Essen. Der Essener Sicherheitsdienstleister Kötter hat seine Leitstelle aufgerüstet. Hier gehen jährlich 28 Millionen Meldungen ein.

Drei Gestalten dringen auf die Baustelle ein und machen sich an einem Bagger zu schaffen. Der Alarm geht sofort in der Notruf- und Leitstelle des Essener Sicherheitsdienstleisters Kötter ein. Über ein Mikrofon nimmt ein Mitarbeiter Kontakt zu den mutmaßlichen Einbrechern auf. Sie suchen das Weite. Doch der beweglichen Überwachungskamera gelingt es, das Kennzeichen am Fluchtauto heranzuzoomen. Mit der Information kann die Polizei nach den Unbekannten fahnden.

Nicht alle der mehr als 28 Millionen Meldungen, die jährlich in der Kötter-Zentrale eingehen, sind so spektakulär wie dieser nächtliche Fern-Einsatz auf der Baustelle. „95 Prozent aller Meldungen werden automatisch vom System bearbeitet“, sagt Andreas Winterott, der die Notruf- und Serviceleitstelle (NSL) in Essen leitet. Rund 25 500 Objekte in ganz Deutschland sind hier aufgeschaltet – von großen Produktionsanlagen bis zur Etagenwohnung. Gerade erst hat Kötter vier Millionen Euro in die NSL investiert. „Die florierende Konjunktur beschert auch Kriminellen gute Geschäfte“, meint Friedrich P. Kötter, Mitinhaber des Familienunternehmens. „Der Schaden für die deutsche Wirtschaft durch Spionage, Sabotage, Cyberangriffe und andere Aktivitäten wird auf mindestens 55 Milliarden Euro jährlich geschätzt. Tendenz steigend.“ Dabei stehe der Mittelstand besonders im Fokus.

Um die hohen per DIN-Norm geregelten Anforderungen zu erfüllen, musste Kötter seine Leitstelle erst einmal selbst gegen mögliche Angriffe von außen schützen. „Mit mehrfach gesicherter Energieversorgung, zusätzlichem Notstromdiesel sowie Rückfallebenen bei der Klimatechnik gegen Überhitzung der Serverräume übertreffen wir die Anforderungen der neuen europäischen Leitstellen-Norm genauso wie durch das Back-up beim Alarmempfang und speziellen baulichen Schutz“, sagt Andreas Kaus, Geschäftsführender Direktor des zu Kötter gehörenden Westdeutschen Wach- und Schutzdienstes Fritz Kötter. Nach seinen Worten kann die hermetisch abgesicherte Leitstelle im Krisenfall mit Trafos und Dieselaggregaten zehn Tage lang autark überleben. „Wir mussten uns gemäß Norm baulich gegen ein mögliches Jahrhundert-Hochwasser schützen“, so Kaus. Die NSL ist an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr besetzt. Die zwölf Arbeitsplätze sind im Drei-Schicht-Betrieb besetzt.

Abgeschirmtes Intranet

Um sich gegen Hacker zu schützen, laufen Informationen aus den bundesweit verteilten Brand- und Bewegungsmeldeanlagen über ein abgeschirmtes Intranet bei Kötter ein. „Immer mehr Kunden wollen sich vor der Cyberkriminalität schützen und fragen nach einem autarken, gegen Hackerangriffe abgeschirmten Netzwerk, wie wir es bieten“, erklärt NSL-Leiter Winterott.

Denn mit der zunehmenden Vernetzung wächst auch die Verwundbarkeit des Systems. Smart-Home-Lösungen, die Heizungen, Jalousien und Überwachungskameras in einem Haus per Smartphone steuerbar machen und inzwischen von jedem Baumarkt und Energieversorger angeboten werden, stellen auch Kötter vor neue Herausforderungen. „Wir müssen Schnittstellen finden, damit sich Kunden mit ihren Smart-Home-Lösungen auf unsere Leitstelle aufschalten können“, sagt Winterott. Oftmals reiche es eben nicht aus, die Nachricht vom Einbrecher auf dem Handy zu sehen, aber nicht sofort etwas unternehmen zu können. Dafür brauche es Dienstleister wie Kötter.

Klage über Arbeitskräftemangel

„Wir haben den Anspruch, Vorreiter bei der Digitalisierungsoffensive in unseren Märkten zu sein“, betont Friedrich P. Kötter. Innovationen etwa in der Videotechnik will der zweitgrößte deutsche Sicherheitsdienstleister auf der Essener Messe Security präsentieren, die gerade in Essen läuft. Das Unternehmen will das Forum aber auch nutzen, um für Nachwuchs zu werben. „Wir sprechen längst nicht mehr von einem Fachkräftemangel, sondern von einem Arbeitskräftemangel. Wir müssen immer größere Anstrengungen unternehmen, um geeignete Mitarbeiter zu finden“, sagt Geschäftsführer Kaus. Dabei, so Kaus, nehme parallel das Sicherheitsbedürfnis in der Bevölkerung immer weiter zu.

Vor diesem Hintergrund fordert Friedrich P. Kötter neue Leitlinien bei öffentlichen Ausschreibungen. „Die alleinige Vergabe nach dem billigsten Preis, wie sie gerade im öffentlichen Sektor nach wie vor die Regel ist, kann durch Sicherheitslücken zum Schluss richtig teuer werden.“ Zudem seien trotz moderater Fortschritte die gesetzlichen Anforderungen an die Branche noch viel zu niedrig.

>>> Sicherheitsmesse in Essen

Mit 950 Ausstellern aus über 40 Nationen ist die Security Essen 2018 die weltgrößte Fachmesse für Sicherheit und Brandschutz. Sie hat gestern in der Messe Essen begonnen und läuft noch bis zum Donnerstag.

Die deutsche Sicherheitsbranche wächst stärker als die Gesamtwirtschaft. Von 2015 bis 2017 legte sie im Zweijahresvergleich beim Umsatz um 17,4 Prozent auf 17 Milliarden Euro zu.

Im Mittelpunkt der Messe stehen in diesem Jahr digitale Sicherheitslösungen und Systeme, mit denen sich Firmen vor Hackerangriffen schützen können.