Gelsenkirchen. Corona setzte Bädern, Zoo und Emschertainment zu. Doch das Defizit der Gelsenkirchener Stadtwerke-Gruppe ist strukturell. Das soll sich ändern.
Seit knapp 100 Tagen ist Harald Förster Geschäftsführer der Stadtwerke-Gruppe. Für die Konzernbilanz 2020 für Bäderbetrieb und den Veranstaltungsbetrieb Emschertainment, für Gelsen-Log im Hafen und Gelsen-Net, die neue Tochter Revierdialog oder auch die Zoom-Erlebnisswelt zeichnet er also nur bedingt verantwortlich. Doch auf ihn wird es ankommen, wenn es um den Weg in die Zukunft geht. Und der wird steinig: „Wir haben ein riesiges strukturelles Problem“, sagt Förster.
Gelsenkirchener Stadtwerke beziffern Corona-Einbußen mit 2,7 Millionen Euro
Der Konzernverlust 2020 liegt bei 7,3 Millionen Euro, der Umsatz sank um 5,1 auf 61,6 Millionen Euro. Ohne einen Einmaleffekt (die Stadtwerke verbuchen als Stadionmiteigentümer von Schalke 04 eine Art Stillhalteprämie, wenn sie an ihrer 2009 geleisteten stillen Millionen-Beteiligung an der Veltins-Arena festhalten) wären die Zahlen noch schlechter. Klar, Corona hat auch die Stadtwerke massiv und auf fast allen Ebenen getroffen Umsätze brachen bei den Bädern, im Zoo (siehe Kasten), bei Veranstaltungen und auch beispielsweise beim Best Western Hanse-Hotel in Rostock weg. Nach der durch den Lockdown erzwungenen Schließung zum 31. Januar 2021 wurde das Haus stillgelegt, die Arbeitsverhältnisse beendet. 2020 wurde Gelsen-Log darüber informiert, dass der Pachtvertrag nach Ablauf von 30 Jahren durch die Stadt Rostock gekündigt wird. Die Verhandlungen liefen insgesamt zäh – im Ergebnis fuhr Gelsen-Log einen Gesamtverlust in Höhe von 2,1 Millionen Euro ein. Die Umsatzerlöse der Bäder sanken von 2,4 auf 1 Million Euro, von 12,4 auf 8,8 Millionen Euro sank der Umsatz im Zoom, der Jahresfehlbetrag bei Emschertainment wuchs von 1,5 auf 2,8 Millionen Euro. Die – um Hilfsgelder bereinigten - Corona-Einbußen der Gruppe beziffert Förster mit rund 2,7 Millionen Euro.
Grundpacht für das Strom- und Gasnetz hat sich seit 2018 nahezu halbiert
Daten, Zahlen, Fakten
Den Umsatzerlös gibt der Konzern Stadtwerke-Gruppe für 2020 mit 61,6 Millionen Euro an (2019: 66,2 Millionen Euro).Konzernverlust: 7,3 Millionen Euro (4,5); Bilanzsumme: 301,1 Millionen Euro (273); Eigenkapitalquote: 10 Prozent (11,8).532.962 Besucher zählte die Zoom Erlebniswelt (2019: 838.212); Bäder: 120.177 (334.944), davon Sportparadies: 86.819 (255.839).Die Corona-Auswirkungen: Ausfälle bei Eintritts- und Shop-Umsätzen, Veranstaltungsabsagen in der Lockdown-Zeit geben die Stadtwerke für die Zoom-Erlebniswelt mit 1,05 Millionen Euro an. Emschertainment-Gastronomie: minus 1,03 Millionen Euro; Emschertainment-Veranstaltungen: minus 80.000 Euro. Durch die Schließungsphasen, Kurzarbeit und geringere Kosten für Energie und Wasseraufbereitung verbuchte die Badsparte dagegen 127.000 Euro plus.
All das erklärt nicht allein den Gesamtverlust. Die Entwicklung bei der Grundpacht für das Strom- und Gasnetz trifft die Stadtwerke besonders. Bis 2018 war sie ein absoluter Gewinnbringer, wog Verluste anderer Sparten auf. Doch von 2018 (9,1 Millionen Euro) sank der Pachterlös 2020 auf knapp 5 Millionen Euro. Mit mehr ist dauerhaft kaum zu rechnen. Besserung ist in den anderen Sparten ohne eine Neuausrichtung kaum in Sicht. Die Ankündigung, „dass alle Strukturen und auch die liebgewonnen Gewohnheiten“ in der Gruppe auf den Prüfstand kommen werden, weiß Förster, wird kaum für Fröhlichkeit unter der Belegschaft sorgen: „Da wird keiner direkt Beifall klatschen.“
Förster: „Wir sind weit entfernt davon, dass wir nicht mehr können“
„Cash macht fesch“, zitiert Förster seinen alten BWL-Prof. Doch davon seien die Stadtwerke weit entfernt – „die Dinge werden hässlich, wenn die Kasse leer ist.“ Doch Förster macht auch deutlich: „Wir sind in einer wirtschaftlich schwierigen Situation. Aber unsere Solvenz ist absolut gegeben. Wir sind weit entfernt davon, dass wir nicht mehr können. Dafür haben wir zu viele Vermögenswerte.“
Positiv sei, „dass alle erkannt haben, dass etwas passieren muss“, sagt Förster. Markus Karl, der neue Aufsichtsratsvorsitzende macht deutlich, dass das Gremium hinter Förster steht. „Die Notwendigkeit von Veränderungen in allen Unternehmensbereichen ist nicht von der Hand zu weisen“, betont der CDU-Stadtverordnete. Eine umfassende Strategieentwicklung für die kommenden Jahre stehe an, um mit der Gesellschafterin Stadt eine tragfähige Finanzierung aufbauen zu können. Für konkrete Maßnahmen ist es noch zu früh. Doch zeichnet sich ab, dass sich die Gruppe in der Verwaltungsspitze schlanker aufstellen wird. 2020 beschäftigte die Stadtwerke-Gruppe 774 Mitarbeitende und bot zusätzlich 54 Ausbildungsplätze.
„Auf diesem Weg werden wir nicht mit Rosen beworfen“
Erarbeitet werde eine weitgehende Konzernstrategie“, kündigt Förster, der auch Geschäftsführer der Stadttochter GGW, der Gelsenkirchener gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft ist. Sein Anspruch in der neuen Chef-Rolle: „Ich habe eine erfahrene Mannschaft und einen guten Aufsichtsrat, ich will mich nicht hinter Beratern verstecken, ich will, dass wir das entwickeln. Ich glaube, dass wir es als Stadtwerke der Stadt Gelsenkirchen schulden, dass wir die Hälfte unserer Defizits in unserer Organisation einsparen.“ Den Zeitrahmen gibt er mit den „nächsten drei bis vier Jahren“ vor.
Die Stadtwerke werden am 2019 politisch abgesegneten Bäderkonzept festhalten „Wir sind in Gelsenkirchen in der Lage, zwei neue Bäder zu bauen“, sagt er mit Blick auf das Zentralbad und den geplanten Ersatz fürs Sportparadies. Darüber hinaus, schwingt im Unterton mit, müsse die Stadt deutlich machen, welche Angebote sie langfristig erhalten kann und will. Für das, was nun angestoßen wird, ist Förster klar, „werden wir nicht mit Rosen beworfen“. Doch am Ende liefe es eben auf Änderungen im Betrieb hinaus oder den Ausgleich durch Haushaltsmittel der Stadt. „Ohne eine dieser Maßnahmen wird es nicht gehen.“