Essen/Gelsenkirchen. Es geht um Steuerhinterziehung in Millionenhöhe: In Essen hat jetzt der Prozess gegen einen Gelsenkirchener begonnen. Das wird ihm vorgeworfen.
„Bande“, „Profitgier“, „Betrug“: Es waren starke Worte, die der Oberstaatsanwalt bei der Verlesung der Anklageschrift benutzte. Am Mittwoch hat vor dem Essener Landgericht der Prozess gegen einen 57-jährigen Geschäftsmann aus Gelsenkirchen begonnen, dem Steuerhinterziehung in Millionenhöhe vorgeworfen wird.
Der 57-Jährige steht gemeinsam mit drei weiteren Angeklagten – einem Mann (49) und zwei Frauen (62, 58) vor Gericht, die Mitarbeiterinnen beziehungsweise Mitarbeiter in seinen verschiedenen Unternehmen und Gesellschaften waren. Insgesamt, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, sollen sie im Zeitraum von 2012 bis 2019 systematisch Steuern hinterzogen und schwarze Kassen geführt haben, dabei geht es um Summen im mittleren einstelligen Millionenbereich. Der 57-Jährige sitzt seit Februar dieses Jahres in Untersuchungshaft.
Das wirft die Staatsanwaltschaft dem Gelsenkirchener vor
Die Verlesung der Anklageschrift dauerte knapp zwei Stunden – und verschlug dem Oberstaatsanwalt buchstäblich die Sprache. Minuziös war in dem Dokument für jeden Monat des Zeitraums von 2012 bis 2019 aufgeführt, wie viel Geld eingenommen wurde, wie viel davon hätte versteuert werden müssen und wie viel hinterzogen worden sein soll – über weite Strecken bekamen die Zuschauer in Saal 101 des Essener Landgerichts scheinbar endlose Zahlenkolonnen zu hören. „Das geht ganz schön auf die Stimme, das hätte ich nicht gedacht“, klagte der Oberstaatsanwalt nach über einer Stunde. Der Vorsitzende Richter Roland Wissel hatte ein Einsehen und erlaubte ihm, eine Kollegin herbeizurufen, die die Verlesung der Anklageschrift für ihn übernahm.
In der Anklage wurde beschrieben, wie der 57-Jährige die Steuern hinterzogen haben soll. Der Geschäftsmann war Geschäftsführer gleich mehrerer Firmen, die an mehreren Standorten Geldspielautomaten betrieben, im Prozess ging es vor allem um die Standorte Barsinghausen (Niedersachsen), Voerde (NRW) sowie Gelsenkirchen-Bismarck. Die Geldspielautomaten sollen von dem Geschäftsmann und seinen Mitangeklagten so manipuliert worden sein, dass nicht sämtliche Gewinne auch dem Finanzamt gemeldet wurden – der mitangeklagte 49-Jährige soll über entsprechende Computerkenntnisse verfügt haben, um die Geräte zu manipulieren.
Am kommenden Prozesstag will sich der Angeklagte äußern
Das nichtdeklarierte Bargeld, so die Staatsanwaltschaft, soll zunächst in den jeweiligen Spielhallen zwischengelagert worden sein. Regelmäßig habe es dann Kurierfahrten zwischen den Standorten und Gelsenkirchen gegeben, um das Geld zu dem 57-Jährigen zu bringen. Dabei seien die Bezeichnungen „Kriegskasse“ oder „schwarze Kasse“ verwendet worden.
Die Beträge seien von Monat zu Monat größer geworden, führte der Oberstaatsanwalt aus: „Die Profitgier des Angeklagten steigerte sich zunehmend“, sagte er. In der Anklageschrift heißt es, der Gelsenkirchener sei Mitglied einer „Bande“ gewesen, deren Zweck es gewesen sei, Geld am Staat vorbei in die eigenen Kassen zu spülen.
Der 57-Jährige, der von drei Anwälten – darunter auch der Gelsenkirchener Malte Stuckmann – verteidigt wird, bekam am ersten Verhandlungstag keine Gelegenheit, sich zu äußern, er bestätigte lediglich die Angaben zu seiner Person. Ansonsten stand der ganze Prozesstag im Zeichen der Verlesung der Anklageschrift. Weiter geht es am kommenden Mittwoch, 6. Oktober – für diesen Tag hat das Verteidigerteam des 57-Jährigen eine umfassende Stellungnahme zu den Vorwürfen angekündigt.
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