Kunstprojekt in Erle: Aufgegebenes Kirchengebäude soll wieder zum öffentlichen Raum werden. Menschen aus dem Stadtteil können sich beteiligen.

Klingt ziemlich verrückt, ist aber fest in Planung: Dort wo einst die katholische Sankt Bonifatius Gemeinde in Erle betete, Taufen und Hochzeiten zelebrierte und Messen feierte, soll es bald eine Mischung aus Sauna öffentlicher Backstube und Stadtteiltreff geben.

Geplant wird dieser wohl einmalige Fall von Kirchen-Umnutzung von den urbanen Künsten Ruhr, einer Nachfolge-Organisation der Kulturhauptstadt Ruhr.2010, die Kunst in die Städte des Ruhrgebiets bringen soll.

Bäckereichef Christian Zipper kaufte Kirche und Pfarrhaus 2016

In dem 1964 errichteten, trotz seiner außerordentlichen Sechseck-Architektur noch nicht unter Denkmalschutz stehenden Backstein-Kirchenbau an der Cranger Straße wurde 2007 zum letzten Mal einen Gottesdienst gefeiert. Nun gehört sie der benachbarten Bäckerei Zipper. Christian Zipper hat das Gebäude samt Küster-, Gemeinde-, und Pfarrhaus 2016 gekauft. Pläne, aus dem ehemaligen Kirchengebäude eine Backstube zu machen, scheiterten aber. Nun hat der Bäcker das Gebäude, das zur Zeit noch mit Regalen, Rollwagen und anderer Lagerware voll gestellt ist, an die Urbanen Künste Ruhr vermietet.

Auftritt bei der Documenta 2015 mit Spaziergangs-Performance und 1000 Schuhen

In deren Auftrag will die serbische Künstlerin Irena Haiduk (* 1982) hier einen sogenannten „Healing Komplex“, also eine „Heil-Einrichtung“ für Körper und Seele schaffen. Bekannt wurde Irena Heiduk im Jahr 2015 durch die Weltkunstausstellung Documenta in Kassel. Dort machte sie Furore mit einer Spaziergangs-Performance mit 13 Frauen, die „Yugoform“ genannte Kleider präsentierten – maßgeschneiderte, leidlich schicke Modelle, die sich vor allem durch Bequemlichkeit auszeichneten, genau wie die 1000 Paar Schuhe die von Fabrikarbeiterinnen eigens für die Mitarbeiterinnen der 14. Documenta gestaltet wurden, so dass man lange und viel in ihnen gehen und stehen konnte.

Irena Heiduk will die Menschen in Erle und Umgebung hier zusammenbringen

Die Kunst von Irena Heiduk zeichnet sich generell dadurch aus, dass sie das Leben von ganz normalen Menschen verbessern soll, Und zwar möglichst umweltverträglich: „Wir leben in einer derart gefährlichen Zeit, dass es für Nachhaltigkeit schon fast zu spät ist“ sagt Haiduk, die die Klimakrise sehr ernst nimmt. So auch bei dem Projekt in Erle. Die Idee, einen Ofen, in dem jeder Mann und jede Frau Brote oder sonstiges backen kann, mit einer Sauna zu verbinden, soll auch beim Einsparen von Energie helfen.

Vor allem aber geht es der Künstlerin darum, an diesem Ort die Menschen des Stadtteils und der Umgebung zusammenzubringen. „Wie diese Schwerpunkte der neuen Einrichtung technisch und architektonisch kombiniert werden können, müssen wir noch herausfinden,“ sagte Irena Heiduk am Freitag bei der Vorstellung des Projekts. Auch an der Planung sollen die Menschen des Stadtteils und andere Interessierte beteiligt werden.