Oberhausen. Omikron hat sich in Oberhausen durchgesetzt. Ein Ameos-Chefarzt erklärt, was die Variante besonders macht und weshalb Geimpfte aufatmen können.
Nie gab es mehr Coronakranke als aktuell: Das Robert-Koch-Institut meldet bundesweit mehr als 200.000 Neuinfektionen, die Inzidenz klettert auf über 1200. Auch für Oberhausen meldet die Stadt knapp 300 weitere Infizierte. Omikron beherrscht das Stadtgeschehen. 80 Covid-Patientinnen und -Patienten müssen im Krankenhaus behandelt werden (Stand jeweils: 2. Februar 2022). Doch was macht diese Virusvariante überhaupt so besonders?
Prof. Dr. Jörg Schlaak, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Hepatologie, Gastroenterologie, Infektiologie und Diabetologie im Ameos Klinikum St. Clemens Oberhausen, weist zunächst einmal auf diesen Aspekt hin: „Corona hat sich mit Omikron genauso entwickelt, wie wir es erwartet haben.“ Omikron sei zwar tatsächlich deutlich ansteckender als etwa noch Delta, führe dafür aber seltener zu schweren Verläufen. Was Corona noch vor rund zwei Jahren so gefährlich machte, sei die fehlende Anpassung des tierischen Virus an den menschlichen Organismus gewesen. „Diese Anpassung hat mit Omikron nun ein Stück weiter stattgefunden“, ist sich der Infektiologe sicher.
Mehr Patienten mit erkältungsähnlichen Beschwerden
Dies zeige sich etwa an den veränderten Symptomen. Der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinnes trete bei Omikron nur noch in zehn Prozent der Fälle auf. „Stattdessen zeigen Patienten häufiger erkältungsähnliche Beschwerden wie Schnupfen, Husten, Kopfschmerzen.“ Während Delta gerne auch die Lunge und die inneren Organe zerstörte, siedelt sich Omikron bevorzugt im Nasen- und Rachenraum an. Und so hat sich auch das Bild in den Oberhausener Krankenhäusern längst entsprechend verändert. „Wir haben derzeit im Ameos Klinikum St. Clemens zwei Patienten auf der Intensivstation, der eine muss dort wegen Covid 19 behandelt werden, der andere liegt wegen einer anderen Erkrankung dort. Erst ein Test ergab, dass er ebenfalls infiziert ist.“ Ähnlich sei die Situation auf den Normalstationen. 16 Patientinnen und Patienten mit Covid 19 würden derzeit behandelt. „Aber nur sechs benötigen unsere medizinische Hilfe wegen dieses Virusinfekts.“ Noch vor einem Jahr habe das Klinikum 100 Corona-Fälle pro Woche gesehen. „Aktuell sind es um die 20.“
Also Entwarnung? „Keinesfalls“, betont der Chefarzt und verweist auf das Impfmonitoring des Robert-Koch-Instituts. Danach sind rund zehn Prozent der Über-60-Jährigen und knapp 20 Prozent aller Deutschen zwischen 18 und 59 Jahren bislang überhaupt nicht gegen Corona geimpft worden – und damit über 18 Millionen Menschen. Der vormalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zählte außerdem bis zu 40 Prozent aller Deutschen zu den Risikopatienten. Würden alle Schutzmaßnahmen aufgehoben, drohte damit rund 7 Millionen Ungeimpften ein schwerer Verlauf. Tatsächlich füllen schon jetzt fast ausschließlich Ungeimpfte und Risikopatienten die Krankenhäuser. „Schwere Verläufe sehen wir vor allem bei diesen Gruppen“, bestätigt Schlaak. Für den Chefarzt steht fest: „Die Impfungen haben sich bewehrt. Sie schützen zwar nicht vor einer Ansteckung, aber sie schützen davor, an Covid zu sterben oder auf der Intensivstation zu landen.“
Das Risiko für Ungeimpfte hat sich sprunghaft erhöht
Durch Omikron habe sich das Risiko einer Infektion für Ungeimpfte noch einmal sprunghaft erhöht. Diese Variante weise mehr als 50 Erbgutveränderungen auf. „Die meisten davon am Spike-Protein, mit dem das Virus an der menschlichen Zelle andockt und auf das die Impfstoffe bislang ebenfalls abzielen.“ Damit habe sich das Virus so verändert, dass Antikörper von Genesenen und Geimpften nicht mehr so gut anspringen. „Ganz umgehen kann es die Immunabwehr aber nicht, es kommt zu den beschriebenen milderen Verläufen.“
Die NDR-Wissenschaftsredaktion wies kürzlich darauf hin, dass Omikron sich wohl genau deshalb schneller verbreitet, weil dieser Variante die Immunflucht besser gelingt als Delta. Das könnte auch erklären, weshalb der Anteil der Geimpften, die das Virus weitergeben, gestiegen ist.
Eine zweite Omikron-Variante breitet sich aus
Wissenschaftler hatten Omikron im November 2021 im Süden Afrikas entdeckt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass sich bis Anfang März 2022 bereits mehr als die Hälfte der Menschen im Großraum Europa mit der neuen Coronavirus-Variante angesteckt haben werden. Eine Untervariante von Omikron breitet sich inzwischen ebenfalls rasant aus - der Subtyp BA.2.Noch ist wenig über diesen Untertyp bekannt. Da sich BA.2 in Dänemark und Großbritannien schnell verbreitet, befürchten Experten, dass dieser Variante die Immunflucht noch besser gelingt. Auch in Deutschland ist diese Mutante bereits vereinzelt aufgetaucht. Noch herrscht hier aber die Omikron-Variante BA.1 vor. Fast alle Infektionen in Oberhausen gehen inzwischen darauf zurück.
Nach Ansicht von Jörg Schlaak bleibt das Risiko, sich zu infizieren, in Innenräumen am höchsten. „Das Virus verbreitet sich durch Aerosole und liebt Luftfeuchtigkeit, nahes Beisammensitzen und Schwitzen.“ Bereits Sekunden ohne Maske können ausreichen. Während draußen die Gefahr einer Übertragung verhältnismäßig gering ist, gilt deshalb innerhalb von vier Wänden: „Maske tragen und Abstand halten.“ Feiern in einer Disco oder einem Saal – selbst für nur Geboosterte – hält Schlaak dagegen für gar keine gute Idee.