Hergestellt werden sie längst nicht mehr, Updates gibt's auch nicht, und Grafik und Sound sind eigentlich überholt. Eigentlich. Denn im Internet leben alte Spiele und andere Programme weiter als „Abandonware” – bewährt, aber nicht immer ganz legal.
Die Grafik ist pixelig, der Sound kommt düdelig aus dem PC-Lautsprecher – und doch gelüstet es Computerfans manchmal, auf dem Gigahertz-Rechner die Spiele von damals zu daddeln. Auch wenn es sie längst nicht mehr im Laden gibt: Im Internet hat alte Software noch eine Fangemeinde. Die Programme heißen „Abandonware” (vom englischen „to abandon”, also aufgeben, verlassen) – eben, weil der Hersteller sie weder produziert noch Updates dafür anbietet.
In den Abandonware-Sammlungen lassen sich viele Spiele ausgraben, für die man sich damals in der ersten Byte-Begeisterung mit den Sandkastenkumpels um den Computer versammelt hatte: Sei es das Adventure „Police Quest”, das Sierra 1987 erstmals auf den Markt brachte, oder der Weltraum-Shooter „Wing Commander” von Origin (1990). Auch die guten alten Autorennspiele sind noch da – wie „Street Rod” (1989) oder das 18 Jahre alte „4D Sports Driving”. Selbst „Frogger” von 1983, wohl die erste digitale Krötenwanderung, steht noch im Internet. Genau so wie das Schachspiel „MyChess” von 1979. Wer es ganz puristisch mag, kann auch alte Anwendungen wieder ans Tageslicht befördern: Windows 1.01 (von 1984) oder die 1988er Textverarbeitung WordPerfect.
Dass die wiederentdeckten Spiele die Überbevölkerung der Festplatte fördern könnten, darüber braucht man sich keine Sorgen zu machen. Die meisten kommen mit weniger als einem Megabyte aus. Probleme gibt es eher, wenn ein Spiel unter den modernen Windows-Betriebssystemen nicht läuft. Da helfen so genannte Emulatoren, Programme, die das alte Betriebssystem MS-DOS simulieren. Eines findet man zum Beispiel bei Dosbox (http://www.dosbox.com/). Es bremst auch den Prozessor, falls der zu schnell für die alte Software ist – das Gleiche tun Programme wie Turbo oder MoSlo. Ein anderer, aufwändigerer Weg sind Virtual-Machine-Programme („VMWare”), mit denen man auf einem Computer einen zweiten simulieren kann. Letzteren gibt es dann nur virtuell, man kann ihn aber benutzen wie einen „echten” – und auch MS-DOS darauf installieren. Hier zeigt sich: Wer auf die Klassiker steht, kommt ohne tiefere PC-Kenntnisse nicht ganz aus.
„Wir wollen diese Juwelen vor dem Vergessen retten, weil sie sonst für die Öffentlichkeit nicht mehr verfügbar sind”, schreiben die Betreiber von XTC Abandonware auf ihrer Seite. Sie hoffen, „dass es etwas jenseits des Gesetzes gibt: Ethik und Moral” – und genau da liegt der wunde Punkt. Auch wenn die Spiele und Anwendungen nicht mehr oder nur gebraucht zu kaufen sind: Rechtlich geschützt sind sie immer noch; wer nicht damals ein Original gekauft hat, verstößt beim Runterladen gegen das Gesetz.
Microsoft zum Beispiel lässt verlauten, „dass die Verbreitung von Microsoft Software über fremde Server-Systeme der Zustimmung von Microsoft bedarf. Und dies unabhängig vom Alter der Software.” Spielehersteller Electronic Arts bewertet das Thema ähnlich: „Wir können es aus grundsätzlichen Erwägungen nicht dulden, wenn geistiges Eigentum von EA im Netz zum freien Download angeboten wird”, sagt Pressesprecher Martin Lorber. „Das Alter eines Spiels ist dabei von untergeordneter Rolle.”
Rückkehr der Rechen-Klassiker
Aber nicht nur für alte Software, auch für betagte Computer machen sich Fans stark. Das heißt dann „Retrocomputing” oder „Vintage Computing”. In Deutschland gibt es dafür zum Beispiel den Verein zur Erhaltung klassischer Computer e.V. „Es geht um ein Stück Geschichte, das man bewahren will”, erklärt der Erste Vorsitzende, Stefan Both aus Nordhorn. Er hegt und pflegt mittlerweile etliche alte Computer und hat sich einen Jugendtraum erfüllt: „Ich hab mir zu Zeiten des C64 die Nase am Schaufenster plattgedrückt”. Jetzt hat er gleich acht bis zehn der Commodore-Klassiker.
Für Both liegt die Faszination der angegrauten Rechner und Software gerade in dem, was sie nicht haben: „Es ist einfach, es ist nackig, es ist pures Design.” Und: „Wegen der schlechten Grafik brauchte man bei Computerspielen früher sensationelle Spielideen.”
Die Rettung fürs Archiv
Der Verein will zum einen zeigen, wie Arbeiten und Spielen am Computer „damals” war. Zum andern, erzählt Both, könnte sich eine neue Einsatzmöglichkeit auftun: „Ich habe zwei Mal telefoniert mit dem literarischen Archiv in Marburg” – dort würden Nachlässe von Autoren gesammelt. Die hätten ihre Werke oft schon digital archiviert, aber noch auf Disketten und in längst ausgedienten Dateiformaten. Der Vorteil des Vereins: „Wir haben die Geräte.”
Der Verein lädt jedes Jahr zur Messe „Classic Computing” – diesmal am 27. und 28. September in Moers. Mehr Infos: www.classic-computing.de