Frankfurt/Main. Die Zeit der Religionskriege um das einzig wahre Betriebssystem für den Computer ist vorbei. Windows, Mac und Linux haben ihre jeweils eigenen Vorteile und Besonderheiten. Wenn in den kommenden Wochen neue Versionen erscheinen, kann kein Hersteller mit echten Neuerungen aufwarten.
Windows, Mac und Linux haben ihre jeweils eigenen Vorteile und Besonderheiten. Power-User spielen unter Windows, bearbeiten ihre Fotos auf dem Mac und programmieren mit Linux. Wenn in den kommenden Wochen neue Versionen der Betriebssysteme erscheinen, kann kein Hersteller mit revolutionären Neuerungen aufwarten.
Den Anfang macht Apple mit MacOS 10.6, genannt Snow Leopard. Angekündigt für September, gibt es bislang noch keinen konkreten Erscheinungstermin. Es wird aber angenommen, dass der «Schneeleopard» bereits zu Beginn des nächsten Monats, vielleicht sogar schon Ende August auf die Lichtung tritt. In den einschlägigen Gerüchte-Blogs sind bereits Fotos der Verpackung aufgetaucht.
Die vielleicht wichtigste Neuerung des Mac-Systems ist die Unterstützung der Microsoft-Technik Exchange, bei Unternehmen der De-Facto-Standard für E-Mails. Entsprechende Accounts lassen sich direkt im Mac-Programm Mail einrichten, die zugehörigen Adressverzeichnisse können im Mac-Adressbuch eingebunden werden. Damit will Apple einen der letzten Gründe streichen, der gegen den Mac-Einsatz im Unternehmen oder im Home-Office spricht.
Hinzu kommt: Die nächste Mac-Version von Microsoft Office soll erstmals auch das E-Mail-Programm Outlook enthalten, wie Microsoft jetzt mitteilte. Die aktuelle Version Office for Mac 2008 bietet dafür noch die Anwendung Entourage an. Die entsprechende Entwicklungsabteilung von Microsoft programmiert Outlook für den Mac völlig neu und will dabei auch die Such- und Backup-Funktionen von MacOS unterstützen.
Apples Schneeleopard benötigt weniger Platz auf der Festplatte
Zu den sichtbaren Verbesserungen im Detail gehört die Verlegung des Exposés ins Dock: Vor allem auf dem MacBook lässt sich diese Übersicht aller geöffneten Fenster damit schneller anzeigen als bisher. Die im MacOS 10.5 eingeführten Stapel mausern sich zu einem alternativen Dateimanager, da man jetzt wie im Finder durch ihren Inhalt blättern und auch durch die Ordnerstruktur navigieren kann.
Die meisten Änderungen aber erfolgten «unter der Motorhaube» - etwa die Ausweitung des 64-Bit-Codes auf fast alle Systemprogramme zur Nutzung von Arbeitsspeicher jenseits der 4-Gigabyte-Schwelle oder die Optimierung des Systems für mehrere Prozessorkerne, von Apple als «Grand Central Dispatch» bezeichnet. Trotz der Erweiterungen belegt MacOS 10.6 mit etwa sechs Gigabyte nur noch halb so viel Platz auf der Festplatte wie bisher.
Bessere Aufnahme für Windows 7
Die neue Windows-Ära beginnt am 22. Oktober. Nachdem Windows Vista seit seiner Einführung vor knapp drei Jahren unter Image-Problemen zu leiden hatte, kann Windows 7 mit einer besseren Aufnahme rechnen. Was Vista zu gründlich machen wollte, wird jetzt wieder zurückgenommen. So werden die von vielen Nutzern als nervig empfundenen Sicherheitsnachfragen deutlich reduziert. Wieder gestrichen wird auch die Sidebar, die dort platzierten Mini-Anwendungen in Form von «Gadgets» können nun beliebig auf dem Desktop abgelegt werden.
Dessen Ränder bekommen eine zusätzliche Intelligenz: Schiebt man ein Fenster mit der Maus an einen Seitenrand nimmt es genau die Hälfte des jeweiligen Desktops ein, beim Bewegen an den oberen Rand wird es auf die volle Größe maximiert. Dazugelernt hat auch die Taskleiste am unteren Bildschirmrand. «Sprunglisten» zeigen zu einem Programmsymbol die zuletzt mit dieser Anwendung geöffneten Dateien an. Sind in einem Programm mehrere Fenster geöffnet, werden die entsprechenden Symbole übereinander gelegt.
Mehrere Computer mit Windows 7 können zu einer «HomeGroup» zusammengeschlossen werden. Das vereinfacht die Einrichtung eines Heimnetzwerks erheblich. In Familien oder WGs lassen sich so Musiktitel, Fotos oder Videos problemlos auf einem anderen Computer im Netz nutzen. Über «MediaSharing» kann Musik auf einem Computer zentral gespeichert und in verschiedenen Räumen gehört werden.
Grafikchips werden gezielter genutzt als bisher
Sowohl Windows 7 als auch der Snow Leopard werben damit, dass sich die Bedienung des Computers mit den neuen Systemen deutlich beschleunigt. Zum neuen Mac gibt es noch keine Tests - Apple verspricht spürbar mehr Tempo bei Aufgaben wie der Aktualisierung von Symbolen im Finder, beim Backup oder beim Ausschalten des Rechners. Zu Windows 7 hat die Fachzeitschrift «c't» zwar keine keine durchgängige Beschleunigung gegenüber Vista oder XP messen können, aber dennoch einen flüssigeren Betrieb festgestellt.
Dies liegt auch daran, dass Windows 7 für einige Systemprozesse nur noch den Speicher der Grafikkarte nutzt und nicht mehr den Hauptspeicher. Auch das MacOS zapft verstärkt die in den vergangenen Jahren massiv verbesserte Leistung des Grafikchips an. In die gleiche Richtung gehen auch die Entwickler von Anwendungsprogrammen wie etwa Adobe mit seinem Photoshop.
Anderes System in der virtuellen Maschine zu Gast
Die Entwicklung von Linux verläuft kontinuierlicher als die der kommerziellen Systeme. Das betrifft sowohl die Systembasis - aktuell ist der Linux-Kernel 2.6.30 - als auch die vielfältigen Distributionen mit ihren jeweiligen Besonderheiten. Beim meistgenutzten Desktop-Aufsatz KDE wurde Anfang August die Version 4.3 fertiggestellt. Zu den Neuerungen gehört die Möglichkeit, auf den einzelnen Desktops unterschiedliche Mini-Anwendungen (Widgets) zu platzieren.
Dank der immer ausgereifteren Software für «virtuelle Maschinen» lassen sich auf einem Computer auch mehrere Betriebssysteme installieren. Viele Mac-Nutzer haben so auch eine Windows-Umgebung zur Verfügung - meist für ein ganz bestimmtes Programm, dass es nur für die Microsoft-Plattform gibt. Windows kann man mit Hilfe von «BootCamp» auch auf einer eigenen Partition der Mac-Festplatte installieren - der fliegende Wechsel ohne Neustart ist da aber nicht möglich. Auf einem Windows-PC lässt sich Linux problemlos als «Gastsystem» einrichten. Einen Besuch des Mac-Systems unterbindet Apple aber bislang, indem das Betriebssystem fest an die Apple-Hardware angekettet wird.
Bei den Preisen ist Linux unschlagbar - das Open-Source-System ist kostenlos. Auf dem Mac ist das Upgrade zum Snow Leopard mit 29 Euro deutlich billiger als die bisherigen Systemwechsel. Das auf einem Unix-Kern aufgebaute MacOS 10.6 kann nur noch auf einem Mac mit Intel-Prozessoren installiert werden. Für Windows sind noch keine Upgrade-Preise bekannt; die Vollversionen reichen von 120 Euro für die Version Home Premium bis 300 Euro für die umfassende Ultimate-Version. (ap)