Berlin. Immer mehr Menschen tragen das Schuhwerk, das das pure Laufen simulieren soll. Aber sind Barfußschuhe wirklich gesund für die Füße?
- In der Modewelt sind sie umstritten, aber für die Gesundheit sollen Minimal- oder Barfußschuhe super sein
- Aber: Nicht für jeden sind sie wirklich empfehlenswert, teils wird sogar abgeraten
- Lesen Sie, was die Schuhe bringen und für wen sie sich lohnen
Seit einigen Jahren gibt es einen neuen, alten Trend auf dem Schuhmarkt: Barfußlaufen – oder die vermeintliche Zwischenlösung Minimal- oder Barfußschuh. Immer mehr Anbieter bringen ihre Schuhe auf den Markt. Doch warum sollte man freiwillig zum Barfußlaufen zurückkehren? Schließlich haben unsere Vorfahren nicht ohne Grund schon in der letzten Eiszeit die Schuhe erfunden. Sie banden sich Fell um die Füße, um diese zu wärmen und zum Beispiel vor spitzen Steinen zu schützen: sehr praktisch und auch der Grund, warum sich die Schuhe durchgesetzt haben.
Allerdings hat das Schuhwerk von heute mit den Schuhen von einst nicht mehr viel zu tun. Experten vergleichen moderne Schuhe gerne mit einem Korsett, das um die Füße geschnallt wird: dicke oder zumindest feste Sohlen, gerne gut gedämpft, eng anliegend. Die Bewegungsfreiheit der Füße ist dadurch stark eingeschränkt, der Fuß stark entlastet.
Letzteres klingt erst einmal vernünftig. Allerdings konnten Studien zeigen, dass dadurch die Bodenaufprallkräfte, die auch auf die Gelenke einwirken, deutlich stärker sind als beim Barfußlaufen. Gerade beim Laufen oder Joggen setzen Hobbysportler in Schuhen meist zuerst mit der Ferse auf. Der Stoß überträgt sich auf den ganzen Körper, wird wegen der weichen Sohle aber nicht als schmerzhaft empfunden, sondern abgedämpft. Barfußläufer setzen dagegen in der Regel zuerst mit dem Vorfuß auf, die Bewegung wird so über den Fuß beziehungsweise das Fußgewölbe abgefedert.
Barfuß laufende Kinder balancieren besser
Eine Vergleichsstudie mit Kindern in Deutschland und Südafrika zeigte zudem, dass das Fußgewölbe bei den überwiegend barfuß laufenden, südafrikanischen Kindern deutlich stärker ausgeprägt war. Ein Forscherteam um Astrid Zech und Karsten Hollander untersuchte und vermaß dafür die Füße von insgesamt mehr als 1000 Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen sechs und 18 Jahren in beiden Ländern.
„Ein höheres Fußgewölbe ist wahrscheinlich mit einer besseren Fußkraft assoziiert“, erklärt Zech, Leiterin des Lehrstuhls für Bewegungs- und Trainingswissenschaft an der Universität Jena. Dies exakt nachzuweisen, sei allerdings kaum möglich, da die Fußmuskeln so klein seien. „Man erwischt die Muskeln zum Messen nur schwer und es kommt schnell zu Fehlern.“
Es sei davon auszugehen, dass sich das Barfußlaufen und eine gut ausgebildete Fußmuskulatur positiv auf die gesamte Körperhaltung auswirken. Die exakten Zusammenhänge hätten aber noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden können. Die Vorteile des Barfußlaufens seien aufgrund der aktuellen Erkenntnisse und Forschungslage dennoch nicht von der Hand zu weisen.
Laufschuhe wurden lange nach falschen Kriterien ausgewählt
Genau wie seine Kollegin rät der habilitierte Sportmediziner Karsten Hollander, der kürzlich von der Universität Hamburg an das Spaulding National Running Center der Harvard Medical School im US-amerikanischen Cambridge gewechselt ist, im Alltag so oft wie möglich barfuß zu gehen oder zu laufen und wenn möglich auf Schuhe zu verzichten. „Aus meiner Sicht schränken sowohl Schuhe als auch Socken die Propriozeption, also das Empfindungsvermögen der Füße ein“, so Hollander. Vom Barfußlaufen als Optimum zu sprechen, sei aber trotzdem schwierig, weil niemand das „optimale Gang- und Laufverhalten“ kenne. „Wahrscheinlich, weil es das nicht gibt.“
Hollander hat als Medizinstudent früher selbst in einem Laufladen gearbeitet und einen großen Teil seiner Arbeitszeit damit verbracht, dämpfende Schuhe zu verkaufen und zu versuchen, eine Einwärtsdrehung der Füße bei den Kunden zu verhindern, sodass der Fuß möglichst gerade aufsetzt. „Das war damals ein Paradigma bei Laufschuhen“, erinnert sich Hollander. Dass das, anders als viele denken, aber überhaupt nicht verletzungspräventiv sei, habe er auch erst über die Jahre und die Forschung richtig verstanden.
Heute wisse er, dass man möglichst frühzeitig und möglichst viel barfuß unterwegs sein sollte und dass dies viele Vorteile mit sich bringe. „Die Kinder, die in Schuhen aufwachsen, haben beispielsweise mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einen Plattfuß, sowohl als Kind als auch als Erwachsener“, so Hollander.
Neben der bereits erwähnten Fußkraft konnten Hollander und Zech in ihrer Studie zudem zeigen, dass die barfuß laufenden Kinder im Schnitt besser balancieren und springen konnten als die beschuhten Kinder. Wissenschaftlich untersucht seien die möglichen langfristigen Folgen allerdings noch nicht ausreichend. Eine andere Studie zeigte positive Auswirkungen auf die Laufökonomie, wenn Sportler langfristig ohne dämpfende Turnschuhe trainierten.
Umsteigen auf Barfußlaufen – Das sollte man beachten
Wer mit Blick auf Fußkraft, Haltung und Bodenaufprallkräfte künftig selbst viel barfuß laufen möchte, sollte beim Umstieg ein paar Dinge beachten, so die Experten. Hollander rät, vorher eine orthopädische Fehlstellung des Fußes oder sonstige Probleme auszuschließen. „Es gibt Extremfälle, bei denen wird vom Barfußlaufen abgeraten.“
Zudem sollte gerade beim Laufen oder Joggen lieber Schritt für Schritt in Fünf-Prozent-Etappen umgestellt werden. „Man fängt mit etwas Gehen in der ersten Woche an“, erklärt Hollander. „Wenn man zum Beispiel 50 Kilometer die Woche läuft, dann läuft man die Woche danach erst einmal zweieinhalb Kilometer, die Woche darauf fünf, dann siebeneinhalb, dann zehn und so weiter.“
Wichtig sei es zudem, immer auf die äußeren Rahmenbedingungen zu achten, räumt Zech ein. „Nicht alles funktioniert immer barfuß laufend.“ Deswegen seien minimalistische Schuhe gute Alternativen. Diese könnten das natürliche Laufverhalten gut simulieren. Das habe bereits eine Studie von 2012 gezeigt, die in Zusammenarbeit mit einem Hersteller minimalistischer Schuhe gemacht wurde. Unabhängige Folgestudien konnten diese Ergebnisse bestätigen.
Barfußschuhe sollten flexibel und leicht sein
Die Begriffe Barfußschuh oder auch Minimalschuh sind nicht geschützt. Theoretisch könnte jeder seine Schuhe so nennen. Gute Minimalschuhe müssen aus Sicht der Experten jedoch folgende Kriterien erfüllen: „Sie müssen leicht sein, sie dürfen keine Dämpfung und sie müssen eine flexible Sohle haben“, erklärt Zech. Hollander ergänzt: „Wenn man den Schuh zusammenrollen kann, ist das ein gutes Zeichen.“ Außerdem solle man auf die sogenannte Sprengung des Schuhs achten. Dieser sollte vorne wie hinten exakt gleich hoch sein.
Im Alltag ist es nicht jedem möglich, immer barfuß oder zumindest in minimalistischen Schuhen unterwegs zu sein. Schließlich sind beispielsweise Sicherheitsschuhe in manchen Berufen unabdingbar. Zudem sei man gerade bei Schuhen natürlich immer Modetrends unterworfen, so Zech. Und nicht alle seien gut für die Füße. „Es gibt Situationen, ganz ehrlich“, räumt Zech ein, „da trage auch ich eher ungesunde Schuhe.“
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