Karlsruhe. Die strenge deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt auch für europäische Versandapotheken, die Medikamente an Kunden in Deutschland schicken. Das hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes am Mittwoch in Karlsruhe entschieden. Bundessozialgericht und Bundesgerichtshof waren zuvor unterschiedlicher Meinung.

Auch Versandapotheken aus dem EU-Ausland müssen sich an die deutsche
Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente halten. Das entschied am Mittwoch
der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes in Karlsruhe
(Aktenzeichen GmS-OGB 1/10). In dem Streit hatte ein deutscher Apotheker 2010
gegen die Versandapotheke Europa Apotheek aus dem niederländischen Venlo
geklagt, die dem US-Arzneimittel-Logistiker Medco gehört. Sie hatte ihren Kunden
in Deutschland bis zu drei Prozent Rabatt auf den Warenwert der Medikamente
geboten, die entweder von der Rechnung abgezogen oder mit dem nächsten Einkauf
verrechnet werden konnten.

Der Gemeinsame Senat befasste sich mit dem Fall, weil der
Bundesgerichtshof (BGH) und das Bundessozialgericht unterschiedlicher Auffassung
waren. Das Bundessozialgericht hatte 2008 entschieden, dass das
Arzneimittel-Preisrecht nicht für Versandapotheken im Ausland gilt. Der
Wettbewerbssenat des BGH sah das anders und hatte deshalb den Gemeinsamen Senat
angerufen. Das 1968 gegründete Gremium der obersten Gerichtshöfe soll immer dann
vermitteln, wenn sich die höchsten deutschen Gerichte uneinig sind. Es besteht
aus den Präsidenten von Bundesgerichtshof, Bundessozialgericht,
Bundesarbeitsgericht, Bundesfinanzhof und Bundesverwaltungsgericht sowie aus je
zwei Richtern der beteiligten Senate.

Klagende Apotheke hofft nun auf Europäischen Gerichtshof

Das Gremium entschied nun, dass die Vorschriften des deutschen
Arzneimittelgesetzes ausreichen, um Versandapotheken aus der EU, die
rezeptpflichtige Präparate an deutsche Kunden liefern, auf die hier zu Lande
geltende Preisbindung zu verpflichten. Rabatte wie von der niederländischen
Versandapotheke sind somit mit dem deutschen Arzneimittel-Preisrecht nicht
vereinbar. Die Europa Apotheek Venlo kritisierte die Entscheidung. Sie gehe zu
Lasten der chronisch kranken Patienten, erklärte Klaus Gritschneder von der
Geschäftsleitung des Unternehmens. "Sie müssen bei der Arzneimittelversorgung
immer stärker draufzahlen und haben jetzt die letzte Möglichkeit verloren, beim
Bezug von für sie lebensnotwendigen Arzneimitteln zu sparen." Der Zwang zur
Preisbindung stehe im Konflikt mit dem EU-Recht auf freien Warenverkehr. Der
Europäische Gerichtshof müsse den Fall nun prüfen. (rtr/dapd)