Hattingen/Köln. . In der bundesweiten Abmahnwelle bei Nutzern des Porno-Portals Redtube rudert das Kölner Landgericht offenbar zurück. In einem Schreiben deuten die Richter jetzt an, ihre umstrittene Herausgabe von Nutzerdaten an eine Abmahn-Kanzlei sei wohl unrechtmäßig gewesen - deren Forderungen damit wohl auch.

Ein jetzt aufgetauchtes Schreiben des Landgerichts Köln macht Opfern der Abmahnwalle um das Pornoportal RedTube Hoffnung. Die Herausgabe von Daten mutmaßlicher Porno-Konsumenten hat Tausende Internetnutzer in ihren Grundrechten verletzt. Die Herausgabe der Daten durch das Landgericht Köln sei nach den jüngsten Erkenntnissen der Richter wohl unrechtmäßig geschehen. Was das für die Abgemahnten bedeutet, erklärt der Hattinger Rechtsanwalt Gerald Meiser.

Meiser kann sich eine gewisse Schadenfreude nicht verkneifen. „Das Landgericht hat den Abmahnfabriken das jetzt um die Ohren geknallt“. Meiser vertritt einen von Tausenden Internetnutzern, die im vergangenen Dezember von der Kanzlei Urmann und Collegen (U+C) in Regensburg im Auftrag der Schweizer Firma The Archive AG abgemahnt wurden, weil sie angeblich illegal urheberrechtlich geschützte Filme beim Porno-Portal Redtube angeschaut hatten.

Und das, was das Gericht den Abmahnern „um die Ohren geknallt“ hat, ist ein schlichtes Schreiben, das es in sich hat. Das Schriftstück dürfte für The Archive AG, U+C und vor allem für den Berliner Juristen Daniel Sebastian einen deutlichen Schuss vor den Bug bedeuten. Sebastian hatte beim Landgericht Köln die Herausgabe der persönlichen Daten zahlreicher Internetnutzer beantragt – und erhalten.

Gutachten für Software, die es noch gar nicht gab?

An ihn ist das aktuelle Schreiben laut Meiser adressiert, eine Kopie liegt der Redaktion vor. Das Landgericht Köln sieht sich „nach nochmaliger Prüfung“ zu „folgenden Hinweisen“ veranlasst, wie es heißt. So sei das „Vorliegen einer 'offensichtlichen Rechtsverletzung’“ – so stand es im Antrag zur Herausgabe der Daten – „weder hinreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht“.

Auch die Ermittlung der IP-Adressen sei nicht glaubhaft dargelegt worden, heißt es weiter. Seinerzeit hatte die Kanzlei Diehl & Partner ein Gutachten erstellt, in dem sie der Software Gladii eine ordnungsgemäße Funktionsfähigkeit bescheinigt. Mithilfe dieser Software soll die Ermittlerfirma itGuards an die IP-Adressen gekommen sein. Auffällig: Die Tests der Gutachter haben im Dezember 2012 stattgefunden, wie aus dem jetzt veröffentlichten Gutachten hervorgeht. itGuards allerdings ist offenbar erst im März 2013 gegründet worden.

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Der von Diehl & Partner beauftragte Gutachter will festgestellt haben, dass Gladii Downloads aufgezeichnet hat, die er selbst testweise von seinem Rechner aus getätigt hat. Das Landgericht Köln schreibt dazu sinngemäß: Es sei nicht erkennbar ob mithilfe des Programms auch Downloads von anderen Rechnern zuverlässig erfasst würden. Zudem könne nicht beurteilt werden, ob es sich beim Ansehen der Filme überhaupt um eine „Speicherung auf der Festplatte“ im Sinne eines Downloads handele – oder um reines Streaming; ein Vorgang, den das Landgericht in seinem Schreiben als keinen relevanten rechtswidrigen Verstoß wertet.

„Betroffene sollten das Geld von U+C zurückfordern“

Und schließlich könne das Gericht nicht nachvollziehen, wie das Ermittlungsprogramm in der Lage gewesen sein soll, IP-Adressen von Internetnutzern zu erfassen, die ja nur mit den Servern kommuniziert haben, auf denen die jeweiligen Werke hinterlegt waren. Es stelle sich also die Frage, „wie das Programm in diese zweiseitige Verbindung eindringen“ konnte.

„Damit spricht das Gericht erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Antrags aus“, erklärt Meiser. Besonders interessant wird es im letzten Abschnitt des Schreibens, in dem es heißt: Die Kammer neige „im Hinblick auf die bereits erfolgte Auskunftserteilung dazu, Beschwerden gegen den Gestattungsbeschluss grundsätzlich abzuhelfen“. Heißt im Klartext: Der Beschwerden von Meisers Mandanten wird wohl grundsätzlich stattgegeben. Denn: „Der angegriffene Beschluss [hat] weitere beteiligte Anschlussinhaber in ihren Rechten verletzt.“

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Meiser geht angesichts dieses Schreibens fest davon aus, dass das Landgericht Köln den einstigen Beschluss zur Herausgabe der Daten aufhebt. „Damit wäre die Herausgabe von Daten durch den Provider unseres Mandanten rechtswidrig. Und die Abmahnung letztlich auch“, erklärt er. Das dürfte dann eine „Streuwirkung“ haben, wie er sagt: Auch andere Betroffene können sich dann auf den aufhebenden Beschluss berufen. „Da kommt dann vielleicht auch noch was auf Urmann und Collegen zu. Denn diejenigen, die bereits bezahlt haben, sollten sich nun vielleicht doch Rechtsbeistand suchen und das Geld zurückfordern.“