Berlin. Männer reagieren auf Trennungen anders als Frauen. Frauen analysieren, Männer kompensieren. Eine Expertin erklärt, warum das so ist.
- Dass Männer und Frauen nach einer Trennung mitunter anders reagieren, ist keine große Überraschung
- Auch eine Studie kommt zu einem ähnlichen Ergebnis
- Wir haben eine Beziehungsexpertin gefragt, wie unterschiedlich Männer und Frauen eine Trennung verarbeiten
Wenn zwei sich trennen, leidet meist einer mehr und länger. In diesem Fall die Frauen – so zumindest das Klischee. Denn viele Männer wirken nach einer Trennung so, als würde sie das alles nicht stören. Erst wenn die Frau nach langem Kummer über den Partner hinweg ist, scheint der Mann in die Trauerphase einzutreten. Warum leiden die Geschlechter so unterschiedlich unter Liebeskummer? Eine Beziehungscoach erklärt, wie Frauen und Männer eine Trennung verarbeiten.
Beziehung beenden: Wer leidet bei einer Trennung länger?
Eine Studie der Binghamton University in New York um Craig Morris hat 2015 untersucht, wie Männer und Frauen auf eine Trennung reagieren. Dazu befragten die Forscher 5705 Personen aus 96 Ländern. Das Ergebnis: Frauen leiden kürzer, dafür aber intensiver. Männer leiden länger, weil sie zunächst vor allem verdrängen und kompensieren. Sie lassen den Schmerz nicht zu, was langfristig zu viel schlimmeren Problemen wie Depressionen und Beziehungsunfähigkeit führt.
Ähnlich sieht es Beziehungscoach Daniela van Santen – mit einer Ausnahme: Auch Männer leiden körperlich, sagt sie. Nur viel später. Van Santen leitet eine Praxis für Liebeskummer im Hamburg und weiß aus Erfahrung, dass Frauen und Männer nach einer Trennung unterschiedliche Trauerphasen durchlaufen. "Frauen suchen sofort das Gespräch, zuerst mit engen Vertrauten, Freundinnen, der Mutter. Sie leiden extrem und wollen erst einmal verstehen, warum es zur Trennung gekommen ist. Und sie wollen daraus lernen."
Ganz anders der Mann. "Wenn bei ihm die Realität eintritt, hält er den Schmerz einfach nicht aus. Er lenkt sich sofort ab", sagt die Coach. Erst wenn verschiedene Phasen der Verdrängung – mit Alkohol, Sport, Arbeit, Sex oder vielleicht einer Rebound-Beziehung – durchlaufen sind, beginne der Mann, quasi gezwungenermaßen, zu trauern. Zu diesem Zeitpunkt hat die Ex-Partnerin die Trennung meist schon zur Hälfte überwunden. Der Mann ist nach Monaten wieder da, wo die Frau am Anfang war.
Warum verarbeiten Männer Trennungen erst so spät?
Warum Männer Liebeskummer so spät verarbeiten, liegt nach Ansicht der Beziehungscoach daran, dass Männer den Schmerz und die damit verbundenen negativen Gefühle oft nicht aushalten. "Männer empfinden Schmerz oft als Schwäche und fühlen sich nach einer Trennung wertlos. Im Gegensatz zu Frauen wollen sie nicht wissen, warum es zur Trennung gekommen ist, welchen Anteil sie daran haben könnten. Sie wollen einfach, dass "es" aufhört", erklärt van Santen.
Dass Schmerz als Zeichen von Schwäche gewertet wird, hat vor allem mit Geschlechterrollen zu tun: Es ist noch gar nicht so lange her, da durften Männer aufgrund der traditionellen männlichen Sozialisation nicht weinen. Das galt als Zeichen von Charakterschwäche und Instabilität. Deshalb, so van Santen, falle es Männern auch heute noch schwer, Gefühle wie Angst, Scham, Hilflosigkeit oder auch Liebe zuzulassen. Umso schwieriger sei es für sie, eine Trennung zu verarbeiten. "Im Gegensatz zu vielen Frauen nehmen Männer oft so genannte Altlasten in neue Partnerschaften mit oder vermeiden über lange Zeiträume tiefere Beziehungen", sagt die Beziehungscoach.
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Leiden Frauen mehr unter einer Trennung als Männer?
Nach einer Trennung analysieren Frauen die Probleme ihrer Beziehung, weinen, sind wütend, geben sich selbst die Schuld – eine lange Schleife von Bewältigungsstrategien, um ihre Gefühle zu verarbeiten. Das ist einer der Gründe, warum Frauen laut Beziehungscoach Daniela van Santen ihren Liebeskummer "schneller" überwinden und gestärkt aus der Situation hervorgehen.
Wissenschaftler erklären das weibliche Verhalten mit evolutionsbedingten Gründen. Das weibliche Geschlecht leidet mehr, weil "Frauen mehr in eine Beziehung investieren als Männer", erklärt Studienleiter Craig Morris von der Binghamton University. Sie haben mehr zu verlieren. Denn eine kurze Romanze kann eine neunmonatige Schwangerschaft und jahrelange Kinderbetreuung nach sich ziehen. "Der Mann kann sich nach dem Sex ohne weitere biologische Verpflichtungen aus dem Staub machen", so Morris weiter. Aus diesen evolutionären Gründen sind Frauen in der Regel anspruchsvoller bei der Partnerwahl. Aus dem selben Grund leiden sie aber auch stärker unter einem Verlust.
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Wie lange brauchen Männer und Frauen im Durchschnitt, um mit der Trauer fertig zu werden?
Die Faustregel, dass man mindestens die Hälfte der Beziehungsdauer trauert, hält van Santen für Unsinn . Bei einem einfachen Liebeskummer geht es Männern und Frauen nach ihren Beobachtungen schon nach sechs Wochen stetig etwas besser. Schwerer Liebeskummer dauert dagegen meist viele Monate. Findet keine Verarbeitung statt, wie es bei Männern leider oft der Fall ist, kann der Kummer andauern oder sogar nie ganz verschwinden, erklärt die Beziehungsexpertin. Das bedeute aber nicht, dass dies bei Männern immer der Fall sei, betont van Santen. "Die Arbeit mit Männern in meiner Praxis dauert oft kürzer als mit Frauen. Männer stellen weniger Fragen, ordnen ihre Gefühle klarer ein und können dann auch ganz loslassen und abschließen".
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