Gelsenkirchen-Horst. Ein Gelsenkirchener Ehepaar kämpft gegen Schrotthäuser und dubiose Geschäftemacher. Es investiert selbst in Zukunft, schlägt dicke Gewinne aus.


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Gut eine Million Euro als Gebot sind ein verlockend starkes Argument. Hätten Silke und Josef Gega den Offerten dubioser Geschäftemacher nicht widerstanden, so wäre die Geschichte der Schrottimmobilien in ihrem Quartier um einige Kapitel länger geworden. Sie hatten aber genug von Lärm, Müll und anderen Begleiterscheinungen, verursacht durch Bewohner, die häufig weit abseits gesellschaftlicher Regeln und Normen stehen, aber „dafür häufig gut von staatlicher Unterstützung leben“.

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Das Gelsenkirchener Paar kaufte kurzerhand Grundstücke und Häuser selbst, ersetzt schon bald die maroden und arg schiefen Altbauten durch „neue altersgerechte und bezahlbare Wohnungen“.

An den alten Häusern an der Grabbestraße in Gelsenkirchen wurde lange nichts getan. Die Schrotthäuser zogen eine Klientel an, die das Zusammenleben mit der Anwohnerschaft in Schieflage brachte.
An den alten Häusern an der Grabbestraße in Gelsenkirchen wurde lange nichts getan. Die Schrotthäuser zogen eine Klientel an, die das Zusammenleben mit der Anwohnerschaft in Schieflage brachte. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

„Wir lassen uns nicht vertreiben“, sagt das Ehepaar. Vor allem Silke Gega ist in Horst tief verwurzelt. „Ich bin hier geboren, ich bin hier aufgewachsen und hier will auch bleiben“, sagt die 52-Jährige. Auch ihr Mann Josef (69) fühlt sich in Gelsenkirchen heimisch. Zwei Töchter hat das Paar, eine leibliche und eine adoptierte, die Eltern engagieren sich stark sozial, etwa für die Horster Wohngruppe. Die Kinder und Jugendlichen dort haben zum Teil manifeste seelische Behinderungen.

Aus ihrem sozialen Engagement lassen sich auch Wunsch und Wille ableiten, dem Verfall ihres Viertels entgegenzutreten, in Zukunft ihrer und anderer Kinder zu investieren, statt das Geld aus dem Verkauf des Familienunternehmens „auf den Kopf zu hauen“. Gegas nannten ein gut gehendes Ingenieurbüro mit 40 Mitarbeitern ihr Eigen. Sie kauften die Häuser Grabbestraße 37 und 39 von einer „großen Wohnungsgesellschaft, der es ziemlich egal war, was mit den Häusern und deren Mietern geschieht und wie die Menschen darin hausen“. Zwei Bauten, die so schief sind, dass „man darin nicht mal gerade stehen kann.“

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Silke und Josef kamen so „dubiosen Geschäftemachern“ zuvor, die die Armutszuwanderung aus EU-Oststaaten wie Rumänien und Bulgarien „als lukrative Geldquelle“ entdeckt haben. Diese Kriminellen locken mit der Aussicht auf Arbeit und Wohnen Menschen aus ohnehin prekären Verhältnissen an. Nicht selten sind es Scheinjobs. Und nicht selten wird doppelt abkassiert von solchen Mietern. Sie werden trotz staatlicher Hilfe wie dem Aufkommen für die Miete von Immobilienhaien ein zweites Mal zur Kasse gebeten für ihr neues Zuhause. Sozialbetrug – Stichwort Kindergeld – spielt auch häufig eine Rolle.

Diese drei alten und maroden Häuser (Vordergrund) an der Grabbestraße in Gelsenkirchen-Horst sind bald Geschichte. Ersetzt werden sie durch zwei baugleiche Wohnkomplexe mit je 20 Einheiten.
Diese drei alten und maroden Häuser (Vordergrund) an der Grabbestraße in Gelsenkirchen-Horst sind bald Geschichte. Ersetzt werden sie durch zwei baugleiche Wohnkomplexe mit je 20 Einheiten. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

„Diese Geschäftemacher sind schneller als ein Computer, wissen über Häuser am Markt bestens Bescheid“, berichten die Eheleute. „Kaum dass wir die Häuser gekauft hatten, standen diese Kaufinteressenten etliche Male abends an der Haustür. Die haben uns dicke Geldbündel unter die Nase gehalten – als Anzahlung für die Häuser. Der Preis spielte dabei keine Rolle“, berichten Silke und Josef Gega. Die Eheleute hätten so insgesamt mehr „als eine Million Euro machen können“, weit mehr als der eigentliche Kaufpreis. Mit ihnen war das nicht zu machen.

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Kritische Worte finden Gegas mit Blick auf frühere Eigentümer der Schrotthäuser wie etwa Treuhand, Wohnstätten und Annington, aber auch für Stadt, Bund und EU. Wohnungsgesellschaften und (ihre) Hausverwaltungen säßen ihren Erfahrungen nach oft zu weit weg, ihnen gehe es in erster Linie darum, „die Wohnungen voll zu kriegen, damit Geld und Provision fließen“. Alles andere sei Nebensache. Der Blick nach nebenan lässt ahnen, dass an den beiden Häusern über Jahrzehnte kaum etwas gemacht worden ist. Deshalb wird sich das Paar seine neuen Mieter persönlich aussuchen.

Von der Stadt wünschen sich die Eheleute mehr und stärkere Kontrollen, vom Bund und auch der EU Gesetze, die solche Entwicklungen unterbinden. Silke und Josef Gega sagen: „Solange wir nicht darauf aufpassen, wer unsere leeren oder heruntergekommenen Häuser kauft, werden sich diese Art von Menschen mehr und mehr durch unsere Stadtteile fressen und ehemals ,gute’ Gegenden verkommen lassen. Und eines ist leider nun mal Fakt: Wenn man diese Klientel als Nachbarn hat und Wohnungen frei werden, kommen immer die gleichen Menschen nach und so verkommt eine um die andere ehemals gute Wohngegend.“

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Familie Gegas Pläne gehen daher noch weiter. Ihr Blick richtet sich auf schlagzeilenträchtige Immobilie an der Markenstraße. „Wenn das Haus verkauft wird, stehen wir bereit eine weitere Schrottimmobilie abzureißen und neuen Wohnraum zu schaffen.“ Damit der soziale Frieden wieder etwas mehr ins Gleichgewicht gerückt wird.