Pakistanische Forscher arbeiten an einer neuartigen Methode, die Internet-Geschwindigkeit in Entwicklungsländern zu erhöhen.

Die Netznutzung nimmt auch in den Entwicklungsländern kontinuierlich zu. Das Problem: Die dort häufig nur eingeschränkt vorhandene Infrastruktur kann für quälend langsame Verbindungsgeschwindigkeiten sorgen. Ein großer Flaschenhals in diesen Regionen betrifft oft die internationale Außenanbindung: Zu viel Datenverkehr zwängt sich durch wenige Leitungen. Computerwissenschaftler in Pakistan haben nun ein System entwickelt, das die Download-Geschwindigkeiten in der zweiten und dritten Welt erhöhen sollen, in dem sich die Nutzer ihre Bandbreite untereinander teilen. Die dabei verwendete Software lädt populäre Web-Angebote und Mediendateien einmal herunter und verteilt sie dann unter den Nutzern direkt. Dabei heraus kommt eine Art Internet-Zwischenspeicher auf Graswurzelebene.

Im Westen verwenden viele Internet-Provider bereits solche so genannten Cache-Server – wenn auch zentralisiert. Sie legen oft nachgefragte Inhalte lokal ab und erhöhen damit die Surfgeschwindigkeit für alle Nutzer. Wird dann eine besonders populäre Seite abgerufen, kommen Daten zunächst aus dem Zwischenspeicher, müssen also nicht erst aus dem Internet bezogen werden. So wird verhindert, dass Informationen von der anderen Seite des Planeten jedes Mal neu angefordert werden müssen. Netzüberlastungen können damit ebenfalls umgangen werden.

Ähnliche Dienstleistungen, wenn auch in größerem Stil, bieten auch so genannte "Content Distribution Networks" (CDNs) an, die Inhalte über die ganze Welt verteilen und dann immer möglichst lokal ausliefern. So lässt sich der CDN-Provider Akamai aus dem amerikanischen Cambridge gut dafür bezahlen, Videos und andere bandbreitenintensive Netzangebote großer Websites zu spiegeln und dann über Server bereitzustellen, die mindestens auf dem gleichen Kontinent wie der Nutzer liegen.

Davon können Länder wie Pakistan oft nur träumen. Dort ist das Internet noch teuer – und meistens eher langsam. Effiziente Caching-Mechanismen gibt es kaum. Das führt auch dazu, dass wichtige Informationen, die das Leben der Menschen beeinflussen könnten, diese nur langsam erreichen – einer der Gründe, warum die Vereinten Nationen die Verbesserung der Internet-Anbindung zu einem der Topziele ihres Entwicklungsplans für das neue Jahrtausend gemacht hat.

Kleine Provider in Pakistan besitzen gar keine Zwischenspeicher, was dazu führt, dass der Datenverkehr jedes Mal durch verstopfte Leitungen ins Ausland fließen muss. "In Pakistan verlässt fast der gesamte Traffic das Land", sagt Umar Saif, Computerwissenschaftler an der Lahore University of Management Sciences (LUMS). Das sei sogar regelmäßig der Fall, wenn ein Nutzer aus Pakistan pakistanische Angebote abrufe. "Die Pakete werden manchmal sogar nach New York geleitet und müssen dann ihren Weg wieder zurück in unser Land finden."

Saifs Team an der LUMS hat deshalb eine Software namens "DonateBandwith" entwickelt, ein System, das von Peer-to-Peer-Dateitauschangeboten wie BitTorrent inspiriert wurde, die eigentlich dem Austausch großer Multimediadateien dienen. Dabei laden die Rechner der Teilnehmer immer nur kleine Teile eines großen Files herunter und bieten diese anderen Nutzern an. So kann man sich alle notwendigen Segmente beispielsweise eines Films von Dutzenden oder Hunderten anderer User besorgen, was die Bandbreite insgesamt besser ausnutzt und Flaschenhälse umgeht. Ein zentraler Server wird so ebenfalls unnötig gemacht.

DonateBandwith arbeitet ähnlich, allerdings werden hier nicht nur große Dateien verteilt, sondern auch ganz einfache Websites. Wenn ein Nutzer eine Seite abruft oder ein Video herunterladen möchte, prüft die Software zunächst, ob die gewünschten Dateien nicht bereits im Peer-to-Peer-Cache liegen. Falls das der Fall ist, werden einzelne Teile von anderen DonateBandwith-Nutzern bezogen, der Rest kommt aus dem regulären Internet. Wer über eine gute Außenanbindung verfügt, kann so anderen Nutzern Bandbreite "spenden" – nichts anderes heißt "DonateBandwith" auch.

Die Software manipuliert außerdem den eventuell vorhandenen Cache des Providers. "Nehmen wir an, jemand mit einer einfachen Modemleitung will eine Datei herunterladen. Dann beginnt sein Computer zwar damit, sie aus dem Internet zu beziehen, sendet aber gleichzeitig eine Anfrage an andere DonateBandwith-Nutzer, die den gleichen Provider verwenden, aber über mehr Bandbreite verfügen. Die beginnen dann ebenfalls mit dem Download. So landet die Datei letztlich doch im Zwischenspeicher des Internet-Anbieters und kommt so automatisch auch schneller auf den Rechner des eigentlichen Interessenten."

Saif vergleicht sein Projekt mit anderen verteilten IT-Vorhaben wie "Seti@Home", bei dem Freiwillige brachliegende Rechnerleistung spenden, um Funksignale aus dem Weltall zu analysieren, die Zeichen intelligenten Lebens enthalten könnten. "DonateBandwith erlaubt es, brachliegende Internet-Bandbreite mit anderen zu teilen. Für die Entwicklungsländer ist das wesentlich wertvoller als verteilte Rechenleistung oder verteilter Plattenplatz", sagt der Forscher.

Das Prinzip ist simpel: Je mehr Nutzer in einem Land DonateBandwith verwenden, desto mehr Websites und Dateien könne zwischengespeichert werden, was die Abhängigkeit von der internationalen Außenanbindung verringert und so die Gesamtgeschwindigkeit erhöht. In Industrieländern liegt das Sparpotenzial durch Cache-Verfahren bei 30 bis 40 Prozent der Bandbreite.

Noch ist DonateBandwith allerdings nicht offiziell erhältlich, doch Saifs Team testet derzeit Prototypen. Die Forscher arbeiten dabei mit Eric Brewer und seinen Kollegen von der University of California in Berkeley zusammen. "In Pakistan und vielen anderen Ländern der zweiten und dritten Welt werden zwar ordentliche lokale Netzwerke aufgebaut, doch die internationale Anbindung ist oft immer noch nicht besonders gut", meint Computerwissenschaftler Saman Amarasinghe vom MIT. "Ein System wie das von Saif vorgeschlagene wäre da sehr wertvoll."

Tariq Khokar vom britischen Nonprofit-Projekt Aptivate, das für eine bessere Internet-Anbindung der Entwicklungsländern streitet, kennt die Probleme: "Fehlkonfigurationen von Cache-Servern kennen wir beispielsweise aus Kenia und Ghana." Eine Idee wie DonateBandwith wäre deshalb wohl auch kaum in den westlichen Ländern entstanden, glaubt er.

Aptivate hat ein eigenes Programmpaket zur Abmilderung der Bandbreitenprobleme entwickelt. Es heißt Loband und entfernt Bilder und andere Teile von Websites, damit sie schneller laden. "Das Bandbreitenproblem wird damit fast gelöst, das Latenzproblem allerdings nicht", sagt Khokar. Sind erst einmal örtliche Zwischenspeicher vorhanden, wäre auch diese Einschränkung behoben. Denn dann müsste eben nicht mehr der gesamte Datenverkehr über die langsamen Außenanbindungen fließen.