Düsseldorf. Für „Podknast.de” erzählen Jugendliche, wie sich das Leben in der Arrestanstalt anfühlt und warum sie dort sind. „Ich möchte, dass meine Jungs auch mal zu Wort kommen, ohne Zwischenstation”, sagt der Anstalts-Chef.
Billy muss sich räuspern, als er sich übers Mikrofon beugt. „Ich weiß jetzt gar nicht, was ich sagen soll.” Vor ihm sitzt der Anstaltsleiter, daneben ein Rechtsanwalt. „Wir sind nicht bei DSDS”, sagt der Rechtsanwalt, und der andere: „Nur zu, das ist überhaupt nicht schlimm.” Billy beginnt. „Ich bin Billy, 20, aus Oberhausen. Und ich hab gelernt, keinen Scheiß mehr zu bauen.”
Billy, 20, aus Oberhausen, heißt nicht wirklich so. Wie keiner der Jungs heißt, wie er sich vor dem Mikrofon von Marc Quandel nennt. Tatsächlich sitzen sie aber alle ein in der Jugendarrestanstalt (JAA) in Düsseldorf-Gerresheim, der eine zwei, der nächste vier Wochen. Wegen Drogenbesitz, Diebstahl, Körperverletzung. Oder auch nur wegen nicht geleisteter Sozialstunden. Wenn es gut läuft, fangen sie an zu erzählen, wieso sie das gemacht haben, wie es sich anfühlt, im „Knast” zu sein. Und dass es alles andere als cool ist.
Oft sind Mikro, "Knastchef" und Anwalt die ersten, die zuhören
Am Ende lädt Rechtsanwalt Quandel die Audioschnipsel ins Netz. „Podknast.de” heißt das Projekt und es ist eines der Schätzchen von Edwin Pütz, Leiter der JAA in Gerresheim. Es soll abschrecken. Aber es soll auch „gefährdete” Jugendliche in ihrer eigenen Sprache ansprechen. Oft sind das Mikrofon, der Rechtsanwalt und der „Knastchef” die ersten Personen, die den Insassen wirklich zuhören, erzählt Pütz.
„Ich möchte, dass meine Jungs auch mal zu Wort kommen, ohne Zwischenstation.” Seine Jungs, damit meint der Anstaltsleiter, der sich selbst als „anders” bezeichnet, grundsätzlich entweder seine beiden kleinen Söhne oder die einsitzenden Jugendlichen. Der Jugendrichter hat die Erfahrung gemacht, dass Heranwachsende, besonders die aus einem „der Straffälligkeit nahen” Milieu, gegen mahnende Worte von oben regelrecht resistent seien. Genau die sind seine Zielgruppe für die Audiocasts auf Podknast.de, „für unsere potenziellen Kunden”.
"Die Langeweile ist zum Kotzen hier"
Auf die soll es wirken, wenn Billy erzählt. Der ist so nachdenklich und zerknirscht wie die meisten anderen. Viele meinen draußen deshalb, es sei „gefiltert”, was auf der Seite erscheint. Tatsächlich aber sind die meisten Jugendlichen, die in ihrer Clique noch ganz stark waren, nach ein bis zwei Tagen drinnen ein Häufchen Elend. „Die Langeweile ist zum Kotzen hier”, bricht es aus Billy heraus. Und flüsternd: „Ich war dumm und naiv und, ich weiß nicht.” Manch anderer fängt an, bitterlich zu weinen. „Nachdenken kann auch wehtun”, sagt Pütz.
Billy hat über einiges nachgedacht, in den vier Tagen, die er in der Jugendarrestanstalt in einer kleinen Zelle hockt. Dass es dämlich gewesen ist, dabei zu sein, wenn der Kollege versucht, ohne Führerschein zu fahren, der Grund seines nun zweiten Arrests. Dass er die Zeit, in denen er bei Einbrüchen den ersten Mann spielte, „für den Adrenalin-Kick”, weit hinter sich lassen will. Schließlich hat er eine Ausbildungsstelle. „Ich will mein Leben wieder in die Hand nehmen”, sagt er.
„Wir sind weder ein Boot- noch ein Sommercamp"
Nach ihm kommt Thomas, 19, aus Dortmund, in Edwin Pütz' Büro, das als provisorisches Aufnahmestudio dient. Er hat sich den ganzen Vormittag um den kargen Anstaltshof gekümmert, Unkraut gezupft, Sträucher geschnitten. Er ist hier, weil er Taxi gefahren ist, ohne zu bezahlen. Davor hatte er mal geprügelt und war ohne Führerschein mit dem Auto unterwegs. Ein Schuss vor den Bug soll der Jugendarrest sein, eine deutliche Ermahnung. „Ich war völlig überrascht nach dem Urteil, wollte erst in Berufung gehen”, sagt Thomas ins Mikro. „Ich bin froh, wenn ich die Tür hier hinter mir schließen kann.”
Mit Podcast.de will Edwin Pütz der Öffentlichkeit zeigen, dass es keine Schwerverbrecher sind, die in der Jugendarrestanstalt landen. „Wir sind weder ein Boot- noch ein Sommercamp”, sagt er, „es wird so viel Blödsinn geredet. Denken Sie nur an die Koch-Debatte.” Sehr viele kommen aus sozial schwachen Familien, viele sind schon sehr jung Väter. Pütz lädt diejenigen zu einer Aufnahme ein, die ein wenig frei sprechen können, die vielleicht etwas zu erzählen haben. Er hofft, dass sie dadurch „tiefer ins Nachdenken kommen.” „Sicher kann ich jemanden nicht mit zwei, drei Aufnahmen ändern. Aber es kann ein Baustein sein.”