auf der Lichtung.
Andere Bäume drängen in die Lücke
Vor allem Buchen bilden den Wald am Ostrand von Gelsenkirchen. Während andere Bäume besser mit der Trockenheit zurechtkämen, litten Buchen schneller unter dem Wassermangel: Ab einem gewissen Punkt sterben sie. „Wenn so ein toter Baum mitten im Wald steht, machen wir nichts“, erklärt Sven Noack. Problematischer sei es, wenn Wege in der Nähe seien. „Da dann die Gefahr besteht, dass Menschen durch herabfallende Äste zu Schaden kommen, wird der Baum in so einem Fall gefällt“, erklärt der Forst-Experte. Das gelte auch dann, wenn die Bäume in der Nähe zu Grundstücksgrenzen oder Straßen stünden.
Gelsenkirchener Baum-App wird angenommen
Seit ihrem Start im Juli vergangenen Jahres wurde die Gelsenkirchener „Baum-App“ schon mehr als 1600 Mal heruntergeladen. Neben Informationen zu fast 70.000 städtischen Bäumen bietet die App auch die Möglichkeit, Gießpatenschaften abzuschließen. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger unterstützen die Aktion und haben Patenschaften für insgesamt 364 Bäume übernommen. Die App wurde für die Betriebssysteme Android und iOS entwickelt und kann in den Appstores von Google und Apple kostenlos heruntergeladen werden.
Noack geht allerdings keinesfalls so weit, angesichts einiger sterbender Buchen gleich ein apokalyptisches Szenario an die Wand zu malen. „Wie so oft in der Natur gilt: Des einen Leid ist des andere Freud’“, sagt er. Dort, wo die Buchen Platz machen, finden sich andere Pflanzen ein. Vor allem Ahornbäume vermehrten sich fleißig – „demnächst kommt das Ahornblatt wie in Kanada auch in Deutschland ins Wappen“, scherzt Noack.
Aber auch Gelsendienste greift ein und pflanzt an: Auf einem Waldstück wachsen gerade junge Elsbeeren-Bäume. Diese Baumsorte verträgt Trockenheit viel besser als Buchen – und ist somit der ideale Baum für den Klimawandel. Denn der, da ist der Experte überzeugt, ist längst keine Theorie mehr, sondern Realität.
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