Berlin. Gerade lag noch Schnee, plötzlich blühen die Bäume? Allergien gibt es auch in der kalten Jahreszeit – und die Belastung nimmt zu.
- Winter, die Nase läuft – Heuschnupfen kann der Grund sein
- Wegen der Klimaerwärmung kann eine Allergie auch schon im Dezember oder Januar auftreten
- Aber der Pollenflug verschiebt sich ebenso nach hinten, in den Herbst
- Wichtig ist vor allem, die Symptome richtig zu bewerten
- Bevor Tabletten gezückt werden, sollten Sie zum Arzt
Nießen, die Nase juckt und läuft, vielleicht kratzt auch der Hals. Für manche ein willkommener Grund, nicht zur Arbeit zu gehen, in jedem Fall eine Krankheit. Nur welche? Vor ein paar Jahrzehnten wäre der Fall klar gewesen: Schnupfen. Seit der Pandemie könnte es auch Corona sein. Die Klimaerwärmung legt noch eine dritte Möglichkeit nahe: Eine Allergie – im Winter.
Wenn Menschen von den Auswirkungen der Klimaerwärmung auf die Gesundheit sprechen, geht es meist um Hitzschläge bei alten Menschen oder eine neue Mückenart, die sich jetzt in Europa heimisch fühlt. Tatsächlich haben die steigenden Temperaturen aber auch große Folgen für Allergiker und Asthmatiker. Der Heuschnupfen kommt früher.
Allergie-Kalender: Die Bäume starten immer früher
Professor Karl-Christian Bergmann von der CharitéBerlin, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PID), sieht im Gespräch mit unserer Redaktion einen Trend: „Wenn man sich die letzten 20 Jahre anguckt, blühen insbesondere die Baumpollen – Hasel, Erle, Birke – im Trend immer früher. Die Gräser halten sich, aber die Kräuterpollen, wie zum Beispiel Beifuß, fliegen länger, weil die Herbstmonate noch feuchter und wärmer geblieben sind.“
Wer nur auf Baumpollen allergisch ist, hat dann immerhin früher seine Ruhe. Der Pollenflug der Bäume verschiebe sich nur, er werde nicht länger, so Bergmann. Fliegen die Baumpollen schon im Winter, endet die Belastung für Allergiker früher im Frühling.
Durch die veränderten Umwelteinflüsse gibt es den Pflanzenstaub jetzt fast das ganze Jahr. Bergmann fügt an: „Die Pollenperiode spreizt sich, vorne wird es früher und hinten geht es länger weiter. Die Purpurerle zum Beispiel, das ist eine Variation der normalen Erle, kann schon im Dezember fliegen.“ Erschreckend, wenn die Gräser erst im Herbst aufhören und die Bäume zu Beginn des kalendarischen Winters wieder loslegen. Der geht vom 21. Dezember bis zum 20. März.
Pollenflug im Winter in Deutschland 2016-2021 (laut PID)
- Hasel: Dezember bis Mai
- Erle: Dezember bis Juli
- Esche: Januar bis Juni
- Pappel: Februar bis Mai
- Weide: Februar bis Juni
- Hainbuche: Februar bis Juni
- Birke: März bis Juli
Der Winter 2022/2023 war laut dem Deutschen Wetterdienst deutlich zu warm, verglichen mit den Referenzperioden aus der Vergangenheit. „Deutschland erlebte damit den zwölften zu warmen Winter in Folge. Der Klimawandel lässt nicht locker“, so Pressesprecher Uwe Kirsche. An Silvester 2022 gab es in Teilen Deutschlands sogar Rekordtemperaturen über 20 Grad.
Die Pollenbelastung durch Frühblüher kommt also schneller. Gibt es dadurch auch mehr Pollen? „Nicht unbedingt. Aber die Pollen verändern sich. Die Pollen werden zum Teil allergener. Man ist eher sensibilisiert“, so Professor Bergmann im Interview mit unserer Redaktion. Dadurch könnten Menschen bei gleicher Pollenmenge stärkere Symptome empfinden.
Allergie oder Erkältung? Niesattacken gibt es eher bei Heuschnupfen
Wer noch nicht weiß, ob es überhaupt eine Allergie ist, der kann auf Symptome schlecht reagieren. Glücklicherweise gibt es ein paar Wegweiser. Eine Erkältung dauert im Normalfall nicht länger als zwei Wochen, eine Pollenallergie ist beständiger. Der Deutsche Allergie- und Asthmabund nennt weitere Unterschiede: Niesattacken und Juckreiz deuten eher auf eine Allergie hin, verstopfte Nase und verfärbtes Sekret auf eine Erkältung. Außerdem schlagen antiallergische Medikamente bei einem Infekt nicht an.
Wenn eine Allergie diagnostiziert ist, gilt es, den Überblick zu behalten. Für Professor Bergmann von der Charité geht das am besten mit Apps, zum Beispiel der „Husteblume“. „Da können Sie Ihre Symptome speichern, die App sagt Ihnen, welche Pollen fliegen werden – und Sie können abgleichen, ob die Medikamente, die Sie nutzen, vernünftig sind oder was andere in Ihrer Situation tun.“
Auch bei nicht medikamentösen Tricks hat Bergmann gegenüber unserer Redaktion Empfehlungen geäußert: „Nasenspülungen sind gut. Brillen mit Seitenrand auch.“ Eine Sache sieht er aber kritisch: Die Empfehlung, sich am Abend vor dem Zubettgehen die Pollen aus den Haaren zu waschen, „halte ich für abwegig. Dafür gibt es nicht einen einzigen Beleg.“
Lesen Sie auch: Frühjahrsmüdigkeit: Woher kommt sie und was hilft dagegen?