Gelsenkirchen. Kangals sind sanfte Riesen mit großem Schutzinstinkts. Sie werden für Hundekämpfe missbraucht und landen im Tierheim - so auch in Gelsenkirchen.
- Tierheim Gelsenkirchen: Auch hier sind viele Kangals untergebracht. Denn viele Halter sind mit dem großen Hund überfordert.
- Im Gelsenkirchener Tierheim sind seit vielen Jahren mehrere Kangal-Hirtenhunde untergebracht: Aktuell sind es zehn.
- Häufig werden Kangal-Hunde auch zu Tierkämpfen in NRW und im Ruhrgebiet eingesetzt.
Freudig stürmt Gümes los. Die Sonne scheint und die Kangal-Hündin genießt den Freilauf im Tierheim sichtlich. Immer wieder galoppiert sie auch zurück, nimmt Kontakt auf zu den Besuchern, lässt sich gerne kraulen, reckt die Schnauze in die Höhe und berührt im Stand damit fast das Kinn der Gäste. Gümes ist eine Kangalhündin, wie sie sein sollte: Sozial und lieb. Und doch werden sogleich die Probleme deutlich, die die Haltung mit sich bringt. Diese Hunde fordern viel, die richtige Haltung, die richtige Ansprache, eine echte Aufgabe und nicht zuletzt das nötige Kleingeld.
Weil es oft an mindestens einem dieser Punkte hapert, hat das Tierheim Gelsenkirchenseit vielen Jahren eine Reihe nur für Kangal-Hunde. Zehn sitzen hier aktuell ein. „Das ist verdammt wenig“, sagt Annika Gehrmann, die stellvertretende Tierheimleiterin. Schon seit längerem stellt diese Hunderasse eine Herausforderung für die Tierschützer dar. „Die werden oft als Welpen von Menschen mit türkischen Wurzeln angeschafft. Die holen sich ein Stück alte Heimat in die neue“, weiß Heike Reddig aus dem Vorstand des Tierschutzvereins.
Kangal-Hunde in Gelsenkirchen: Erst süße Kuschelhunde, dann anspruchsvolle Riesen
Die kleinen, zauberhaften „Kuschelhunde“ jedoch werden schnell schwierig, wachsen nicht ganz so schnell aber sehr lange und brauchen auch länger, um erwachsen zu werden. Bedeutet: Sie zu halten, das erfordert stetigen Einsatz der Halter. So ein Hund muss gut ausgebildet werden. Und doch klappt das bei dieser Rasse nie so ganz. Das liegt in ihrer Natur.
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„Der Kangal ist ein Herdenschutzhund. Er ist dafür gezüchtet, selbstständig eine Herde zu schützen und dabei eigenständig Entscheidungen zu treffen. Das ist der Unterschied zu einem Hütehund, der immer im Team mit dem Menschen arbeitet. Ein Schäferhund zum Beispiel will gefallen. Da kann man bei der Erziehung ansetzen. Bei einem Kangal ist das anders. Was der nicht will, das will der nicht“, weiß Heike Reddig, die selbst als Hundetrainerin in der Hundeschule des Tierheims unterrichtet.
Der Kangal: Ein echter Arbeitshund
Ein Kangal, das betonen beide Frauen, benötige immer und ohne Ausnahme eine echte Aufgabe, zum Beispiel den Schutz eines ausreichend großen Areals. „Da reicht ihm dann auch eine Hütte. Er liebt es, draußen zu sein“, so Reddig. Habe ein Kangal eine solche Aufgabe nicht, suche er sie sich. „Und wenn das dann ist, die Oma zu beschützen, dann kommt auch keiner mehr an die Oma heran.“ Das gibt natürlich Probleme im Familienleben. Gleichsam könne ein Kangal zwischen Arbeit und Freizeit unterscheiden. „Und wenn er frei hat, dann ist er sehr sozial und braucht Kontakt zum Menschen“, erklärt Annika Gehrmann.
Kangale im Tierheim
Weil Kangal-Hunde so anspruchsvoll sind, ist auch die Vermittlung für die Gelsenkirchener Tierschützer nicht ganz einfach. Dabei nehmen sie auch große Distanzen in Kauf.Wer Interesse hat an einem Kangal, der solle sich zunächst telefonisch melden unter 0209/722 41. Stellt sich der Bewerber als grundsätzlich geeignet heraus, wird ein Besuchstermin verabredet, an welchem die Kangale betrachtet werden können. In mehreren weiteren Termin wird im besten Fall zu einem Hund ein gutes Verhältnis aufgebaut. Danach fahren die Tierschützer raus und schauen sich den künftigen Lebensraum des Hundes an, geben eventuell Ratschläge, wo es eines höheren Zaunes bedarf.Wenn bis hierhin die Zeichen auf Vermittlung stehen, muss der künftige Halter, wenn nicht vorhanden, einen kleinen Sachkundenachweis erbringen. Das trifft jedoch auf alle Hunde zu, die schwerer als 20 Kilo oder größer als 40 Zentimeter sind.
Während Gümes den überraschenden Freilauf genießt und Freude hat an ihrem Besuch, bleiben die anderen in ihren Zwingern. Manche, weil es schlicht zu gefährlich wäre, sie mit Fremden in Kontakt kommen zu lassen. Andere, weil ihr Status noch nicht geklärt ist, sie von den Ordnungsbehörden ins Tierheim gebracht wurden.
Kangal: Noch immer gibt es illegale Hundekämpfe
Mit dabei sind zwei Rüden, deren Anblick einem das Herz bluten lässt: 80 Kilo-Hunde, groß wie ein Kalb und sanft wie ein Lamm. Sie drängen sich ans Gitter, wären dankbar für etwas Zuwendung und wirken auf manch einen doch etwas sonderbar. Denn sie haben keine Ohren. Die Tierschützer wissen warum: „Wir hören immer wieder, dass es auch in NRW noch illegale Hundekämpfe gibt. Den Tieren, die dort eingesetzt werden sollen, schneiden die Halten der Ohren ab, weil die am schlimmsten bluten. Das sind ganz furchtbare Verletzungen“, erklärt Heike Reddig.
An solch tierquälerischer Haltung liege es auch, dass die Rüden so friedlich seien im Umgang mit Menschen. „Denn die Halter trennen ja mitunter ihre kämpfenden Hunde. Die müssen dazwischen gehen können, ohne dass die Tiere sie angreifen.“
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Jetzt würde man denken, umso mehr haben die Rüden ein schönes Zuhause verdient. Nur sei das noch schwieriger zu finden, weiß die Hundetrainerin. „Solch einen Hund kann man so schon kaum an der Leine führen. Wenn er aber durch diese Erfahrungen aggressiv ist gegen andere Hunde, ist es nahezu unmöglich.“ Die Ausführer im Tierheim etwa gingen immer zu zweit und mit zwei Leinen mit einem Kangal spazieren. „Und wie die sich genau verhalten, das merken wir hier ja auch erst nach einigen Wochen“, ergänzt Annika Gehrmann.
Gümes wartet auf ein schönes Heim
Gümes hingegen könne sogleich vermittelt werden. Die Hündin ist rund neun Jahre alt. „Und sie hat noch zwei, drei schöne Jahre, wenn alles gut läuft“, so Gehrmann. Gleichsam warnt sie: „Die künftigen Halter brauchen das entsprechende Grundstück, Hundeerfahrung und einen ausreichend gefüllten Geldbeutel.“ Denn zu den Futterkosten, die sich aus der Futtermenge von rund einem Kilo pro Tag ergeben, kommen bei Gümes Kosten für ein Spezialfutter für ihre Gelenke und dauerhafte Schmerzmittelmedikation. Der Körperbau der Riesen-Hunde nämlich bringt auch so seine Probleme mit sich.
Insgesamt aber sei Gümes ein „Traumhund“, der es wirklich verdient hat, seinen Lebensabend in einem schönen Zuhause zu verbringen.