Mülheim/Essen/Düsseldorf. Ein in Mülheim gestohlener Mercedes 230 SL, auch bekannt als Pagode, bleibt verschwunden. In Essen hat die Polizei drei Fälle klären können.
Von einem Ende des vergangenen Jahres in Mülheim-Selbeck gestohlenen Mercedes 230 SL aus dem Jahr 1965 fehlt weiter jede Spur. Unbekannte hatten den Oldtimer in der Zeit zwischen dem 8. Dezember und dem 31. Dezember - der Besitzer hatte länger nicht nach dem Wagen gesehen - aus einer Doppelgarage in einem Hinterhof geholt. Dabei müssen sie den Funk-Schließmechanismus des Tors manipuliert haben, glaubt die Polizei. Aufbruchspuren habe es nicht gegeben. Zum Jahresbeginn meldet der Eigentümer den Diebstahl, am 6. Januar macht die Polizei die Tat öffentlich und stellt ein Foto des Faltdach-Cabriolets dazu, der auch als Pagode bekannt ist.
„Die Täter haben den Wagen entweder kurz geschlossen und sind dann davon gefahren oder sie haben ihn aus der Garage geschoben und auf einen Hänger geladen“, sagt der Essener Polizeisprecher Matthias Werk. Der Eigentümer sei weiter im Besitz des Originalschlüssels. Die Flucht führte die Täter möglicherweise über die nahe A52. Die polizeilichen Maßnahmen seien inzwischen abgeschlossen, die Fahndung nach dem Faltdach-Mercedes mit dem Kennzeichen „MH BB 113H“, das laut Polizei über eine seltene, hellbraune Lederinnenausstattung verfügt, dauert aber an. Offen bleibt, welchen Wert der Oldtimer hatte. Auf dem Gebrauchtwagenmarkt werden Preise für ähnliche Modelle im höheren fünfstelligen Euro-Bereich aufgerufen, je nach Motorisierung und Zustand aber auch die 100.000er-Marke geknackt.
Polizei Düsseldorf richtet Ermittlungskommission „Vaals“ ein
Der historische Mercedes ist nicht nur bei Oldtimer-Fans beliebt, sondern auch bei Autodieben. Im vergangenen Jahr gelang es der Ermittlungskommission (EK) „Vaals“ der Düsseldorfer Polizei, einer Gruppierung aus Belgien und den Niederlanden das Handwerk zu legen, die für ihre Taten eigens nach NRW angereist sein sollen. 57 versuchte und vollendete Diebstähle von Fahrzeugen, darunter auch Motorräder, legen die Ermittler den Verdächtigen zur Last. Allein 20 Taten sollen in Düsseldorf passiert sein. Ins Leben gerufen wurde die EK nach einer ganzen Serie von Oldtimer-Diebstählen mit Schwerpunkt im Rheinland. Spezialisiert hatte sich die Gruppierung auf alte Porsche und vor allem auf Mercedes des Typs Pagode. Als die Polizei die Truppe im Sommer hochnahm, fanden die Beamten auch eine Panzerfaust. Die Ermittler gehen von einem Beuteschaden in Höhe von dreieinhalb Millionen Euro aus.
Zu den 57 Taten zählen auch drei Vorfälle, die in Essen für teils großes Aufsehen gesorgt hatten: der Diebstahl eines Porsche 911 SC, Baujahr 1989, an der Wickenburgstraße im November 2020. Und zwei weitere Taten in Bredeney: der Diebstahl eines Mercedes 280 SL im August 2020 und eines 300 SL im September 2020. Alle Fahrzeuge verschwanden jeweils aus einer Tiefgarage. Der Halter des Porsche setzte nach dem Diebstahl sogar eine Belohnung aus.
Besitzer eines Mercedes 280 SL hatte Glück im Unglück
Der Besitzer des 300 SL hat seinen Wagen zurück erhalten. Er hatte sein Fahrzeug über eine Tracking-App orten können. In den Niederlanden fand die Polizei den Wagen. Glück im Unglück hatte auch der Besitzer eines Mercedes 280 SL, Baujahr 1970, der in Düsseldorf gestohlen worden war. Der Dieb wurde auf der Flucht noch in der Landeshauptstadt geblitzt, so kam die Polizei auf seine Spur.
Den Porsche und den Mercedes 280 SL aus Essen haben die Täter aber wohl ausgeschlachtet und in Einzelteilen verkauft. Es war ihr „Geschäftsmodell“. „Das ist ein großer Markt, weil es keine Original-Ersatzteile mehr gibt“, sagt Raimund Dockter, Sprecher der Düsseldorfer Polizei. Der Verkauf der Einzelteile sei „lukrativer“, als die Wagen komplett zu veräußern: „Da bezahlen Liebhaber viel Geld für.“ Außerdem sei das Risiko aufzufliegen, für die Gruppierung viel geringer gewesen als bei einem Komplettverkauf der mitunter seltenen Schätzchen. Als die „EK Vaals“ vergangenes Jahr ausrückte, konnten die Beamten noch 14 Oldtimer sicher stellen. Zehn hatten die Täter bereits zerlegt. Dockter und seine Kollegen glauben, dass das auch mit übrigen Fahrzeugen noch hätte geschehen sollen.
Staatsanwaltschaft: gewerbs- und bandenmäßiger Diebstahl
Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln gegen insgesamt 20 Verdächtige, die sich auf drei untereinander kooperierende Banden verteilt hätten. Bei der Razzia im Sommer waren auch fünf Haftbefehle vollstreckt worden. Die Verdächtigen, damals 21 bis 30 alt, seien inzwischen gegen Auflagen wieder auf freiem Fuß, sagt Julius Sterzel, Sprecher der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft. Die Ermittlungen dauern weiter an. Ein Ende sei derzeit nicht absehbar, heißt es. Es geht um den Vorwurf des gewerbs- und bandenmäßiges Diebstahls. Sollte es einen Prozess geben, soll der den Tätern in Deutschland gemacht werden.
Konkrete Hinweise auf den Verbleib des gestohlenenen Mercedes aus Mülheim habe es bislang nicht gegeben, sagt Essens Polizeisprecher Werk. Der Besitzer hat den Ermittlungsbehörden allerdings auch nur ein Foto des Oldtimers zukommen lassen. Es zeigt die Heckansicht. Das Charakteristische und die Schönheit, die den Wagen bei Liebhabern und Dieben so begehrt machen, lassen sich da nur erahnen.