Ein Silicon-Valley-Start-up umgeht Windows mit Hilfe einer fest installierten Linux-Oberfläche, um Rechner schneller starten zu lassen. So soll man in Sekunden online gehen können.
Die meisten Büroarbeiter kennen das morgendliche Ritual: Rechner anschalten und dann erst einmal Kaffee holen, sich mit Kollegen austauschen oder ein paar Berichte lesen, bis Windows hochgefahren ist. Wer nicht warten will, nutzt einen anderen Trick: Er lässt seine Maschine einfach über Nacht an, verbraucht damit allerdings auch unnötig viel Energie.
Ein kleines Stück Software
Device VM, ein Start-up aus dem Silicon Valley, hat nun ein Produkt entwickelt, das den besonders bei älteren Rechnern eine halbe Ewigkeit dauernden Boot-Prozess umgehen soll. Es handelt sich um ein kleines Stück Software, das sich direkt in reguläre PC-Umgebung integrieren lässt. Es gibt den Nutzern die Möglichkeit, entweder Windows zu booten, oder eine schnellere, weniger komplexe Oberfläche namens "Splashtop" auf den Schirm zu holen. Je nach Rechner und Einstellungen kann ein Nutzer die auf dem Open-Source-Betriebssystem Linux basierende Lösung in weniger als 20 Sekunden nutzen – und beispielsweise im Web surfen oder eine DVD anschauen. In einigen Fällen reichen bereits fünf Sekunden.
DeviceVM hat Partnerschaften mit verschiedenen Hardware-Herstellern geschlossen – zu den ersten gehört der Motherboard-Hersteller Asus. In den nächsten Monaten sollen sowohl Desktops als auch Laptops mit Splashtop auf den Markt kommen, sagt David Speiser, Direktor für Business Development bei dem Start-up.
Rechner mit Zusatzsoftware vollgestopft
Langwierige Boot-Prozesse hätten bei Windows-Maschinen mehrere Gründe, meint Ben Chong, Senior-Architekt bei DeviceVM. "Zunächst einmal ist das Betriebssystem ziemlich groß." Das bedeute, dass es viele Megabytes an Befehlen durchgehen müsse – vom Öffnen der Anwendungen bis zur Prüfung, was bereits im Speicher steckt. Hinzu kommt, dass die meisten Rechner mit Zusatzsoftware vollgestopft sind, die von Windows beim Start automatisch mitgeladen wird. "In vielen Fällen enthalten PCs diverse Dinge, die man gar nicht braucht", meint Chong. Und genau der Start dieser Software benötige um so mehr Zeit. (Microsoft konnte zum Thema bis zum Redaktionsschluss dieses Artikels keinen Kommentar abgeben.)
Drückt man den Startknopf eines Rechners, wird allerdings zunächst die grundlegende BIOS-Software geladen, die normalerweise in einem Flash-Speicher steckt. Das BIOS prüft die untersten Hardware-Treiber und bereitet das Laden des Betriebssystems vor. Splashtop hingegen steckt selbst im BIOS, startet also noch vor dem Betriebssystem. Der Nutzer sieht ein einfaches Interface mit einer Handvoll Optionen: Surfen mit Firefox, Medien abspielen mit einem eingebauten Media Player, Telefonieren mit Skype, Instant Messaging oder eben das tatsächliche Booten von Windows. Alle Anwendungen stecken in einem eigenen Flash-Speicher-Segment auf der Hauptplatine, so dass schnell auf sie zugegriffen werden kann – und zwar sogar dann, wenn die Festplatte ausfällt, sagt Speiser.
DeviceVM ist allerdings nicht das erste Unternehmen, das versucht, das Windows-Boot-Problem zu umgehen. Phoenix Technologies, ein Entwickler von BIOS-Software, die in zahlreichen Rechnern steckt, kündigte kürzlich eine Technik namens "HyperSpace" an, ein leichtgewichtiges Betriebssystem, das gleichzeitig mit Windows im Speicher stehen kann. (DeviceVM entwickelt ebenfalls eine solche Dual-Version von Splashtop.) HyperSpace soll in der zweiten Jahreshälfte 2008 in ersten Laptops verfügbar sein.
Auch bei Intel wird an Hard- und Software gearbeitet, die die Boot-Zeiten verkürzen kann. "Wir halten den aktuellen Zustand für verbesserungswürdig", meint Steve Grobman, Direktor der "Business Client Architecture Group" bei dem Chipkonzern. Intel verkauft so beispielsweise bereits eine Technik namens "Turbo Memory". Der Ansatz soll Windows-Boot-Prozesse beschleunigen, in dem Daten in einem Flash-Speicher zwischengepuffert werden anstatt auf der langsameren Festplatte. So wird auch weniger Energie verbraucht – bei mobilen Geräten ein wichtiges Thema. Turbo Memory arbeitet zusammen mit Microsofts Vista-Betriebssystem und den darin enthaltenen Komponenten "ReadyDrive" und "ReadyBoost".
Grobman erinnert Splashtop unterdessen an leichtgewichtige Betriebssysteme, wie sie in einigen Mobilgeräten stecken, bei denen man nur auf wenige Anwendungen gleichzeitig zugreifen kann: "Ich denke, die Fähigkeiten der Software entsprechen diesem Konzept." Splashtop sei durch die Unterstützung von Laptops und Desktops aber an ein größeres Publikum gerichtet. "Das ist eine positive Entwicklung, die den PC unter Umständen leichter bedienbar machen wird."