Berlin. 40 Tage ohne Zucker! Unsere Autorin hat die Nase voll von ihrer Lieblingssucht und zuviel Hüftgold. Wird ihr Selbstversuch gelingen?
Ganz ehrlich: Ich fühle mich schlecht. Regelmäßig schreibe ich über gesunde Ernährung, darüber, wie hochverarbeitetes Essen das Krankheitsrisiko erhöht –parallel schiebe ich mir eine Pizza in den Ofen, weil es schnell gehen muss. Und auch dragierte Erdnüsse, Gummibärchen und Co. sind als Nervennahrung treue Begleiter. Genau wie Cola als Energiebooster.
Wider besseren Wissens stopfe ich mich mit Zusatzstoffen und vor allem Zucker voll. In der Weihnachtszeit und rund um den Jahreswechsel hat dieses ja fast schon schizophrene Verhalten ein trauriges Hoch erreicht. Auch meinen Kindern gegenüber fühle ich mich nicht mehr glaubwürdig.
Warum sollten sie sich freiwillig gesund ernähren und auf das so verlockende Süß verzichten, wenn Mama es nicht vorlebt. Mal ganz unabhängig davon, dass ich mich in meiner eigenen Haut schon eine ganze Weile nicht mehr so richtig wohl fühle und mein Fitnesslevel ein Allzeit-Tief erreicht zu haben scheint.
Zucker: Mein Konsum hat suchtartige Züge angenommen
Doch welche Ernährungsumstellung ist nun für mich die richtige? Aus zahlreichen Experten-Interviews weiß ich, dass eine kurze Diät alleine nichts bringt. Ich muss meine Ess- und Lebensgewohnheiten langfristig umstellen. um einen nachhaltigen Effekt zu erzielen.
Und mir ist auch klar geworden: Ich möchte damit nicht erst beginnen, wenn ich ernsthaft krank bin – so machen es nämlich die meisten. Sie brauchen laut der Experten erst ein Aha-Erlebnis, um zu realisieren, was sie sich jahrelang, auch durch ungesundes Essen, angetan haben. Die Auswirkungen zeigen sich nämlich oft erst nach zehn Jahren oder noch länger.
Auf Zucker zu verzichten, scheint mir für mich persönlich ein guter Anfang zu sein. Denn ja, ich befürchte, bei mir hat der Zuckerkonsum durchaus schon suchtartige Züge angenommen. Leider bin ich da in der heutigen Zeit kein Einzelfall.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, dass freie, also ungebundene Zucker, wie Haushalts- und zugesetzte Zucker oder auch Honig, weniger als fünf Prozent der gesamten Tagesenergiezufuhr ausmachen sollten. Das sind etwa 25 Gramm freier Zucker pro Tag – rund sechs Teelöffel also. Hier liege ich – vorsichtig formuliert – deutlich drüber, genau wie viele viele andere.
Zucker wirkt ähnlich wie Kokain und andere Drogen
Von Stefan Kabisch vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung weiß ich, dass wir in den westlichen Ländern in der Realität im Schnitt eher bei 100 bis 120 Gramm pro Tag und Kopf liegen – im Einzelfall sei es oft sogar noch deutlich mehr. Das trifft wohl auch auf mich zu. Ist eine Tafel Schokolade einmal geöffnet, überlebt sie bei mir meist nicht lange. Ähnliche Beispiele gibt es viele, obgleich ich eigentlich weiß: Dieses Verhalten hat einen Rattenschwanz. Ich gerate in einen Teufelskreis.
Studien konnten zeigen, dass Zucker die gleichen Belohnungszentren im Gehirn aktiviert wie Kokain und andere Drogen. Erstmal fühle ich mich durch Süßes gut. Gleichzeitig verlangt mein Körper durch die ständigen hohen Schwankungen im Insulinhaushalt Nachschub. Denn wenn der Insulinspiegel wieder absackt, fühle ich mich antriebslos und oft auch müde. Ich greife ganz automatisch wieder zu Zuckerhaltigem, ohne dass mir der Grund bewusst ist.
Bei meinen Recherchen bin ich immer wieder auf unterschiedliche Zuckerfrei-Bücher und Challenges gestoßen. Einige zeigen natürliche Alternativen zum Industriezucker auf: Agavendicksaft, Kokosblütenzucker, Honig, Datteln. Alles schön und gut, aber Zucker ist nun mal Zucker. Und wenn ich jetzt alles künstliche einfach eins zu eins durch natürliche Produkt ersetze, ist nichts gewonnen. Das betätigen mir auch die Ernährungsexperten.
Ich mag Herausforderungen
Was mich persönlich anspricht: die 40-Tage-Zuckerfrei-Challenge. Ich mag Herausforderungen. Vierzig Tage hören sich überschaubar an. Ein Verzicht wie in der christlichen Fastenzeit. Und die Autorin Hannah Frey schreibt, was mir die Experten vorher schon erklärt haben: Zucker eins zu eins durch Alternativen zu ersetzen, bringt nichts. So komme man einfach nicht vom „süßen Geschmack“ weg. Auf jeglichen Zucker zu verzichten – also auch auf frisches Obst – sei dagegen auch nicht sinnvoll, ja sogar ungesund. Ziel sei eine langfristige Ernährungsumstellung, so die Autorin.
Hannah Frey erklärt mir, dass sie selbst durch den Zuckerverzicht im Alltag viel l eistungsfähiger und fitter sei. Außerdem sei ihre Haut reiner geworden und sie habe ein paar Kilos verloren. Gleichzeitig habe der Zuckerverzicht aber noch viele weitere positive Effekte: Der Geschmackssinn verändere sich und nach einiger Zeit schmecke Süßes plötzlich viel intensiver. Manchmal sei es sogar so schlimm, dass sie Essen, das sie früher mal sehr gerne mochte, gar nicht mehr essen könne, weil es ihr viel zu süß sei. Damit würden dann auch die Heißhungerattacken verschwinden. Sie hat mich gekriegt.
Ich habe mir von meiner Hausärztin auch gleich mal Blut abnehmen lassen, um die Werte zu kontrollieren. Wenn ich sehen würde, dass hier irgendetwas im kritischen Bereich läge und ich dringend etwas tun müsse, wäre das natürlich ein zusätzlicher Motivator zum Wissen, dass ich mir und meiner Gesundheit ohnehin langfristig etwas Gutes täte.
Ich will meinen Body-Mass-Index (BMI) verbessern
Das Resultat: Keine Anzeichen für eine Fettleber. Ich hätte ein super Blutbild. Auch die Nierenwerte, der Gesamt-Cholesterinwert und die Triglyceride, die, wenn zu hoch, ähnlich wie Cholesterin, Arteriosklerose begünstigen können, wären alle tipptopp. Lediglich mein LDL-Cholesterin und die Mittlere Blutzuckerkonzentration seien minimal erhöht, aber immer noch im grünen Bereich. Der Kommentar meines Onkels – ebenfalls Allgemeinarzt – beim Blick auf die Werte: Was soll denn da noch besser werden?
Definitiv mein Body-Mass-Index (BMI). Der liegt nämlich bei 30,4 und damit habe ich starkes Übergewicht. Noch aussagekräftiger ist das Waist-to-hip Ratio (WHR). Anders als der BMI berücksichtigt es weder Gewicht noch Größe, sondern die Fettverteilung im Körper.
Um dieses Taille-Hüft-Verhältnis zu ermitteln, wird der Taillenumfang durch den Hüftumfang geteilt. Bei Männern sollte der Wert unter 1 liegen, bei Frauen unter 0,85. Bei mir liegt er bei 1,3. Das spricht für ein ungesundes viszerales Fettdepot. Das bestätigen auch der Blick in den Spiegel und das kleine, kugelige Bäuchlein, das sich unter der Kleidung erahnen lässt.
Einmal mehr ist mir klar: Schluss mit zuckrig! Mir und meinem Körper zu Liebe. 40-Tage-Zuckerfrei-Challenge – accepted! Wie es mir dabei die nächsten 40 Tage ergeht, werde ich euch jede Woche berichten. Drückt mir die Daumen.