Essen. Hier eine “Ausbesserung“ in der Biografie des Ministers, dort eine kleine “Richtigstellung“. Auch Mitarbeiter von Bundesministerien verändern Einträge bei Wikipedia. Der Twitter-Account Bundesedit will das jetzt überwachen. Bisher wurde aber lediglich ein “Rechtschreibgate“ beobachtet.

Wer Wikipedia kontrolliert, der kann bestimmen, was Millionen Menschen in Deutschland als Wahrheit empfinden. Das kostenlose Online-Lexikon hat über 1,7 Millionen Einträge in deutscher Sprache. Und wer sich über Thomas Müller, Frankreich oder Weißzahnspitzmäuse informieren will, steuert wahrscheinlich zuerst Wikipedia an.

Allerdings kann jeder Internet-Nutzer auf Wikipedia zugreifen und die Lexikoneinträge umschreiben. Wer die Änderungen vorgenommen hat, können normale User kaum nachvollziehen. Doch Bundesedit soll nun etwas mehr Transparenz schaffen. Per Twitter wollen die Gründer das Treiben von Bundestagsmitarbeitern und Ministerien öffentlich machen.

Gefüttert wird der Bundesedit-Account von den Frankfurter Software-Entwicklern Codemonauts. „Sonst guckt immer der Staat den Bürgern auf die Finger. Jetzt schauen wir mal hin“, erklärt Gründer Thomas Schulze. Der 38-Jährige hat ein Programm geschrieben, das immer dann einen Tweet absetzt, wenn aus dem Netz des Bundestags oder eines Bundesministeriums ein Wikipedia-Eintrag verändert wird. Möglich ist das, weil jede einzelne Änderung veröffentlicht, die Nutzer an Artikeln vornehmen. Über die mitgelieferten IP-Adressen können Experten dann feststellen, von wo aus der Artikel bearbeitet wurde.

Rechtschreibgate im Verteidigungsministerium

Politische Skandale konnte Bundesedit in den ersten Wochen seit seiner Gründung Woche nicht aufdecken. Bearbeitet wurden eher harmlose Einträge wie „Liste der Naturschutzgebiete im Alb-Donau-Kreis“ oder „Liste von Pferderassen“ - viele der Änderungen hat ein und derselbe Nutzer vorgenommen. „Da haben wir anscheinend ein Rechtsschreibgate aufgedeckt“, scherzt Schulze. Ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums scheine wohl dutzende Artikel auf Rechtschreibfehler zu prüfen.

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„Dass sich jetzt Leute aufregen, weil wir nach einer Woche noch keinen Skandal aufgedeckt haben, kann ich nicht verstehen“, sagt Schulze. Es gehe ihm ohnehin nicht darum, einzelne Mitarbeiter zu erwischen. Schulze will Transparenz schaffen und aufzeigen, was der Staat bei Wikipedia treibt. Demnächst will er auch die Landtage kontrollieren.

Landtage werden bald auch kontrolliert

Denn schon bald soll auch Landesedit bei Twitter aktiv werden. Ein Computerprogramm wird dann auch die Ministerien der Bundesländer im Blick behalten. Und um die Europäische Union wird sich Euroedit kümmern. Ein "Edit-Imperium" will Schulze aber nicht aufbauen: „Bei diesen drei Twitter-Accounts soll es erst mal bleiben.“ Außerdem bleibt die leise Hoffnung, doch noch einen Skandal aufzudecken.

„Die Experten von Transparency International haben uns gesagt, dass vor allem im Vorfeld von Wahlen manipuliert wird“, erklärt Schulze. Und wenn es erst mal ein bisschen ruhiger um Bundesedit wird, dürften auch die Ministerien wieder etwas unvorsichtiger werden.

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