Dreidimensionale Online-Identitäten sind bislang normalerweise auf einen Dienst beschränkt. Eine neue Technologie macht sie tragbar – auch im Web.

Avatare, die 3D-Abbilder der Nutzer virtueller Welten, werden normalerweise stets für einen dieser Dienste geschaffen. Der Trend geht jedoch zur Übertragbarkeit: Auf der "Virtual Worlds Conference" in New York in diesem Frühjahr zeigten gleich mehrere Firmen Ideen, diese Form der Online-Identität mobil zu machen, um sie von einer Welt in die nächste mitzunehmen oder sie sogar auf ganz normalen Websites zu präsentieren. Der Ansatz könnte zu einer stärkeren Konvergenz aus 3D-Welten und sozialen Netzwerken führen, glauben Beobachter

DAZ 3D, eine Firma aus dem US-Bundesstaat Utah, stellt eigentlich Software und Modelle für künstlerische 3D-Darstellungen her. Mit "MogBox" hat das Unternehmen nun ein Programm vorgestellt, mit dem Nutzer einen hochauflösenden 3D-Charakter schaffen können, der sich dann als Avatar in verschiedenen virtuellen Welten verwenden lässt. MogBox ist so gestaltet, dass die 3D-Visualisierung ihren Charakter von Welt zu Welt behält, auch wenn sich die grafischen Möglichkeiten jeweils unterscheiden. Der Avatar wird dazu angepasst, etwa, in dem die hochauflösende Version nötigenfalls mit einer einfacheren Textur auf der Oberfläche oder mit weniger Polygon-Bausteinen dargestellt wird.

Dan Farr, Präsident und Mitbegründer von DAZ 3D, glaubt, dass viele Nutzer ihre Charaktere nicht nur zwischen den verschiedenen Welten mitnehmen wollten, sondern sie auch aus ihnen "herausnehmen" wollten, um sie in einer höheren Auflösung darzustellen, als dies bei den meisten Anbietern machbar ist. MogBox biete diese Möglichkeit und erlaube es stets konsistent mit dem gleichen Avatar anzutreten, egal bei welchem Anbieter. MogBox soll demnächst sowohl an die Betreiber von 3D-Welten als auch an Endanwender verkauft werden. Aktuell wird allerdings nur der Service Multiverse unterstützt, der an einer Kombination aus verschiedenen virtuellen Welten mehrerer Anbieter arbeitet. Weitere Dienste will man demnächst unterstützen, sagt Farr.

Eher auf niedrig auflösende Darstellungen konzentriert sich hingegen das deutsche Unternehmen Weblin. Dort setzt man eher auf die Social-Networking-Aspekte. Der Dienst bietet Avatare an, die sich im Web verwenden lassen. Betritt ein Weblin-Nutzer eine Homepage, erscheint sein Avatar unten auf der Seite. Diese virtuelle Person kann dann mit den Avataren anderer Weblin-Nutzer kommunizieren. Die Avatare lassen sich "anziehen", durch neue Varianten ersetzen oder auch aus virtuellen Welten wie Second Life importieren. Das Avatar-Abbild im Netz kommt dabei direkt von Weblin oder von Websites, die die Technologie des Anbieters integriert haben. Marc Theermann, für Nordamerika zuständiger General Manager bei dem Unternehmen, sagt, dass man mit zunehmender Avatar-Nutzung im Web Symbole anbieten wolle, mit denen der User dann seine Zugehörigkeit präsentieren kann. So fänden sich dann Motorsportfans beispielsweise gleich optisch, wenn sie sich auf Weblin-unterstützten Seiten begegnen.

Pläne, Avatare von einer Welt in eine andere zu verfrachten oder sie ganz ins Web zu holen, sind jedoch nicht ganz leicht umzusetzen. Es fehlt an Interoperabilität zwischen den verschiedenen virtuellen Welten und kompatiblen Grafikstandards. Obwohl sich mehr als 20 Firmen im vergangenen Herbst dazu entschlossen hatten, gemeinsam einen Standard für virtuelle Welten zu entwickeln, ist dieser noch immer nicht verfügbar. Patrick O'Shaughnessey, Vizepräsident für Softwareentwicklung beim Unternehmen Electric Sheep Company, wo Inhalte für unterschiedliche virtuelle Welten geschaffen werden, bemängelt denn auch, dass man über "Gespräche über Gespräche" noch nicht hinausgekommen sei. Einzelne Firmen versuchten deshalb inzwischen auf eigene Faust, die Welten miteinander zu verbinden. Dazu werden Standards unterschiedlicher Art unterstützt. So kennt DAZ 3D beispielsweise COLLADA und FBX.

Robin Harper, Vizepräsidentin für Marketing und Community-Entwicklung beim Second Life-Anbieter Linden Lab, sieht eines der Probleme darin begründet, dass die Nutzer unterschiedliche Bedürfnisse für ihre Avatare hätten. "Im Firmenumfeld will man meist seinen Realnamen verwenden, ähnlich wie man dies bei Facebook tut." Virtuelle Welten könnten eine ähnliche Rolle übernehmen, wie sie soziale Netzwerke im geschäftlichen Umfeld einnähmen – zusätzlich ergänzt um den Vorteil, dass man so in Echtzeit interagieren könne und nicht auf asynchrone Kommunikation angewiesen sei. Wird ein Avatar für geschäftliche Zwecke genutzt, muss dieser also leicht erkennbar sein und stets bereitstehen, egal wo man sich im Netz hinbegibt.

Doch nicht jeder wolle eine derart feste Online-Identität, meint Harper. Sie höre zwar von vielen Nutzern, die in Second Life ihren Realnamen verwenden möchten (was derzeit nicht möglich ist, der Nachname ist stets speziell für Second Life ausgewählt). Doch es gäbe auch viele Nutzer, die ihre Avatar-Anonymität schätzten. Anbieter virtueller Welten und ihre Nutzer müssten zunehmend über diese Themen nachdenken, meint Harper. Es komme immer öfter vor, dass Teile der echten Identität in den Avatar einflossen.