Essen. Ist das ein in ehrlicher Absicht verfasster Kommentar oder nur verdeckte Werbung, die ein Unternehmen in Auftrag gegeben hat? Manipulierte Onlinebeiträge tauchen immer wieder im Netz auf. Erst im vergangenen Monat hat die Initiative Lobby Control die Deutsche Bahn beim Schwindeln erwischt.

Als es in Sachen Privatisierung nicht so recht voran ging, half die Deutsche Bahn im Jahr 2007 massiv nach, um die Stimmung doch noch zu drehen. Dabei war sie in der Wahl ihrer Mittel nicht zimperlich: erfundene Leserbriefe, getürkte Beiträge in Internetforen und Blogs oder fingierte Internetseiten wie meinebahndeinebahn.de (die übrigens nicht mehr im Netz zu finden ist). Dumm nur, dass die Initiative Lobby Control den Schwindel aufdeckte und herausfand: Die Bahn gab im Jahr 2007 um die 1,3 Millionen Euro für verdeckte Werbemaßnahmen aus, um die Öffentlichkeit und Teile der Politik von der geplanten Bahn-Privatisierung zu überzeugen.

Die Deutsche Bahn wurde im Mai dieses Jahres von Lobby Control erwischt, viele andere hingegen werden es nicht. Auch wenn man die Anzahl der manipulierten Beiträge im Internet wissenschaftlich nicht korrekt einschätzen könne, sei das Thema gigantisch, sagt Sascha Langner, Mitarbeiter des Instituts für Marketing und Management an der Universität Hannover, und Herausgeber des kostenlosen Online-Marketing-Magazins marke-X.de.

Eine Haltung aus dem vergangenen Jahrhundert

„Viele Firmen sind im vergangenen Jahrhundert stehen geblieben”, erklärt Langner. „Sie kapieren nicht, dass sie Teil der Internetgemeinschaft werden müssen, sondern versuchen einfach nur, die Nutzer zu beeinflussen.”

Seine These: Langfristig sind solche Manipulationsversuche meist nicht von Erfolg gekrönt. Das Internet habe schließlich Mechanismen zur Regulation entwickelt. Insbesondere bei populären Themen, in denen sich viele Nutzer gut auskennen, werden extrem beschönigende Kommentare gnadenlos auseinander genommen. „Den anonymen Schreibern gehen dann irgendwann einfach ihre Argumente aus”, so Langner. Bei weniger populären Themen hingehen stehen nicht so viele Menschen mit tiefergehendem Wissen als Korrektiv zur Verfügung.

Kurzfristig könnten diese verdeckte Einflussnahme hingegen erfolgreich sein - was unter anderem an der sogenannten Ein-Prozent-Regel liege. „Von 100 Internetnutzern schreibt einer einen Beitrag, zehn weitere reagieren auf diesen mit Kommentaren und die restlichen lesen diese Inhalte nur”, erklärt Langner. Weil die Bereitschaft, Inhalte zu liefern, so gering ist, genügt nur ein von einer Firma oder der von ihr beauftragten PR-Agentur manipulierter Beitrag, um eine Menge Menschen zu beeinflussen. Zumindest am Anfang sei dies ein „gigantischer Hebel”. Erst wenn nach und nach viele Inhalte zusammenkommen, verlieren die getürkten Texte wieder an Bedeutung.

Gefeit ist man vor solchen Methoden nie, aber es hilft schon enorm, mit einem „halbwegs wachen Sachverstand” im Netz unterwegs zu sein, weiß Thomas Lau, Community-Redakteur bei DerWesten, dem Internetportal der WAZ-Mediengruppe.

Als im vergangenen Jahr ein neuer Ruhrgebietsslogan wegen massiver Kritik überarbeitet wurde, hagelte es umgehend positive Kommentare auf DerWesten.de zur zweiten Version. Dies jedoch machte andere Nutzer wie auch die Westen-Redakteure stutzig. „Der typische Tonfall der Werbeleute in den Kommentaren war schon auffällig”, erinnert sich Thomas Lau. Letztendlich kam heraus, dass die betreffenden Beiträge an einem Rechner der Werbeagentur geschrieben wurde, die den neuen Slogan kreiert hatte.