Essen. Schweigen ist ein echter Beziehungskiller. Doch es gibt Möglichkeiten, die Kommunikation in einer Partnerschaft wiederzubeleben,
Viele Paare kommen im Alltag ohne viele Worte aus. Wenn der eine morgens aufsteht, ist der andere schon aus dem Haus. Tagsüber tauscht man sich per SMS über die Einkaufsliste aus. Und abends reicht ein kurzes "Hallo, bin wieder da" als Startsignal für den gemeinsamen Fernsehabend in schweigender Eintracht. "Austausch und Kommunikation sind der wichtigste Kitt in Partnerschaften", betont jedoch Franz Thurmaier, Diplom-Psychologe aus München. Schweigen sei daher ein echter Beziehungskiller. "Der Mensch braucht diese Momente der Nähe, des Kontakts - wir sind keine Einzelgänger", betont der Leiter des Instituts für Forschung und Ausbildung in der Kommunikationstherapie.
Auch der Lahnsteiner Gestalttherapeut Mathias Jung weiß um die zerstörende Wirkung der Sprachlosigkeit. "Viele Paare geraten ans Ende, weil sie verstummt und erstarrt sind", sagt Jung. Meistens gehe mit den gemeinsamen Gesprächen auch die Zärtlichkeit verloren. Die Gründe für die fehlende Kommunikation seien oft ganz alltäglich: "Die Partnerschaft wird zwischen Job und Kindererziehung verschlissen, das Gemeinsame wird immer weniger, jeder verfolgt nur noch seinen eigenen Weg", sagt der Autor des Buches "Das sprachlose Paar". Der Fokus liege nicht mehr auf der Beziehung, da beide mit den enormen Anforderungen des täglichen Lebens ausgelastet seien.
Fernseher und Computer ersetzen die Kommunikation
Hinzu kommt ein Mangel an Gesprächsthemen. "Viele Paare erinnern sich nicht mal mehr daran, wann sie zum letzten Mal gemeinsam im Theater oder im Kino waren", sagt Jung. Es gebe keine gemeinsamen Unternehmungen und Projekte mehr, über die man sich austauschen könne. Stattdessen suchten beide Partner Ablenkung vor dem Fernseher oder Computer und schwiegen einander an. "Oft ist die Sprachlosigkeit auch das Ergebnis vieler Enttäuschungen", sagt Franz Thurmaier. Jeder habe das Bedürfnis, dass der andere ihm zuhört, sich auf ihn konzentriert. Funktioniere dieser Austausch nicht, zögen sich beide voneinander zurück. Und so lebe man sich mit der Zeit immer mehr auseinander.
Doch es gibt Möglichkeiten, die Kommunikation in einer Partnerschaft wiederzubeleben, betonen beide Experten. Sie empfehlen betroffenen Paaren, regelmäßige Termine für Gespräche miteinander zu vereinbaren - beispielsweise wöchentlich. "Ebenso wie der Friseurbesuch oder der Fitnesskurs sollte auch die Zeit zu zweit ihren Platz im Terminkalender finden, damit man sie nicht aus den Augen verliert", betont Thurmaier.
Wichtig sei, dass man die Paar-Unterhaltungen nicht mit Details überlade, sondern sich eher über Empfindungen unterhalte. "Man kann von seinem Partner nicht erwarten, dass er sich für jedes Thema, das einen selbst fasziniert, ebenso intensiv interessiert - damit überfordert man den anderen", betont Thurmaier, der gemeinsam mit Kollegen spezielle Paarkommunikationstrainings entwickelt hat. Für genaue Berichte über den neuen Spanischkurs oder die spannende Stalin-Dokumentation müsse man sich vielleicht andere Gesprächspartner suchen. "Erzählen Sie Ihrem Partner lieber, wie sie den Tag erlebt haben, was Ihnen gefallen hat, worüber Sie traurig oder verärgert sind", sagt Thurmaier.
Klärungsprozesse ermöglichen
In solchen Gesprächen kommen oft erst einmal alte Verletzungen und Zerwürfnisse ans Tageslicht, weiß Mathias Jung. "Manchmal muss man erst schwierige Dinge miteinander besprechen, um einander verzeihen zu können und wieder anders miteinander umzugehen", sagt Jung. Ob es um einen lange zurückliegenden Betrug geht oder um Ungerechtigkeiten in puncto Haushalt und Kinderbetreuung - Jung rät Paaren, sich solchen Klärungsprozessen zu stellen. "Das wirkt unglaublich erfrischend auf die Partnerschaft", betont der Autor.
Angenehmen Themen Raum geben
Allerdings sollte man auch darauf achten, dass man die gemeinsamen Gespräche nicht mit Negativem überlastet. "Für viele bedeutet miteinander sprechen automatisch, Probleme zu wälzen - und deshalb vermeiden sie Unterhaltungen mit ihrem Partner", sagt Franz Thurmaier. Es sei wichtig, dass man auch über angenehme Erlebnisse berichte, positive Dinge lobe und seinem Partner auch Komplimente mache. "Wenn man gute Eigenschaften des anderen benennt, erzeugt das ein Gefühl von Nähe und Interesse, das beiden gut tut", sagt der Experte.
Oft fällt die Unterhaltung schwer, da die Beteiligten nie gelernt haben, über persönliche Dinge zu sprechen. "Es kann helfen, wenn man seinen Partner nicht fragt, wie es ihm geht, sondern was ihm gerade durch den Kopf geht - das zu beschreiben fällt oft leichter", sagt der Psychologe. Mathias Jung empfiehlt Kommunikations-Anfängern, sich konkret auf die Paargespräche vorzubereiten. "Machen Sie sich im Vorfeld Notizen - so, als ob Sie ein berufliches Meeting planen würden", rät der Experte. Manchmal könnten auch einige Sitzungen bei einem Paartherapeuten dabei helfen, das Miteinandersprechen wieder zu erlernen.
"Wie so Vieles ist auch Paarkommunikation Übungssache", sagt Franz Thurmaier. Betroffene sollten sich nicht entmutigen lassen, wenn die Gespräche anfangs nur schwer in Gang kommen, sie sich in der Situation unbehaglich fühlen. "Der regelmäßige, ritualisierte Austausch miteinander ist trotzdem ein erster wichtiger Schritt, um dem Dauerschweigen ein Ende zu setzen", betont der Experte. (dapd)