Gelsenkirchen. Weitere Gelsenkirchener berichten nach Zeugnis-Artikel über massive Verzögerungen. Postcon verweist auf geringe Reklamationsquote.
Schüler, die seit mehr als zwei Wochen auf ihre Zeugnisse warten, weil der von der Stadt beauftragte Briefdienstleister Postcon diese noch nicht zugestellt hat: Dies ist offenbar kein Einzelfall, wie zahlreiche Leser-Zuschriften anlässlich eines entsprechenden WAZ-Berichts belegen. Auch in sozialen Netzwerken schildern Bürger schlechte Erfahrungen. Das Unternehmen stelle Schreiben deutlich verspätet, beschädigt oder gar nicht zu, so die Vorwürfe.
Da ist etwa Werner Pidun, SPD-Verordneter in der Bezirksvertretung Ost, der sich „schon mehrfach über die Postzustellung der Firma Postcon geärgert“ hat. „So kamen etwa Sitzungsunterlagen, die schon vor der Sitzung für die Fraktionsberatungen benötigt wurden, mehrmals zu sehr unterschiedlichen Terminen bei den einzelnen Fraktionsmitgliedern an, obwohl die Stadtverwaltung sie wohl gleichzeitig und rechtzeitig auf den Postweg schickte, so dass Unterlagen für eine Vorberatung erst zu spät vorlagen.“
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Die zwei Sitzungspakete für die Januar-Sitzung haben ihn „nur schwer ramponiert erreicht“, wie Fotos an die Redaktion belegen. Das mit dem Auslieferungsdatum 15. Januar versehene Paket habe er erst am 21. Januar erhalten; es war, wie auf den Bildern deutlich zu sehen ist, mit „Postcon“-Klebebändern zusammengeflickt. Auch eine nachversandte Vorlage „hatte Bekanntschaft mit Wasser gemacht“, so Pidun.
Dr. Mathias Kirsten, Direktor des Amtsgerichts Gelsenkirchen, bestätigt ebenfalls, „dass es immer wieder Beschwerden über Postcon gibt“. Besonders Rechtsanwälte klagten über eine verspätete Zustellung, was gerade bei juristischer Post besonders problematisch sei, da Fristen eingehalten werden müssten.
Amtsgerichts-Direktor: Rechtsanwälte können Fristen zum Teil nicht einhalten
Materielle Folgen für die Bürger habe dies allerdings nicht, weil die Betroffenen anwaltlich versicherten, die Schreiben verzögert erhalten zu haben; dann werde die Frist verlängert. „Aber es ist natürlich lästig und ärgerlich, wenn man etwa zu spät von einem Gerichtstermin erfährt.“ Kirsten weist darauf hin, dass es auch immer wieder mal Beschwerden über die Deutsche Post gebe, die den Zuschlag für Postzustellungsurkunden bekommen habe, allerdings deutlich seltener.
Stefanie Funke aus Buer hat ebenso negative Erfahrungen mit Postcon-Dienstleistungen gemacht. Als Verfahrensbeistand tätig, erhält sie „regelmäßig Post (oder eben auch nicht) der Amtsgerichte, auch über Postcon. Seitdem Postcon die Zustellung übernommen hat, ist es mehr als schwierig geworden, weil ich manche Terminsachen eben nicht mehr zeitnah erhalte.“
Gelsenkirchener klagen über gesammelte - und damit verzögerte - Zustellung von Post
Ihre Geschäftspost werde ihr „in der Regel nur noch maximal einmal wöchentlich gesammelt zugestellt, wobei der Poststempel der Firma Postcon belegt, dass der Brief bereits acht bis zehn Tage zuvor dort abgestempelt worden ist“, erzählt sie.
Einigen Schülern liegen Zeugnisse immer noch nicht vor
Anlass der Leser-Zuschriften an die Redaktion war ein Bericht über die verzögerte oder gar nicht erfolgte Zustellung der Halbjahreszeugnisse von mindestens zwei Schulen.An der Gesamtschule Erle erhielten 175 und an der Gesamtschule Buer-Mitte rund 100 Schüler nicht die kopierten Bescheinigungen, die eigentlich zum Elterngespräch hätten vorliegen sollen. Einigen gingen die Schreiben mit deutlicher Verspätung zu, bei anderen liegen sie immer noch nicht vor.
Auch Ronald Wetklo aus Hassel hat „seit Jahren“ schlechte Erfahrungen mit Postcon gemacht. „Als die Knappschaft für meine Frau und mich jetzt Coupons für FFP2-Masken abgeschickt hat, sind nur die für meine Frau eingetroffen.“ Auch ein Schreiben von der Rentenkasse, nachweislich versandt am 7. Januar, habe ihn nicht erreicht, so dass es ein zweites Mal habe auf den Weg gebracht werden müssen.
Knappschaft bewertet Zustellung als „grundsätzlich zufriedenstellend“
Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, die 2020 rund 95 Prozent ihrer Ausgangspost durch Postcon zustellen ließ, berichtet von einer „rechnerischen Reklamationsquote von rund 1,1 Prozent“. „Die Zustellung innerhalb von zwei Arbeitstagen wird entsprechend der gesetzlichen Vorgabe an 95 Prozent der Werktage eines Jahres gewährleistet und kann grundsätzlich als zufriedenstellend bewertet werden“, so Knappschafts-Sprecher Wolfgang Buschfort.
Beim Versand von FFP2-Gutscheinen sei die Reklamationsquote mit gemeldeten rund 1000 Nachfragen jedoch „überdurchschnittlich, sodass hier eine gesonderte sowohl interne Befassung als auch eine Abstimmung mit den Briefdienstleistern stattfindet.“ Nach einer ersten Analyse habe die Bundesdruckerei die Briefe teilverzögert gedruckt, offenbar hätten die Briefdienstleister aber auch zeitverzögert zugestellt. „Der unterschiedliche Versand an Ehepaare kann der Zuordnung zu den unterschiedlichen, seitens des BMG vorgegebenen Alterskategorien oder Gesundheitskategorien geschuldet sein“, erklärte Buschfort.
Postcon: „Reklamationsquote liegt bei 0,0083 Prozent“
Um eine Stellungnahme gebeten, betonte Postcon-Sprecherin Andrea Milazzo, dass es ohne konkrete Daten schwierig sei, Einzelfälle nachzuvollziehen. „Postcon stellt jährlich über 200 Mio. Briefe in NRW zu. Unsere Reklamationsquote liegt bei unter 0,0083 Prozent. Sendungen wie hier beschrieben werden sehr gewissenhaft, auch unter Einbeziehung von Zustellpartnern zugestellt.“ Ob diese möglicherweise für die Probleme mitverantwortlich seien, teilte sie nicht mit.
Verzögerungen begründete sie mit Rückständen, die wetter- oder krankheitsbedingt entstehen könnten. „Darüber werden die Kunden informiert und der Rückstand wird schnellstmöglich abgearbeitet.“ Was die Zustellung von verschiedenen Briefen mit Masken-Coupons an dieselbe Adresse angeht, so sei „die Wahrscheinlichkeit hoch, dass im Druck oder in Vorprozessen ein Fehler entstanden ist.“ Sprich: Die Verantwortung dafür liege dann bei anderen, nicht bei Postcon.
Briefe würden nicht „gesammelt“, sondern je nach Absprache „verdichtet“
Den Eindruck etwa von Verfahrensbeistand Stefanie Funke, dass Briefe an sie gesammelt und dann im Paket zugestellt würden, wies die Sprecherin zurück. „Die von uns beförderten Briefe haben unterschiedliche Kundenvereinbarungen. Das ermöglicht Zustellunternehmen, Routen z.B. mit Werbepost oder Post mit längerer Laufzeitvereinbarung zu verdichten.“
In Gelsenkirchen stelle Postcon „in Gänze erst seit wenigen Wochen allein zu“. „Zuvor wurde die Fläche durch Subunternehmen bedient. Wir haben uns zu diesem Schritt entschieden, um die Qualität nachhaltig zu verbessern.“
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