Hauchdünn muss er sein, der Strudelteig. Der Weg dahin ist steinig und schwer. Wir verraten, worauf Hobbybäcker achten müssen.
Ein wenig erinnern die Ellenbogen der klassischen Strudelbäcker – darunter die etlicher Großmütter rund um die Donau – an die von Joggern. Die Gelenke wandern weg vom Rumpf und wieder ran. Rhythmisch arbeitet der ganze Körper, bis der Strudelteig schimmert wie Pauspapier.
Ist der Teig über das Küchentuch gestreift, zeichnet sich das Geschick der „Teigzieher“ ab. Denn die Teig wird ausgezogen und dadurch immer dünner. Das ist nicht ganz einfach, in Österreich steht das Wort Abstrudeln nicht umsonst für Verausgabung.
Öl macht den Strudelteig geschmeidig
In diesem Sinne hat auch Martin Gerhards sich an diesem Morgen abgestrudelt. Denn bleibt Zeit, knetet er in seinem Restaurant Rheinblick Baerl in Duisburg den Teig aus Mehl, Wasser und Öl selbst. Ein echter Österreicher habe ihm gezeigt, wie das geht.
Angepasst hat Gerhards sein Strudelrezept nach eigenem Gusto: „Ich mische Mandeln unter, so wird der Strudel himmlisch!“ Strudelbäcker schwören ferner auf flüssige Butter, die vor dem Aufrollen und nach dem Backen über den Strudel gepinselt wird, damit er schön saftig wird.
In Kombination mit Eis und Vanillesoße
Wie die französische Quiche ein Aushängeschild namens Lorraine hat, hat der Strudel von der Donau seinen sauren Apfel, zumindest kennen wir ihn so, in der Regel mit einer Kugel Vanilleeis im Schlepptau. In Wiener Kaffeehäusern steht diese Kombination gerne auf den Karten. Im Rheinblick Baerl gibt es den Strudel mit Vanillesoße. Eine herzhafte Variante plant der Koch.
Tatsächlich hat es bei den Österreichern regelrecht Tradition, alles Greifbare zu verstrudeln. Die Kunst dabei ist abzuschätzen, wie viele Marillen und Zwetschgen, wie viel Topfen oder Mohn reinpasst in den Mehl-, Grieß- oder Hefeteig, sodass er weder teigig schmeckt noch aufplatzt. Saftige Füllungen eignen sich jedenfalls gut, weil sie während des Backens im Teigmantel geschützt sind, so keine Flüssigkeit verlieren und den Teig feucht halten.
Ursprung liegt in der Türkei
Obschon immer vom Österreicher die Rede ist, fand der Strudel wohl im 15. Jahrhundert seinen Weg über Ungarn aus der Türkei nach Wien. So kann Baklava, jenes pappsüße Blätterteiggebäck aus dem Orient, als Mutter des Strudels gelten. Spätestens im 18. Jahrhundert jedoch hatte der Strudel um die Donau herum sein Zuhause gefunden. Damals wurde er in einer gusseisernen Pfanne unter offenem Feuer gegart. Oder auch in kochendem Wasser, wie man es heute noch mit Grieß- und Lungenstrudel macht. Letzterer enthält Kalbs- und Schweinelunge und kommt vor allem in Kärnten als Suppeneinlage auf den Tisch.
Mit den Jahren kam die Technik. Moderne Öfen ermöglichen Krusten in Goldbraun. Und Maschinen ziehen Teige dünn wie Pauspapier. Wer nach wie vor selbst ran will, der strudelt sich eben ab. Großmutter wäre mächtig stolz.
Strudel-Variationen:
Dem Apfelstrudel ziemlich ähnlich ist der Topfenstrudel. Seine Füllung besteht aus entwässertem Quark (österreichisch: Topfen) vermischt mit Butter, Eigelb, Eischnee und Zitronenabrieb. Kurz vor Ende der Backzeit kommt der Guss aus gezuckerter Milch und verschlagenem Eigelb dazu.
Beim Millirahmstrudel, einer klassischen Wiener Mehlspeise, kommt die Eiermilch schon bei Backbeginn dazu, der Strudel gart mehr oder weniger darin. Serviert wird er zudem mit Vanillesoße.
Beim Mohnstrudel wird der Teig mit einer Mischung aus Backobst, etwa Trockenpflaumen, Mohn und Likör gefüllt. Es gibt auch Varianten mit Hefeteig, die weniger knusprig, dafür saftiger sind.
Strudel geht auch herzhaft, etwa als Krautstrudel: Im Inneren des hauchdünnen Teiges verbirgt sich eine kräftig-würzige Mischung aus Weißkohl, Speck und Zwiebeln. In der ungarischen Variante spielen rote Paprika und saure Sahne eine Rolle.
Hackfleischstrudel: Die würzige Füllung aus Hack und Zwiebel lässt sich nach Belieben variieren: Mit Lauch und Käse, mit Chili, Kreuzkümmel und Mais – oder asiatisch mit Ingwer, Koriander, Soja- und Austernsoße.