Berlin. Neue Erkenntnisse im Kampf gegen Prostatakrebs. Ein Experte erklärt, mit welcher Früherkennung jüngere Männer besser vorsorgen können.

Die rektale Tastuntersuchung ist zur Früherkennung von Prostatakrebs bei jüngeren Männern ab 45 Jahren ungeeignet. Das ist Ergebnis einer vom Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg koordinierten Studie. Seit 1971 ist diese Untersuchung, die laut Empfehlung ab dem 45. Lebensjahr jährlich durchgeführt werden soll, Teil des Vorsorgeprogramms der gesetzlichen Krankenkassen. Studienleiter Professor Peter Albers erklärt, wie Männer besser vorsorgen können.

Wie weit ist Prostatakrebs verbreitet?

Einer von acht Männern in Deutschland muss im Verlauf des Lebens damit rechnen, die Diagnose Prostatakrebs zu erhalten. Prostatakrebs ist bei Männern die häufigste Krebserkrankung: „Rund 65.200 Männer jährlich erkranken daran“, berichtet der Krebsinformationsdienst. Pro Jahr versterben etwa 12.000 bis 14.000 Betroffene daran.

Hauptrisikofaktor für ein Tumor in der Vorsteherdrüse ist ein hohes Alter. Im Jahr 2018 waren die Männer zum Zeitpunkt der Diagnose im Mittel 71 Jahre alt. Männer unter 50 Jahren sind selten betroffen.

Prostatakrebs: Einer von acht Männern in Deutschland betroffen

Der überwiegende Teil der Betroffenen erhält die Diagnose Prostatakrebs in einem frühen Stadium der Erkrankung. Dann wächst der Krebs in der Regel langsam und die Prognose ist sehr gut. Auch wenn das Prostatakarzinom bereits fortgeschritten ist oder gestreut hat, leben Männer immer häufiger noch viele Jahre mit der Erkrankung.

Wie sieht die Vorsorge aus?

Um Prostatakrebs früh zu erkennen, kann in Deutschland jeder krankenversicherte Mann ab 45 Jahren jährlich eine Tastuntersuchung in Anspruch nehmen. Dabei führen ein Arzt oder eine Ärztin den Finger vorsichtig in den After ein und ertastent so über die Vorderseite des Enddarms die Prostata, um Knoten oder Verhärtungen festzustellen.

Eine weitere Untersuchung zur Früherkennung ist der PSA-Test. Dieser misst den Wert des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) im Blut. Dies ist ein Eiweiß, das in der Prostata gebildet und in die Samenflüssigkeit abgegeben wird. Es dient dazu, die Samenflüssigkeit zu verdünnen, damit sich die Spermien besser bewegen können. Patienten müssen diesen Test bisher in der Regel selbst bezahlen, da er nicht zum gesetzlichen Früherkennungsprogramm gehört. Er kostet etwa 15 bis 25 Euro. Manche Kassen übernehmen die Kosten auf Antrag.

PSA-Test: Ein Wert von über 3 Nanogramm pro Milliliter ist auffällig

Für den PSA-Test bekommen Männer Blut abgenommen. Das wird dann im Labor untersucht. Das Ergebnis liegt meist einige Tage später vor. Die Höhe des PSA-Wertes geben Mediziner in Nanogramm pro Milliliter (ng/ml) an. Abklärungswürdig ist ein Wert von über 3 ng/ml.

Was sagt die Studienlage über die Wirksamkeit der Vorsorge?

Die rektale Tastuntersuchung ist zur Früherkennung von Prostatakrebs bei jüngeren Männern ab 45 Jahren ungeeignet. Das ist Ergebnis der sogenannten PROBASE-Studie, die an den Universitätskliniken in Düsseldorf, Hannover, München und Heidelberg durchgeführt und durch das DKFZ koordiniert wird. „Ich gehe nicht davon aus, dass in Deutschland daran festgehalten wird. Diese Untersuchung jährlich zu machen, ist wirklich Unsinn“, kommentiert Studienleiter Peter Albers, Leiter der DKFZ-Forschungsabteilung Prostatakrebs-Früherkennung und Direktor der Urologischen Universitätsklinik in Düsseldorf, die Ergebnisse.

„Die rektale Tastuntersuchung als Prostata-Screening zur Früherkennung von Krebs kann gleich in zweierlei Richtungen Schaden anrichten“, sagt die Erstautorin der Publikation, Agne Krilaviciute. Aufgrund der geringen Sensitivität könnten sich Teilnehmer bei einem negativen Testergebnis in falscher Sicherheit wiegen. „Und durch die hohe Falsch-Positiv-Rate werden viele Männer unnötig in Angst versetzt und unnötig biopsiert. Außerdem entstehen vermeidbare Kosten für die diagnostische Abklärung des Krebsverdachts“, so Krilaviciute.

Was empfehlen die Experten stattdessen?

Der PSA-Test zur Früherkennung wurde viele Jahre skeptisch betrachtet. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen bezeichnete den Nutzen als nicht erwiesen. Aber: „Diese Einschätzung hat sich geändert. Der PSA-Test hat sich in großen randomisierten Studien als eindeutig überlegen erwiesen“, sagt Peter Albers. Den PSA-Wert im Alter von 45 bis etwa 52 Jahren einmalig bestimmen zu lassen „ist maximal sinnvoll“, so Albers weiter.

Ein Mitarbeiter des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) betrachtet den Querschnittsbild einer Prostata.
Ein Mitarbeiter des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) betrachtet den Querschnittsbild einer Prostata. © dpa | Uwe Anspach

Prostatatumor: Anfangsverdacht mit Bildgebung abklären

90 Prozent der Männer dieser Altersgruppe haben einen Wert von unter 1,5. Damit liegt die Wahrscheinlichkeit, in den nächsten fünf Jahren ein Prostatakarzinom zu entwickeln „quasi bei null“. Diese Männer könnten beruhigt sein und den nächsten PSA-Wert nach fünf, vielleicht sogar erst nach 10 Jahren bestimmen lassen. „Dazu gibt es noch keine Daten, aber wir hoffen schon bald, hier Sicherheit zu haben“, so Albers.

Männer mit einem PSA-Wert von über drei, so Albers weiter, müssten den Anfangsverdacht auf ein Prostatakarzinom mit Hilfe einer Magnetresonanztomographie (MRT) abklären lassen. MRT ist ein bildgebendes Verfahren. „Wir können mit einem MRT etwa 70 Prozent der Biopsien (Gewebeproben, Anm. d. Red.) in dieser Altersgruppe vermeiden. Deswegen ist das eine unglaublich wichtige Untersuchung.“

Die Notwendigkeit, einen hohen PSA-Wert abklären zu lassen, gelte auch für ältere Männer. Bei ihnen komme aber erschwerend hinzu, dass der PSA-Wert mit dem Alter zwangsläufig ansteige. „Der Wert steigt, weil die meisten Drüsen im Alter wachsen. Mit 30 haben Männer eine Durchschnittsdrüsengröße von 38 Millilitern, bis 70 geht sie dann bis auf etwa 50 Milliliter hoch. Entsprechend steigt auch der PSA-Wert, ohne dass das zwangsläufig etwas mit einem Tumor zu tun hat“, so Albers.

An wen wende ich mich bei einem hohen PSA-Wert?

Den PSA-Wert können Männer nicht nur beim Facharzt, sondern auch in einem Labor oder vom Hausarzt bestimmen lassen. Ist dieser zu hoch, sollten sich Betroffene an eine Urologin oder einen Urologen wenden. Die oder der überweist den Patienten an die Radiologie. „Aber nicht jeder Radiologe kann ein Prostata-MRT machen“, sagt Peter Albers. Das Verfahren sei aufwändig und dauere etwa eine dreiviertel Stunde. Albers empfiehlt eine zertifizierte Uro-Radiologische Praxis oder eines von etwa 120 zertifizierten Zentren für die Behandlung von Prostatakrebs.